Oktober 2024

Gaerea – Coma

Gaerea haben sich über die letzten Jahre beständig einen Namen in der Szene gemacht und schaffen es mit Album Nummer vier, ihre mitreißenden Live-Qualitäten vollends auf Platte zu bannen. „Coma“ ist gezeichnet von Veränderungen und symbolisiert eine Art Neustart für die Portugiesen. Nicht nur, dass sich die Stimme geändert hat, auch kompositorisch agieren die Musiker auf einem neuen Niveau, das schneidenden Black Metal zwischen Wut und Verzweiflung mit fast anmutiger Schönheit kombiniert. Dadurch erzeugt die Musik eine Art Trance-Zustand, in dem sperrige Black Metal meets Post-Rock-Stücke wie „Reborn“ ebenso ihren Platz finden, wie eine Herzschmerz-Hymne der Marke „Wilted Flowers“, die in Sachen Gitarrenmelodik tiefe Kerben in jede noch so dicke Seelenrüstung schlägt. Ein besonderes Augenmerk scheinen die Musiker indes auf den übergeordneten Aufbau des Albums gelegt zu haben. Denn der Spannungsbogen gleicht einer unsteten Wellenform. Vom Sturm und Drang-Beginn „The Poet’s Ballad“, der bereits die exzellente Produktion verdeutlicht, über aggressive Trauerbewältigung der Marke „Hope Shatters“, bis hin zu einem Black Metal-Wellenbrecher wie „Shapeshifter“ ergehen sich Gaerea in Unvorhersehbarkeit. Die Musik packt den Hörer mit ausgestreckten Klauen und wirft ihn im nächsten Moment in Abgründe unbekannter Art, ohne auch nur zu einer Sekunde emotionslos zu wirken. Stattdessen ist „Coma“ ein herzzerreißendes Genre-Werk, das introvertierte Wut auf die Welt wie mit einer Rasierklinge aus dem eigenen Herz schneidet und sie in Form von musikalischer, optischer und emotionaler Katharsis ins Außen wirft. Eines von vielen Beispielen ist u.a. der Abschluss „Kingdom Of Thorns“, dessen Melodik gen Himmel greift, während die allgemeine Stimmung immer destruktiver, introvertierter und selbstvergessener wird. Von rituellen Chören getragen schwirrt die Musik in einem emotionalen Irrgarten umher, schlägt mit scharfen Krallen um sich, während im selben Atemzug das Bewusstsein über die Nichtigkeit von Hoffnung, aber auch von Trauer gleichermaßen wächst und den Geist wie ein Schlag trifft.

Dominik Maier

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