Die 2010er: 10 Jahre-10 Alben Teil 6

Eine Prise (Deutsch-) Punk, ein wenig Rock n Roll, Metalcore-Bullieden und…Poesie: Hier gibt’s eine fette Ladung Energie voller Emotionen und vielen klugen, ehrlichen, spaßigen und auch reflektierenden Texten, die perfekt aus dem Leben gegriffen wurden.


01. Callejon – Blitzkreuz (2012)

Rückblickend gab “Blitzkreuz” der Karriere von Callejon nochmal einen ordentlichen Schub nach vorne. Die Musik wirkt im Vergleich zum Vorgänger “Videodrom” ein Stück reifer, nicht mehr ganz so verrückt, aber nicht weniger heftig. Dabei klingen die Songs sehr abwechslungsreich und vor allem die Texte sind einmal mehr prägnant gestaltet worden. Ein Song wie “Meine Liebe” überrascht gar mit fast romantischer Lyrik. Da passt auch der vermehrte Anteil von Klargesang super. Aber Callejon wären nicht Callejon wenn sie nicht auch ein bisschen pöbeln würden. Dafür ist diesmal die Kooperation mit K.I.Z und Madsen zuständig. “Porn from Spain 2” steht dem ersten Teil in nichts nach und haut derbe auf die Kacke und wurde noch dazu von eine Gitarrensolo von Kreator-Mille veredelt. Mit dem Titeltrack steht ein ganz großer Trumpf der Scheibe ganz am Anfang und gibt gewissermaßen die Richtung vor. Ein hymnischer Refrain trifft auf energisch harte Strophen und einen gesellschaftskritischen Text der nach wie vor aktuell ist. Ähnlich fett aber deutlich brutaler holzt die Band “Atlantis” runter bevor sich “Vergissmeinnicht” um die Frage dreht was der letzte Wunsch eines Menschen ist bevor seine letzte Reise antritt und klingt dabei auch ein Stück weit wie eine Hymne an vergangene Freundschaften/Beziehungen. Ganz ähnlich ist das bei “Bevor du gehst”, Bastis Hymne an einen verstorbenen Freund. Trotz der mitschwingende Trauer im Text hat der Song eine dankbare Note und wirkt wie eine wehmütige Danksagung an eine vergangene Zeit. Tolle Nummer! Das epische “Polar” gibt sich gleichermaßen stürmisch wie nachdenklich und bleibt schnell im Kopf bevor “Was bleibt seid ihr” ein fettes Danke an die Fangemeinde ist und ziemlich nach vorne geht. Das sehnsüchtige “Bring mich fort” knallt nochmal heftig mit Doublebassgroove und fetten Riffs ehe “Kind im Nebel” einen sehr ruhigen Schlusspunkt setzt. Der eine mag den Song als kitschig abtun, andere dürfen sich an einer melancholischen Hymne erfreuen. Um meinen Kommentar zu dem Video des Songs zu zitieren: “Verlorene Jahre, verlorene Tage oder einfach vergessene oder verdrängte Zeit? Wenn die Orientierung verloren geht verliert all das Gute im Leben seinen Sinn, egal ob das Chaos selbstverschuldet ist oder ob die Umstände den Verlust der eigenen Identität herbeigeführt haben. Man ist verloren in der Zeit und tanzt orientierungslos durch sein Leben wie ein Kind im Nebel”. Ein beeindruckender Schlusspunkt für ein vielschichtiges Album auf dem Callejon neues und altbekanntes zu einem packenden Stück Musik verbinden konnten.


02. Architects – Holy Hell (2018)

Der Tod ihres Gitarristen Tom Searly riss ein erkennbar emotionales Loch in das Architects Gebilde. Der Verlust eines Freundes, eines Bruders zeichnet einen. Das ist nur menschlich und verständlicherweise hatte diese Tragödie auch Einfluss auf das erste „Post-Tom Album“ der Architects. Doch es scheint als habe die Band trotz allem eine ungeheure Kraft aus den Ereignissen gezogen. Diese kanalysiert sich auf „Holy Hell“ in einem Sound der gewissermaßen die Suche nach einem Weg für die Zukunft thematisiert. Vom Mathcore der Anfangstage ist nichts mehr übrig und doch pendelt die Musik zwischen unbändiger Wut, Melancholie und der Frage „Was wird sein?“. Da ist es auch vollkommen okay dass die Melodien jetzt mehr im Vordergrund stehen. Besonders beeindruckend ist Sam Carters Rolle auf diesem Album. Klar, der Frontmann hat seit jeher eine charismatische Stimme und Ausstrahlung aber so dramatisch, beinahe kathartisch leidend einerseits und gleichzeitig so düster und aggressiv wie auf diesem Album hat der Sänger selten geklungen. Dabei packt er nicht jeden Song mit einer überfordernden Fülle an Emotionen voll, vielmehr schafft er es jedem Stück eine eigene Emotionalität zu verleihen, ohne dass sich „Holy Hell“ wie ein konstruierter Entwurf anhört. Entsprechend vielschichtig klingen auch die Kompositionen seiner Mitmusiker. Während ein Song wie „Damnation“ mit brutal-wütenden Strophen aufwartet hat der Refrain etwas verzweifeltes, fast verlorenes. Das bedeutet aber nicht, dass die Musik ziellos umherdriftet. Im Gegenteil: Songs wie das geniale „Hereafter“ oder auch der Opener „Death is not Defeat“ wirken in sich schlüssig und sind nervenaufreibende Kleinode modernen Metals. Besonders „Hereafter“ klingt nach purer Verzweiflung, bleibt aber derart fest im Ohr hängen, dass man nicht so recht weiß ob man jetzt einem nächsten Bandhit lauscht oder einer bewussten Flucht nach vorne, wahrscheinlich ist es beides. Die Band schöpft Kraft aus der Tragödie anstatt sich aus den angestauten Emotionen ein Schneckenhaus zu bauen oder aufzugeben. Das ist vielleicht die größte Stärke dieses Albums, denn trotz der negativen Umstände, trotz des teils depressiven Sounds zeugt „Holy Hell“ vor allem von einem unbedingten Willen zum Leben und zur Weiterentwicklung.


03. Dritte Wahl – Gib Acht! (2010)

Dritte Wahl stehen für Qualität. Mit jedem Album liefert die Band einen (metallischen) Punk-Potpurri mit intelligenten, aber auch humorvollen bis ironischen Texten. Mit dem Titeltrack startet das Album mit kritischem Blick auf damals wie heute aktuelle Themen und Entwicklungen in der Gesellschaft. Auch „Das sieht gut aus“ übt Kritik an (politischen) Missständen, kommt aber dank leichtfüßigem Ska-Groove ironischer daher. Coole Nummer! Eingeleitet von einem Cembalo übt „Wo ist mein Preis?“ Kritik an falschen Gewinnversprechen und der nach wie vor herrschenden Abzocke in mehreren Bereichen. Dabei wird auch das immer viel gerühmte Wirtschaftswachstum ins Visier genommen. Mit „Alles wird gut“ und „Keine Angst“ gibt’s dann noch zwei energische Kracher in bester Bandmanier, bevor „Alles für den Wind“ mit Dudelsack und Folkrock Anleihen überrascht. Bevor „Mama hol‘ den Hammer“ und „Aufhör’n kann ich gut“ den bandtypischen Hummer in punkige Kracher packt. heißt DER Hit des Albums aber „Fliegen“. Das Teil ist ein bockstarker Ohrwurm mit genialem Text! „Ich bin’s“ schlägt danach ruhigere Töne an und präsentiert die Band in nachdenklichem Gewand. Das Ergebnis ist eine tolle Ballade, deren Thema aber auch einen gewissen Klos im Hals erzeugt. Mit „Morgen schon weg“ gibt’s eine Hymne auf persönliche Veränderung und den Willen zur Flucht nach vorne. Musikalisch läuft der Song sehr gut rein hat auch einen coolen, weil offensichtlich für jeden nachvollziehbaren Text. Stark! Den Abschluss macht das tolle „Danke“ das sofort ins Ohr geht und das Album mit positiven Gefühlen beendet.


04. Betontod – Traum von Freiheit (2015)

„Traum von Freiheit“ war nochmal ein kleiner Boost für Betontod, denn seitdem geht die Karriere noch eine Spur mehr bergauf. Allerdings mussten die Punkrocker damals wie heute kaum jemandem etwas beweisen. Sie haben ihren Sound gefunden und zelebrieren ihn mit jedem Album ausgiebig. Ihr 2015er Werk war aber für eine neue Generation Fans sowas wie die Einstiegsdroge. Dabei macht die Band gar nicht so viel anders als auf den Alben davor oder danach. Mit dem Titeltrack steht DER Hit des Albums gleich am Anfang und gibt die grobe Richtung vor. Das Teil ist eine Hymne, Punkt! Für alle Nörgler: Das ist immer noch Punkrock, muss also nicht kompliziert sein sondern vor allem durch Emotionen überzeugen. Und das klappt sofort. Man stelle sich den Song aus hunderten Kehlen gegrölt auf einem Festival vor, yeah! Gleiches gilt für „Mein letzter Tag“, einer fetzigen Liebeserklärung an eine geliebte Person, aber eben auch an das Leben, das immer anders kommt als man es will. Dass Betontod aber nicht nur aufs Gas drücken müssen, zeigt das (zugegeben etwas schmalzige) „Für immer“. Nach zwei, drei Durchläufen kann man aber Gefallen an der Melancholie finden, steht sie der Band doch sehr gut zu Gesicht. DER Vorteil der Band ist aber dass sie jedem Song auf dem Album eine Mörderhook verpasst. Egal ob das metallische „Flügel aus Stahl“ in den Strophen heftiger auf die Kacke haut, spätestens beim Refrain muss man einfach mitsingen. Dass die Musiker politisch und gesellschaftlich nicht blind sind beweist u.a. das superbe „Geschichte“, das ziemlich heftig losknüppelt. Während man im fröhlich spritzigen „Nur für eine Nacht“ den Moment genießt passt „Alles was ich jemals wollte“ nicht nur textlich sehr gut dazu (beleuchtet es doch die andere „ernstere“ Seite des Themas, wenn man so will) sondern ist auch musikalisch top. Alternative-Rock Elemente werden mit hymnischem Punkrock vermischt und am Ende gibt’s sogar verdammt harte Gitarren zur energischen Hook. Im Grunde hat jeder Song auf dem Album nach ein paar Durchläufen das Potential zum (Live-) Hit. Mancher schimpft das „Konsens-Punk“, einigen wird das sicher zu glatt sein, aber klar ist: „Traum von Freiheit“ hat den Test der Zeit bisher gut bestanden.


05. Nocte Obducta – Umbriel (Das Schweigen zwischen den Sternen) (2013)

Nachdem auf dem Vorgänger von 2011 noch der Schnitter in nostalgischer Feierlaune seine Sense geschwungen hat, zeigen sich Nocte Obducta auf „Umbriel“ von einer ganz andere Seite. Über weite Strecken hat die Musik nichts mehr mit Black Metal zu tun, stattdessen halten Post-Rock, Ambient und lange, detailreiche Instrumentalparts Einzug in den Sound. Allerdings haben die Musiker bereits in der Vergangenheit keinen Hehl aus ihrer Experimentierfreude gemacht, was jedes Album zu einer Überraschungsbox gemacht hat. Von daher ist die gegensätzliche Ausrichtung zum Vorgänger gar nicht so überraschend. „Kerkerwelten Teil 1“ hat dann vor allem textlich einiges zu bieten. Die bekannte Tragik erkennt man sofort wieder und auch die kryptischen Formulierungen sind (zum Glück) immer noch so prägnant wie gewohnt. Das gilt auch für das brillante „Gottverreckte Finsternis“, das zwar im Titel das Debutalbum zitiert, soundtechnisch aber eher an einen düsteren schwarz/weiß-Alien Film erinnert. „01-86 Umbriel“ ist ein ambientös mäanderndes Instrumental, das die bedrückende Stimmung weiter trägt und auf das „Dinner auf Uranos“ vorbereitet. In knapp 14 Minuten überlagern sich Sehnsucht und Melancholie die fast in depressive Gefilde abdriftet. Dafür sorgt auch der sich mehrfach überlagernde Gesang, der erst klar und nachdenklich klingt bevor er sich zu hysterischer Verzweiflung steigert, die aber gleich wieder einer fast fröhlichen Instrumentalreise weicht. Die klingt dann lockerer und hat dank spaciger Sounds teilweise fast Jazz-Charakter. Dass das aber keineswegs ungewohnt oder (unaushaltbar) komisch klingt ist einer der großen Kniffe dieses Albums. Nachdem sich „Mehr Hass“ wieder genüsslich im schwarzen Moloch suhlt macht „Leere“ seinem Titel alle Ehre. Schon die einsame Gitarre am Anfang lässt den Gesang irgendwie resigniert klingen, was dem melancholischen Text sehr zu Gute kommt. Der Song hat was von einer „Pink Floyd/Tangerine Dream meets Black Metal“ Ästhetik die sich sowohl im Klang als auch in der bildgewaltigen, kryptischen Sprache zeigt. „Ein Nachmittag mit Edgar“ schwelgt textlich in Erinnerungen, bietet musikalisch eine Mischung aus bluesigem Rock und düsteren Keyboards ist aber wohl nur für eine kleine Gemeinde von Eingeschworenen die wirkliche Erleuchtung. Die dürfe auch die „Reprise Dinner auf Uranos“ ziemlich abfeiern bevor „Kerkerwelten, Teil 2“ „Umbriel“ zu einem brillanten Abschluss führt. Anfangs klingt das Stück noch sehr schwarz und verzweifelt. Das instrumentale Ende klingt zwar nicht wirklich versöhnlich, lässt aber einige melodiöse Lichtblicke zu, die dem Album ein Stück Helligkeit wiederbringen.


06. Massendefekt – Pazifik (2018)

Ja, auch Punks werden irgendwann älter. Manche wollen es nur nicht wahrhaben. Dazu zählen Massendefekt glücklicherweise nicht. Die Wut der Anfangstage ist auf den letzten Alben immer mehr kanalisierter und auch mal scharfzüngig pointierter Gesellschaftskritik gewichen. Das schmuddelige Punk-Image hat sich zum Bild einer aufgeweckten Band gewandelt die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht. Mit „Pazifik“ gelang den Herrschaften 2018 der Kniff sich eine punkige Attitüde beizubehalten ohne asi zu wirken und gleichzeitig ein kurzweiliges Album voller potenzieller Hits zu zimmern. Nummern wie „Von Horizont zu Horizont“ schwelgen mit leicht nostalgischem Charakter in Erinnerungen an vergangene Zeiten, ohne weinerlich zu klingen. Klar, Nostalgie ist das große Thema des Songs, der trotzdem frisch und energisch noch vorne geht. Mit „In/die Hölle“ haben die Jungs zudem eine geniale Parodie auf Künstler die offensichtlich mit dem Strom schwimmen und ihren ursprünglichen Charakter verleugnen im Gepäck. Zeilen wie „Punkrock ist für Asis, ich bin apart“ lassen den Hörer mit breitem Grinsen zurück, bekommt er doch ein sicheres Punkrock-Brett vor den Latz geknallt. Zusätzlich behalten sich die Düsseldorfer auch immer die richtige Portion Melancholie bei wie besonders das Titelstück beweist. Ähnlich wie bei „Wo ich dich finde“ wurde die Hook geradezu für die Bühne geschrieben. Die Vielfalt der Scheibe unterstreicht auch das tolle „Freier Fall“, das sich thematisch zwar nicht sonderlich innovativ zeigt (es geht um eine gescheiterte Beziehung), allerdings wird die Story lebensnah und ehrlich erzählt und in energischen Punkrock verpackt. Es muss nicht immer neu sein um gut zu klingen. Geile Nummer! Hinten raus gibt’s dann noch zwei wirklich tolle Hits. „Schlechter Optimist“ ist die perfekte Live-Hymne (inklusive cooler Singalong-Chöre und Ohrwurm-Hook) und auch „Feuer und Eis“ überzeugt mit lebensnaher Thematik zu melodischem Punkrock, geile Nummer! „Zwischen Löwen und Lämmern“ liefert hinten raus nochmal eine Portion Wut und zeigt den punkigen Ursprung der Band deutlich. Dabei wirken klare Ansagen wie „Ich scheiß auf 88“ sympathischer denn je und zeugen von einer gesunden politischen Haltung. Von daher: Alles richtig gemacht!


07. Pascow – Jade (2019)

Stöbert man sich von “Jade” an rückwärts durch die Geschichte von Pascow stellt man fest, dass die Band mit klassischem Punk angefangen hat und sich dann immer weiter anderen Einflüssen geöffnet hat. Das hört man auch dem aktuellen Album an. Der Spirit der Band, die Haltung der Musiker ist allerdings klar im Punk verwurzelt. Die Musik klingt dabei aber wie ein Hybrid aus teilweise sehr metallischen Gitarren, punkiger Attitüde und tollen Texten. Auch wenn man nie sofort weiß wovon die Songs eigentlich handeln, haut die Band doch packende Ohrwürmer raus die schon im Hirn steckenbleiben bevor man sich wirklich darüber klar wird worüber gesungen wird. Das verleiht der Scheibe einen gewissen Charme dem man sich nur zu gern hingeben will. Sehr geil sind auch die diversen Gastbeiträge, allen voran in “Schmutzigrot” bei dem sich der Frontmann einen charmant dreckigen Schlagabtausch mit Wick van Houdt von Bambix liefert. Grundsätzlich könnte man “Jade” auch als eine Hymne auf die Frauenwelt verstehen, denn nicht nur dass zahlreiche Gastsängerinnen dem Album einen gewissen Stempel aufdrücken, nein auch die meisten Protagonisten der Songs sind Damen. Da wäre z.B. die “Kriegerin” die mit scharfen Gitarren und energischem Beat losballert. Jetzt steht der Hörer unter Strom und kann die Seitenhiebe die “Unter Geiern” gegen Komerz-Punks ausfährt mit noch breiterem Grinsen genießen. Grundsätzlich kann man immer eine relativ klare Sprache der Texte erkennen und weiß ziemlich schnell, dass hier Pascow am Werk sind. Dass Texte wie “Silberblick & Scherenhände” oder auch das tolle “Marie” ein bisschen wie Tagebucheinträge eines verzweifelten Teenagers klingen ist dabei nicht negativ gemeint, im Gegenteil. Besonders “Marie” zündet sofort, und beweist dass das Thema Liebeskummer nicht immer schmalzig vertont werden muss. Ein fettes Highlight hebt sich die Band aber bis zum Schluss auf: Das balladeske “Wunderkind” erzeugt von der ersten Sekunde an Gänsehaut. Ein melancholisches Klavier trägt die Außenseiterhymne maßgeblich und beendet “Jade” mit einem dicken Ausrufezeichen! Tolle Band, tolle Scheibe!


08. Broilers – Noir (2014)

Nachdem der Vorgänger „Santa Muerte“ zum großen Wurf ansetzte und die Bekanntheit der Broilers massiv anstieg wurde der Nachfolger „Noir“ durchaus kritisch beäugt. Auf keinem anderen Album flirten die Düsseldorfer offensiver mit dem rockenden Mainstream. Das heißt auch dass dieses Album bisher am wenigsten mit den Punkrock-Roots der Band gemein hat. Es bedeutet aber nicht dass „Noir“ schlecht ist. Nein, die Band klingt nur etwas anders, hat aber ihr Händchen für Hooks und Hits nicht verloren. Aus diesem Händchen entstehen 2014 auch vermehrt ruhigere Töne und Songs die fast Singer/Songwriter-Charakter haben. Die offensichtlichsten Beispiele sind das poppige „Ich hol dich da raus“ und das melancholische „Wo bist du? (Du fehlst)“. Mit „Ich brenn‘“ gibt’s auch eine typische Mitsing-Hymne die allerdings eher nach einer (zugegeben coolen) Light-Version der üblichen Kracher klingt. Aber auch die lassen sich auf „Noir“ finden. Allen voran der Ohrwurm „Zurück in Schwarz“, die energische Hymne „Die Hoffnung stirbt nie“ und das geniale „Grau, Grau, Grau“. Besonders diese Nummer begeistert nicht nur mit einem wunderbaren Text, sondern bietet eine energische Kombination aus Rock `n Roll und punkigem Spirit. Das Ergebnis ist eine schnell rockende Tanznummer die verdammt leichtfüßig daher kommt. Cooles Ding! Die Kombination aus poppigen Nummern und (oft beinahe tanzbarem) Rock `n Roll ist im Grunde das Basisrezept des Albums und wird von Song zu Song mal in die ruhigere oder eben fetzigere Richtung ausgelebt. So pendelt „Noir“ zwischen lebensfroher Energie und nachdenklicher Melancholie und zeigt die Entwicklungsfreude der Band anno 2014 in vielen tollen Songs.


09. Pe Schorowsky – Dreck und Seelenbrokat (2012)

Nachdem sich Schlagzeuger Pe nach dem Ende der Böhsen Onkelz erstmal aus dem öffentlichen Leben und dem Musikgeschäft zurückzog überraschte er 2012 mit seinem Solodebut. Umso cooler dass „Dreck und Seelenbrokat“ herrlich frisch und unbekümmert klingt und mit bockstarkem Punkrock überzeugt. Hier hört man zu jeder Sekunde den Spaß an der Musik. Pe beweist mit diesem Album, dass auch er ein guter Songwriter und Texter ist. Aber die größte Überraschung ist dass er hier das erste Mal hinter dem Mikrofon steht und nicht hinter den Kesseln sitzt. Diese neue Aufgabe meistert er mit Bravour und seine Stimme passt wunderbar zu den fetzigen Punkhymnen des Albums, dass seine oft augenzwinkernden Texte wunderbar authentisch wirken ist ein weiterer Pluspunkt. Man darf hier keine pseudointellektuellen, weltbewegenden Botschaften erwarten denn die Musik ist, genau wie ihr Schöpfer bodenständig, ehrlich und greifbar formuliert. Das heißt aber nicht dass sich die Musik in Belanglosigkeit verliert, im Gegenteil: Manch ein augenzwinkernder Text wird um etwas ernstere Themen ergänzt (über die sich das Nachdenken aber durchaus lohnt) aber im Vordergrund steht der Spaß an der Musik.


10. Bombus – The Poet and the Parrot (2013)

Blut, Schweiß, Dreck und vielleicht auch ein paar kleine Tränen ob der Freude an der Energie, das könnten grob gesprochen die treibenden Elemente hinter „The Poet and the Parrot“ sein. Dazu kommt noch eine gehörige Portion Wahnsinn und fertig ist ein hoch explosives Soundgemisch. „Enter the Night“ ist ein knackiger Anheizer und eröffnet das Album mit fetziger Power. Auch im Titeltrack gibt’s griffigen Rotz-Rock der in der zweiten Hälfte die Melodik in den Vordergrund stellt um dann mit süchtig machenden Gitarren und fetter Doublebass zu enden. Wow! Dann nimmt „Liars“ erstmal das Tempo raus. Doch die Melodien bleiben sofort im Kopf und mischen die eingangs erwähnten Tränen mit dem nötigen Dreck während „A Safe Passage“ gleichzeitig aggressiv ballert und melancholisch nachhallt ohne weinerlich zu sein. Geil ist auch der präsente Basssound der immer wieder mit hervorragenden, zur Melodik teils etwas konträren Motiven glänzt. „Apparatus“ rotzt punkiger aus den Boxen, hat aber griffige Melodien die besonders den Refrain veredeln. Groove, nochmal Groove und Mitgrölpotenzial sind dann die Grundzutaten für „Let Her Die“. Zwar wird das instrumentale Gerüst etwas minimalistischer doch gerade deshalb zündet der Song sofort und entpuppt sich als knackiger Ohrwurm. „Master the Reality“ hat einige der coolsten Melodien des Albums zu bieten und der fantastische Refrain macht den Song zum nächsten Volltreffer. Das trifft auch auf „Into the Fire“ zu. Die Musik schleppt sich mit doomigem Charme voran. Die Melodien glänzen durch einprägsamen Minimalismus und dann wird der Song immer schwerer, was besonders dem geilen Gesang geschuldet ist. Wer so unkitschig leiden und dabei einen derart live-tauglichen Ohrwurm raushauen kann, der hat klar gewonnen. „Styx“, der erste von zwei Bonustracks startet melancholisch. Langsamer Groove, verspielte Melodik und dann gibt’s fette Gitarren die am Ende noch mit ein paar Zeilen Gesang veredelt werden. Der Rausschmeißer „Cut Deep“ hat nochmal Party-Charakter. Zu mehrstimmigem Gesang zieht das Tempo an und eine ordentliche Portion Rotz beschließt das Album. Charmante Scheibe, coole Band!

Dominik Maier

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