Mit ihrem Debut schlugen sie in der Szene ein wie eine Bombe und auch wenn sie sich im Lauf ihrer Karriere immer wieder verändert haben und manchmal angeeckt sind, haben BULLET FOR MY VALENTINE ihren Sound immer konsequent weiterentwickelt und ihren Weg verfolgt. Qualitativ wurden dabei so gut wie keine Abstriche gemacht und die Band hat durchweg solide bis starke Alben veröffentlicht. Das ist wohl einer der Hauptgründe für ihren Erfolg. In den folgenden Texten bespreche ich alle Alben der Band und beschäftige mich im Zuge ihrer Musik mit der Daseinsberechtigung von Ruhe im Metal.
- The Poison (2005)
Dieses Debut ist ein Statement. Die Waliser Jungspunde spielen sich aus dem Stand zu einer der angesagtesten Bands dieser Zeit und überzeugen mit einem Mix aus Metalcore, Thrash Metal, einer Prise Deathcore und packen eine ordentliche Portion Melodie und Eingängigkeit dazu. Nach einem ruhigen Intro (bei dem die Cellos von Apocalyptica eingespielt wurden) hämmert „Her Voice Resides“ brachial drauflos. Der zweigeteilte Gesang (Frontmann Matt übernimmt allen Klargesang während Bassist Jay viele der Screams beisteuert) hat ordentlich Druck und die musikalische Klasse der Band kommt bereits zum Vorschein. „4 Words (To Choke Upon)“ ist ähnlich heftig. Das Tempo wird etwas gedrosselt wodurch die Riffs noch eine Nummer schwerer klingen. In „Tears don’t fall“ wechseln sich melodische Strophen mit einem harten Refrain und Screams ab. Der Song ist verdammt eingängig und spätestens nach dem zweiten Hören ein echter Ohrwurm. Der thrashige Mittelteil hebt das Aggressionslevel nochmal an. Die Melodien in „Suffocating under Words of Sorrow (What can I do)“ machen den Song trotz aller Härte zum nächsten Ohrwurm bevor „Hit the Floor“ nochmal einen draufsetzt. Der Gesang ist die meiste Zeit klar, nur im Refrain (und vereinzelt in den Strophen) kommen Screams zum Einsatz. Die Musik ist dafür umso heftiger und groovt wie Hölle. Stark! Die Halbballade “All these Things I hate (Revolve around me)” kombiniert gefühlvollen Gesang mit einem groovenden Refrain. Das geniale „Hand of Blood“ überzeugt mit sattem Groove und eingängigen Leads, die in diesem Fall hauptverantwortlich für die Melodik des Songs sind. Die Screams sitzen punktgenau und bilden einen guten Kontrast zu den Gitarren. „Room 409“ schlägt ähnlich hart zu. Der Groove ist mörderisch und die Saitenfraktion rifft präzise. Der Gesang besteht fast ausschließlich aus Screams und wird nur vereinzelt von klaren Passagen aufgelockert. Doch besonders die Gangshouts im Refrain wissen zu gefallen. Der Titeltrack kommt mit etwas mehr Melodie daher. Der Wechselgesang aus Screams und Matts klarer Stimme lockert die Stimmung des Songs etwas auf, die Gitarrenmelodien sind schnell und hart aber eben auch melancholisch. Dazu passt der groovende Break vor dem letzten Refrain, der dem Song nochmal mehr Dramatik verleiht. „10 Years Today“ groovt in schwerem Midtempo los. Die Gitarren sägen sich durch starke Melodien und der Gesang in den Strophen ist melodisch und klar. Der Refrain wird von einer starken Bridge eingeleitet die Klargesang mit Screams kombiniert. Am Ende geht ein cooler Break in den letzten Refrain über. Stark! „Cries in Vain“ startet ruhig und gibt dann Gas. Das Schlagzeug groovt heftig und die Melodien sind eingängig (aber nicht kitschig). Zwischen den Strophen gibt’s immer wieder ein ruhiges Zwischenspiel das die Härte auflockert. Diese bricht in der Mitte des Songs plötzlich ab, nur um sich langsam wieder aufzubauen und in einen letzten Groove mit viel Melodie überzugehen. Das finale “The End” beginnt mit ruhigen Gitarren und reduziertem Groove. Melodischer (fast sehnsüchtiger) Gesang baut sich stetig auf und zu vereinzelten Screams wird auch die Musik härter. Doch erst ab der Mitte des Songs gibt die Band Gas. Der Groove hämmert schwer bevor das Tempo angezogen wird. Die Riffs werden fast thrashig, behalten die Melodik aber bei. Der Gesang ist ein Wechselspiel aus Jays Screams und Matts Klargesang bevor der Song mit dem ruhigen Motiv des Intros ausklingt. Stark!
Fazit:
Wie eingangs erwähnt ist “The Poison” ein sehr starkes Album geworden und zeigt eine junge und hungrige Band auf einem frühen ersten Höhepunkt ihrer Karriere.
- Scream Aim Fire (2008)
Nachdem sie bereits mit ihrem Debut ein (fast) perfektes (Modern Metal) Album abgeliefert haben, stehen BULLET FOR MY VALENTINE vor der schwierigen Aufgabe nicht gegen das Debut abzustinken. Doch das gelingt leider nur teilweise. Der Opener „Scream, Aim, Fire“ überzeugt aber mit gut gespieltem Thrash Metal und einer Prise Metalcore (auch wenn das Songwriting bereits hier glatter wirkt als auf dem Debut). Auch „Eye of the Storm“ prügelt heftig drauflos. Die Riffs bleiben sogar gut hängen und der Gesang ist trotz der Cleans ziemlich aggressiv (teilweise fühlt man sich gar an ältere Metallica erinnert). In „Heart burst into Fire“ werden erstmals ruhigere (poppigere) Töne angeschlagen. Der Gesang ist ausschließlich melodisch und clean und auch das Riffing klingt weniger aggressiv. Doch insgesamt ist der Song gut gemacht und bleibt im Ohr hängen. „Waking The Demon“ schwingt danach die unbarmherzige Thrash-Keule. Ein Killer-Riff jagt das nächste, die prügeln amtlich und auch die aggressiven Screams sind wieder da. Stark! „Disappear“ kommt mit griffigen Riffs und ordentlicher Geschwindigkeit daher, auch der melodische Gesang ist gut gemacht, doch irgendwie klingt der Song ein wenig zahnlos. Das ruhige „Deliver us from Evil“ kann zwar immer noch mit ein paar coolen Screams und Gangshouts aufwarten und auch das Riffing ist solide, aber eben nicht mehr zwingend. „Take it out on me“ dagegen zieht das Tempo wieder an und klingt auch etwas härter. Dadurch wird auch der Klargesang besser transportiert und im Refrain sind sogar einige harte Screams zu hören. Die Ballade „Say Goodnight“ hat dagegen den wohl bisher größten Kitsch-Faktor. Lässt man den Song für sich alleine wirken ist er eine schöne und gut gemachte Ballade, doch im bisherigen Schaffenskontext von BFMV wirkt der Song einfach nur weichgespült. Glücklicherweise packt „End of Days“ danach wieder die Keule aus. Die Drums sind schnell und hart und die Gitarren riffen aggressiv und melodisch. Der Gesang hat wieder mehr Biss und die harschen Screams sind auch wieder da (Gott sei Dank…). „Last to know“ ist danach ein feiner und fetziger Thrasher. Der Gesang ist aggressiv und die Screams überwiegen sogar. Macht Spaß und animiert zum headbangen. Doch mit dem schmalzigen „Forever and Always“ gibt’s danach leider den nächsten Dämpfer. Das Songwriting wirkt (zu) gezwungen und absichtlich Richtung Mainstream schielend. Der Bonustrack „Ashes of the Innocent“ entschädigt jedoch für den schmalzigen Ausrutscher. Der Song prügelt heftig drauflos. Die Riffs klingen wieder spritzig und sogar der eingängige und klare Refrain stört nicht.
Fazit:
Nach dem grandiosen Debut kann „Scream Aim Fire“ dessen hohes Niveau nicht halten, doch das Album ist gut gemacht wenn auch mit einer deutlich poppigeren Ausrichtung. Dieser Schritt in Richtung Mainstream ist einerseits nachvollziehbar, andererseits weckt er (bei eingefleischten Fans) auch Bedenken welchen musikalischen Weg die Band in Zukunft gehen wird.
- Fever (2010)
Mit „Fever“ reizen BULLET FOR MY VALENTINE die Grenze zum Kitsch noch weiter aus als auf dem Vorgänger und wirken dadurch leider etwas (zu) zahnlos. Der Opener „Your Betrayal“ fetzt allerdings noch ordentlich aus den Boxen auch wenn die klare Singstimme von Matt deutlich im Vordergrund steht. Der Refrain macht den Song gar zu einem echten Ohrwurm. Der Titeltrack klingt auch noch ganz ordentlich und groovt solide. Doch trotz der Eingängigkeit wirkt das Ganze etwas zu glatt. „The Last Fight“ kommt dagegen mit packendem Songwriting daher und auch der klare Gesang wirkt bissiger als zuvor. Erinnerungen an die Ohrwurmqualität der älteren Songs werden wach. Das balladeske „A Place Where You Belong“ wirkt dann leider viel zu glatt poliert und gezielt auf Massentauglichkeit getrimmt. Objektiv betrachtet mag der Song ganz ordentlich sein, doch BFMV können das eigentlich viel besser. „Pleasure and Pain“ entschädigt danach aber wieder ein wenig. Vereinzelt kehren Schreie zurück und obwohl der Refrain immer noch ziemlich poppig ist klingen die Riffs und Grooves wieder fetziger als bisher. „Alone“ lässt danach gar einen deutlichen Iron Maiden Einfluss durchklingen. Der speedige Song klingt griffig, die Riffs sind wieder schärfer und auch der Gesang zeigt etwas mehr Zähne. In „Breaking Out, Breaking Down“ zeigt Matt Tuck einmal mehr dass er ein starker Sänger ist. Die wenigen Screams sitzen punktgenau und passend. Der ansonsten sehr melodische Song bleibt gut im Ohr hängen und sogar die „oh, oh, oh“-Chöre nerven diesmal nicht sondern sind stimmig arrangiert. Die Power-Ballade „Bittersweet Memories“ ist ein Ohrwurm allererster Güte. Das Songwriting klingt zwar wieder sehr poppig, nervt aber nicht und wird live wohl Kuschelstimmung sorgen (trotz des gegenteiligen Textes). „Dignity“ klingt danach deutlich aggressiver. Die Riffs sind wieder thrashig ohne im Refrain die Melodien zu kurz kommen zu lassen. Die melodischen Strophen wechseln mit einem härteren Refrain in dem auch wieder Platz einige heftige Schreie ist. Die Gitarrensolos im letzten Drittel transportieren viel Melodie aber eben auch Energie. „Begging for Mercy“ ballert danach richtig. Die gescreamten Strophen klingen hart und ein Killerriff jagt das Nächste. Die Doublebass hämmert energisch und hier passt der melodische und eingängig gesungene Refrain wieder sehr gut, denn er sorgt für die nötige Abwechslung. Stark! Das abschließende „Pretty on the Outside“ balanciert zwischen Stakkato-Riffing und Highspeed-Groove. Auch der Gesang klingt wieder aggressiv und die Cleans sind ebenfalls energisch. Der Song steigert sich am Ende nochmal ehe der letzte Refrain mit Doublebass, „oh-oh-oh“-Chören und Screams endet.
Fazit:
Wäre das gesamte Album im Stil der letzten Songs gehalten worden hätte „Fever“ durchaus das Potential gehabt ein gleichwertiger Nachfolger zu den ersten Alben (und vor allem zu „The Poison“) zu werden. So bleibt insgesamt leider der Eindruck dass die Band den Fokus zu sehr auf (zu) große Pop/Rock-Hymnen legt und sich deutlich mehr dem musikalischen Mainstream anpasst als bisher.
- Temper Temper (2013)
Anstatt den Hörern und vor allem den Kritikern zu beweisen wie „metal“ man doch ist, besinnen sich BULLET FOR MY VALENTINE auf auf ihre Stärken und präsentieren mit „Temper Temper“ ein überraschend unverkrampftes Album. Erreichen aber trotzdem nie die Klasse ihrer ersten Alben. Der Einstieg „Breaking Point“ macht aber zunächst Lust auf mehr: griffiges Songwriting, starker Groove und charismatischer Gesang zwischen Cleans und Screams. Yeah! Auch „Truth Hurts“ donnert zunächst amtlich. Der Gesang ist zwar etwas zahm aber die Nummer ist ein echter Ohrwurm. Mit dem Titeltrack kommt dann ein echtes Monster aus den Boxen. Die Riffs und Melodien sind griffig, der Song groovt und der Gesang aggressiv (obwohl er die meiste Zeit clean ist). Mit „P.O.W“ gibt’s erste ruhigere Töne. Matt singt melodisch und die Strophen klingen balladesk. Der groovende Refrain liefert ein bisschen mehr Härte. Ganz okay. „Dirty Little Secret“ startet mit einem geilen Riff und groovt dann los. Die ruhigen Strophen sind spannend arrangiert und der Refrain ist unverschämt catchy. Stark! „Leech“ fetzt mit schnellen Strophen los. Die Riffs sind wieder da! Der Refrain macht Spaß…Kurz: Das Teil ist ein Hit! Die Ballade „Dead to the World“ ist leider wenig spannend arrangiert und wirkt wie Massenware. „Riot“ entschädigt dafür wieder. Der Refrain macht mit seinen Riffs und Grooves Spaß und auch die Strophen sind ganz gut arrangiert und haben Druck. „Saints & Sinners“ ist schnell. Die Drums haben Kraft und die Riffs und Gitarrensolos sind melodisch. Matts Gesang hat auch wieder mehr Energie kommt aber trotzdem ohne Geschrei aus. Mit „Tears don’t fall Part 2“ folgt dann der Nachfolger zu dem Hit des Debuts. Insgesamt fällt das Stück viel ruhiger als der erste Teil aus, doch die Melodien sind catchy und in der zweiten Hälfte gibt der Song richtig Gas. Die Gitarrensoli klingen melodisch und vereinzelt kommen brutale Screams zurück. Zwar wird die Klasse des ersten Teils nicht erreicht aber der Song ist gut, (wenn nicht sogar der beste auf dem Album). „Livin Life (On the Edge of a Knife) startet mit groovenden Drums und auch die Melodien und Riffs sind ordentlich, der eingängige Refrain ist sogar richtig gut, aber insgesamt klingt der Song leider etwas austauschbar. Der Bonustrack „Not Invincible“ entschädigt aber ein Stück weit wieder: fetzige Riffs und ein schneller Groove treiben den Gesang an. Matts Stimme ist super und die Melodien und sogar der catchy Hintergrundgesang machen Spaß. Geil!
Fazit:
Auch wenn „Temper Temper“ kein Rückgriff auf alte Glanztaten ist, machen BULLET FOR MY VALENTINE mit diesem Album einiges richtig und präsentieren sich etwas frischer als zuletzt auf „Fever“. Das tut der Musik hörbar gut und hat einige gute Songs zur Folge. Der Pop-Faktor ist zwar nicht weg, aber auch nicht überpräsent. Unterm Strich bleibt also ein solides, stellenweise wirklich gutes Album.
- Venom (2015)
Nachdem die letzten beiden Alben von den Fans nicht sonderlich positiv aufgenommen wurden beschließt die Band einen Schritt zurückzugehen. Der Titel suggeriert bereits eine Rückbesinnung auf die beste Phase von BFMV: den seligen Anfang zu Zeiten von „The Poison“. Doch kann „Venom“ an das geniale Debut anknüpfen? Nach dem kurzen Intro „V“ knüppelt „No Way Out“ kompromisslos und hart los. Doublebass, melodische aber harte Riffs und…Geschrei. Jawohl sie können’s noch! Der melodische Refrain sorgt für Abwechslung und klingt wirklich gut. „Army of Noise“ ist der wohl thrashigste Song seit „Scream Aim Fire“. Ein fetziges Riff jagt das Nächste. Matts Gesang ist nicht mehr weichgespült sondern aggressiv und doch melodisch. Stark! „Worthless“ legt mit schwerem Groove los, bevor die Strophen reduzierter und ruhiger sind. Der Gesang ist düster aber melodisch und im Refrain wird vereinzelt geschrien. Doch insgesamt klingt der Song leider etwas austauschbar. Ganz anders: „You want a Battle? (Here’s a War)“. Der Song beginnt mit einem Chor und knüppelt dann in schwerem Midtempo drauflos. Die Strophen sind ruhig und Matts Gesang ist melodisch, aber eben nicht mehr kitschig. Im Refrain gesellen sich einzelne Schreie zu den Cleans, die Doublebass hämmert druckvoll und am Ende gibt’s ein geiles Gitarrensolo. „Broken“ ist eine Gratwanderung. Die Riffs sind hart, die Drums haben Druck und die Bridge ist sogar richtig brutal, doch daneben steht ein Refrain der wirklich eingängig und melodisch (manch einer mag sogar behaupten kitschig) ist. Aber der Song funktioniert und ist auch nach dem zehnten Durchlauf immer noch ein Brett! Der Titeltrack ist deutlich ruhiger und steht in der Tradition von Songs wie „Tears don’t fall“. Doch leider klingt das Stück zu austauschbar und wenig innovativ. Das hat man von BFMV schon besser gehört. „The Harder the Heart (The Harder it Breaks)“ dagegen killt! Der Song ist im Midtempo gehalten. Die Gitarren klingen griffig und auch der Gesang (obwohl sehr melodisch) ist nicht zu soft. Die einzelnen Schreie verleihen dem Stück etwas mehr Härte. Stark! „Skin“ ist schnell und aggressiv. Klasse Gesang. Vor allem live wird der Song auf die Tube drücken. „Hell or High Water“ funktioniert auf Anhieb. Der Refrain reißt einfach mit. Midtempo-Groove wird mit melodischen Riffs kombiniert. Am Ende wird’s thrashy bevor ein letzter Refrain den Song mit viel Groove beschließt. „Pariah“ klingt flott. Der nächste mitreissende Refrain und die Strophen galoppieren amtlich. Gesanglich werden Melodien mit Gangshouts kombiniert und am Ende gibt’s ein geiles Gitarrensolo bevor die Doublebass nochmal richtig Druck macht. Super!
Fazit:
Mit „Venom“ machen BULLET FOR MY VALENTINE einiges an verlorenem Boden wieder wett. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, ja „Venom“ kann tatsächlich an „The Poison“ anknüpfen. Es klingt als hätte die Band ihre vorherigen Experimente satt und stattdessen wieder Bock auf Energie und starke Songs. Also alles richtig gemacht!
- Gravity (2018)
Dieses Album birgt einige Neuerungen. BULLET FOR MY VALENTINE reichern ihren Sound mit Elementen des Djent an und würzen mit einigen elektronischen Überraschungen nach. Doch wie klingt das sechste Werk nun? Mit „Leap of Faith“ ist den Walisern ein dynamischer Einstieg gelungen der alle Trademarks der Band vereint. Ruhige Strophen, energische Bridge, heftiger Refrain. Gesanglich hat Matt noch stärker an seiner Clean-Stimme gearbeitet, die hier nur vereinzelt mit Screams kombiniert wird. „Over It“ wurde bereits vorab als Single ausgekoppelt und bleibt sofort im Ohr. Die Riffs treiben den Song unermüdlich an, auch wenn der Gesamteindruck am Ende etwas gleichförmig wirkt. Ganz anders: „Letting You Go“. Ein ruhiges, sphärisches Intro, melodischer Gesang und dann bricht der Rhythmus los. Und wie…der Kopf will sofort headbangen, da bricht die Härte plötzlich wieder weg. Der Song baut stetig auf und fällt wieder in sich zusammen. Stark! Auch „Not Dead Yet“ klingt gut. Das Songwriting ist kompakt und die „ohohoh“-Chöre fügen sich gut in den Refrain ein. Einziger Nachteil: So schnell wie der Song zündet, so schnell ist er auch wieder vergessen. Das balladeske „The Very Last Time“ lässt dann viel Raum für Matts Stimme, die hier ehrlich fragil und glaubhaft emotional klingt. Der langsame Drum-Rhythmus bringt den Song zusammen mit simplen aber wirksamen Riffs zu einem intensiven Abschluss. „Piece of Me“ klingt danach wieder heftiger. Das Hauptriff bleibt sofort im Kopf, die Drums haben Druck und der Gesang ist einerseits energisch, teilweise richtig aggressiv und andererseits hochmelodisch und dynamisch. Speziell die Chöre im Mittelteil bleiben noch lange im Ohr. Ganz stark! „Under Again“ klingt wieder deutlich ruhiger und erinnert durch die elektronischen Elemente teilweise an Bring Me The Horizon. Der fast poppige Gesang hallt lange im Gehör nach weil die Instrumentierung griffig und clever arrangiert ist. Sicher ein streitbarer Song, aber handwerklich gut gemacht. Im Titeltrack sind die Chöre dann aber fast zu präsent. So entsteht leider der Eindruck, dass eine echte Hook fehlt. Instrumental ist der Song aber durchaus gelungen und vor allem live könnte er gut funktionieren. In „Coma“ dagegen passt die Dynamik perfekt. Der ruhige Anfang wird immer weiter gesteigert. Auf ruhigen Gesang folgt ein heftiger Break bevor die Strophe die Härte komplett rausnimmt. Der Refrain wird zwar komplett clean gesungen aber die Musik ist brachial. Stampfende Riffs und harte Drums bilden das Fundament, das aber immer noch genug Platz für die zerbrechlichen Momente des Gesangs lässt. Stark! Das Highlight ist allerdings das folgende „Don’t Need You“. Nach einem melodischen Intro hagelt es Riffs. Der Groove ist mörderisch und animiert sofort zum headbangen. Auch gesanglich geht wieder die Post ab. Matts Screams sind brutal und werden im Refrain mit griffigem Klargesang kombiniert. Der Song hätte auch ohne Probleme auf dem Vorgängeralbum stehen können. Stark! Die Akustik-Ballade „Breathe Underwater“ wirkt wie das Gegenstück zum heftigen „Don’t Need You“. Matt singt fantastisch und klingt ehrlich sehnsüchtig und fragil. Die Melodien der Akustik-Gitarre bilden zusammen mit den Streichern ein kompaktes Paket das die melancholische Stimmung des Textes perfekt transportiert. Insgesamt ein gelungener Abschluss.
Fazit:
Auch wenn die Band einige neue Elemente in ihren Sound aufgenommen hat klingt „Gravity“ unverkennbar nach BULLET FOR MY VALENTINE. Die Experimente auf diesem Album sind aber durchaus gelungen und zeigen, dass sich die Band künstlerisch immer noch weiterentwickeln will anstatt auf Nummer sicher zu gehen. Alleine das sollte honoriert werden. Wenn dabei auch weiterhin so spannende Musik wie auf „Gravity“ rauskommt, umso besser.
- Bullet for my Valentine (2021)
Rückblickend war „Gravity“ der musikalische Tiefpunkt in der Karriere von BULLET FOR MY VALENTINE. Das lag vor allem daran, dass das Material so weit weg war von den stilistischen Wurzeln des Debuts oder „Scream Aim Fire“. Für sich genommen war das Album gut, es hat nur kaum in den BFMV-Kosmos gepasst. Insofern klingt „Bullet for my Valentine“ dann auch wie ein Statement: „Das ist unsere musikalische Essenz, das sind wir, pur!“. Dazu passt auch das Intro zu „Parasite“, das aus Soundschnipseln älterer (vornehmlich härterer) Nummern besteht. Der Opener lässt auch erstmal keinen Raum zum verschnaufen sondern brettert brutal drauflos. „Knives“ schließt an die Energie an und feuert breitbeinige Riffsalven ab. Auch gesanglich tobt sich Matt Tuck wieder ordentlich aus und brüllt neben seiner hervorragenden Klarstimme aggressiv über die Songs. Dabei richten sich die emotionalen Ausbrüche auf textlicher Ebene eher gegen das eigene Selbst („My Reverie“). Dementsprechend geht musikalisch ziemlich die Post ab. Als echtes Highlight diesbezüglich kristallisiert sich nach und nach „No Happy Ever After“ heraus. Der Refrain ist wie für die große Bühne gemacht, wohingegen die Strophen heftige Groove-Eruptionen sind. Die ergreifendsten Stücke auf „Bullet for my Valentine“ sind aber die die sich textlich mit den eigenen Schwächen beschäftigen. Allen voran „Can’t Escape the Waves“, das mit seinem Spagat aus hart groovenden Strophen und eingängigem Refrain durchaus an alte Großtaten erinnert. In eine textlich ähnliche Kerbe schlägt das geniale „Rainbow Veins“, das sich mit mentaler Gesundheit beschäftigt und damit auch Bezüge zur aktuellen Zeit herstellt. Musikalisch beklemmend inszeniert malen BFMV ein düsteres Bild, das die Abgründe die sich jeder Mensch für sich selbst erschaffen kann einerseits sehr farbenfroh inszeniert, andererseits aber alles andere als fröhlich ist. Der Song ist irgendwie bedrückend, zermürbend, klingt aber auch (vor allem durch die Chöre und den genialen Refrain) nach Aufbruch. Im textlichen Kontext stellt sich nur die Frage ob es ein Aufbruch ins Leben oder aus dem Leben heraus ist. Dagegen gefällt ein Song wie „Bastards“ durch seinen kämpferischen Anstrich der sich besonders im Text zeigt und so auch einige Parallelen zur aktuellen Zeitqualität zieht. Ähnliches gilt für „Paralysed“, das als aggressiver Thrasher das Gaspedal voll durchdrückt und durchaus an alte Großtaten erinnert, wenn auch mit modernem Anstrich. Mit „Death by a Thousand Cuts“ wird’s am Ende einerseits nochmal richtig brutal (die Strophen), andererseits geht der Refrain geschmeidig ins Ohr, was durchaus eine tolle Parallele zu einem Album wie „The Poison“ herstellt.
Fazit:
„Willkommen zurück!“ möchte man nach den ersten Durchläufen von „Bullet for my Valentine“ fast dankbar ausrufen, denn die Band hat es tatsächlich geschafft sich auf ihre Stärken zu besinnen, ohne die Entwicklung der vergangenen Jahre zu vernachlässigen. Ob das Eingangs erwähnte Statement zu genüge erfüllt wurde, wird die Zeit allerdings erst noch zeigen müssen. Für den Anfang ist „Bullet for my Valentine“ aber endlich wieder ein Album voller Energie und starker Songs, wurde auch Zeit!
Metal hin, Pop her
Von der Berechtigung von Eingängigkeit und Ruhe im Metal am Beispiel BULLET FOR MY VALENTINE
Metal ist hart. Metal war schon immer hart. Metal muss auch weiterhin immer hart sein. Diese Behauptungen sind bei vielen Menschen eine Art Konsens-Begriff für (härtere) Gitarrenmusik. Doch dabei wird oft vergessen, dass gerade eingängige Musik den Hörer viel schneller erreicht. Melodien vereinfachen den Zugang zu Musik. Ist die Musik extrem technisch und komplex, kann das durchaus auch reizvoll sein. Doch dann ist diese Musik nur für spezielle Situationen geeignet (was allerdings keinesfalls negativ ist). Gerade im Bereich des Metal und der Rockmusik sollte eine gewisse ursprüngliche Härte nicht vergessen werden. Wenn das passiert ist es nachvollziehbar, dass Fans den Bands und Musikern eine Art Ausverkauf oder Komerzanbiederung vorwerfen. Allerdings sollten gerade Kritiker von ruhiger Musik beachten, dass gerade Metalbands oft die besten Balladen schreiben (siehe z.B. Rankings: 20 respektable Deutschrockballaden, 10 legendäre Rock- bzw. Metalsongs). Betrachtet man nun den musikalischen Weg von BULLET FOR MY VALENTINE fällt auf, dass die Band hart und brutal startete, doch bereits damals Balladen und ruhige Klänge in ihren Sound integrierte. Mancher mag diese ruhigen Stücke kitschig finden aber sie sorgen für Abwechslung und verleihen den Alben eine konsistente Mischung. Das hält die Musik spannend. Und wenn man mal ehrlich ist: Gerade live macht ein eingängiger Song doch nochmal mehr Spaß. Das Publikum kann mitsingen und so kann eine einfache Interaktion zwischen Band und Fans stattfinden. Eingängige Lieder bewirken aber auch eine höhere Interaktion der Fans untereinander. Man liegt sich in den Armen, singt gemeinsam und genießt den Moment. So animiert die Musik auch zu zwischenmenschlichem Kontakt. Und das kann doch keinesfalls schlecht sein. Musik sollte Menschen schließlich verbinden. Ob Balladen nun kitschig sind oder nicht ist natürlich letztendlich immer eine Frage des persönlichen Geschmacks, doch eingängige Musik per se zu verteufeln wäre wohl sehr eindimensional, ja ignorant gedacht, denn wie gesagt sie schafft zwischenmenschlichen Kontakt und das ist für sich genommen doch positiv.
Dominik Maier