Die 2010er: 10 Jahre-10 Alben Teil 3

Thrash und Groove gehen oft und gerne Hand in Hand. Davon zeugen auch einige formidable Scheiben dieser Liste. Aber auch für Melodien ist hier Platz, was zeigt wie vielfältig einige Subgenres in sich sein können.


1. Kreator – Phantom Antichrist (2012)

Seit „Violent Revolution“ konnten Kreator mit jedem neuen Album überzeugen. „Phantom Antichrist“ reservierte der Band aber endgültig ihren Dauerplatz im Thrash Metal-Olymp. Dass Mille und seine Mannen immer mehr Elemente aus klassischem Heavy Metal in ihr brutales Fundament einfließen lassen, sorgt für eine gewisse Erhabenheit, die wie ein Gegenpol zur schon vorhandenen Aggression wirkt. Das beginnt beim archaischen Intro „Mars Mantra“ das direkt in den famosen Titeltrack übergeht. Der hat alles was man sich von Kreator wünscht und sogar noch mehr. Ein brutales Fundament, griffige Riffs, tolle Melodien. Dazu kommt Milles unverkennbares Keifen, das trotz der instrumentalen Finesse niemals untergeht. Im Gegenteil: Eine epische Hookline wie in „From Flood Into Fire“ lässt die Songs richtig groß werden und jagt dem Hörer konstant Schauer über den Rücken. Cool ist auch, dass die vereinzelten Klargesänge, die auf dem Vorgängerwerk schon tolle Akzente setzen konnten wieder zum Einsatz kommen und der Musik nochmal einiges an Tiefe verleihen. „Civilization Collapse“ gibt sich kämpferisch und haut richtig auf den Putz. Tolle Energie, viel Aggression und trotzdem ist der Refrain für ein Hymne geschrieben. Insgesamt wird deutlich: Sowohl Mille als auch sein Sidekick Sami liefern auf dem Album ein Götterriff nach dem anderen. Mit Songs wie der Abrissbirne „United in Hate“ (die nach einem ruhigen Intro spätestens im Refrain alles zerlegt) oder dem epischen „Your Heaven, My Hell“ (das mit vielen Melodien und spannendem Klargesang startet bevor es komplett explodiert und eine kämpferische Hook und messerscharfe Riffs en masse auffährt), haben Kreator hammerstarke Hits im Gepäck, die sowohl im heimischen Wohnzimmer als auch auf jeder Festivalbühne die Luft zum brennen und die Fans zum ausrasten bringen. Der Schlussakt „Until Our Paths Cross Again“ setzt dann nochmal einen besonderen Akzent. Die Strophen tönen richtig erhaben und der Refrain meißelt den Song als Thrash Metal-Hymne für die Ewigkeit in Stein. So klingt das stolze Ende einer vor Klasse strotzenden Scheibe. Man muss „Phantom Antichrist“ als Meisterwerk bezeichnen, denn es findet sich kein einziger Schwachpunkt auf dem Album. Kreator ist ein zukünftiger Klassiker harter Musik gelungen!


2. Ketzer – Endzeit Metropolis (2012)

Ihr Debut machte Ketzer zu einer der heißesten Hoffnungen in Sachen Black-Thrash. Das Zweitwerk „Endzeit Metropolis“ musste also einer sehr hohen Erwartungshaltung Stand halten, konnte jedoch nicht nur Kritiker sondern auch nahezu die gesamte Genre-Konkurrenz in die Tasche stecken. Das liegt zum einen an den schlichtweg grandiosen Songs, zum anderen schafft es die Band ihren räudigen Black-Thrash mit einigen Neuerungen interessant zu halten, ohne auch nur einen Millimeter von ihrem Stil abzuweichen. Die Songs klingen harmonischer und lassen mehr Platz für Melodien, wurden jedoch zu keiner Zeit verweichlicht. Das beginnt beim Titeltrack, der als Raserei startet und im weiteren Verlauf mit famosen Harmonien begeistert. Dabei klingt die Musik wie ein schwarzer Wirbelsturm der das Album eröffnet. „A Requiem for Beauty“ pendelt zwischen Hektik und Eingängigkeit. Besonders das deutlich hervorgehobene Bassspiel drückt dem Song seinen Stempel auf. So bekommt der dreckige Thrash Metal einen etwas technischeren Anstrich, der das spielerische Niveau der Band nochmal verdeutlicht. „The Fever’s Tide“ toppt das Niveau der Scheibe sogar nochmal. Die Intensität spielt durchaus in einer Liga mit Bands wie Watain. Dabei verbinden Ketzer ihren schneidenden Thrash mit einigen melodischen Kniffen die fast orientalisch klingen. Die Dichte dieses Songs ist kaum greifbar, macht ihn aber gerade deshalb so intensiv. „Aesthetics and Ecstasy“ verbindet die luftigsten Elemente des Albums mit fast lässigen Grooves und erinnert teilweise an die Grenzgänger Nachtmystium. Die Gitarrenarbeit ist top und bleibt, einmal gehört sofort im Ohr. Mit „Farewell, Fade Away“ gibt’s dann ein Zwischenspiel bei dem die Gitarristen brillieren dürfen. Das Stück verdeutlicht die Kontraste innerhalb des Bandsounds, besonders zusammen mit dem folgenden „Collector of Worlds“. Zum betont rockigen Grundton rasen die Riffs über den Hörer hinweg. Die wenigen langsameren Momente entzerren den Song ein wenig, was die Raserei nur umso zwingender macht. Neben tollen, finsteren Melodieabfahrten ist erneut das Bassspiel sehr gelungen. Nachdem „Redeemed By Truth“ nochmal Vollgas gibt folgt mit „He, who stands behind the Rows“ das abschließende Highlight! Schon das melancholische Intro erzeugt Gänsehaut die im variabelsten Track der Scheibe immer dicker wird. Der Song vereint die epischsten Momente des Albums mit wehmütigen Melodien und vielen ausladenden Motiven die „Endzeit Metropolis“ erhaben ausklingen lassen. Genial!


3. Trivium – In Waves (2011)

Ob Trivium ihren kreativen Zenit bereits überschritten haben oder nicht ist schlichtweg Geschmackssache, denn die Band ist seit “Shogun” von 2008 ein musikalisches Chamäleon. Mit “In Waves” lieferten die Herren 2011 aber ein beeindruckendes Meisterwerk ab, das nach wie vor eine gewisse Ausnahmestellung in ihrer Diskografie innehat. Das beginnt beim bis ins kleinste Detail durchgestalteten Artworkkonzept (inklusive spezieller Outfits etc.) und endet beim stilistischen Streifzug durch sämtliche Genres (modernen) Metals. Insgesamt lässt sich auch nach wie vor sagen: So düster und unheimlich brodelnd waren Trivium bis dato noch nie und auch auf den folgenden Alben bisher nicht wieder. Zugleich bleibt jeder Song im Kopf, was die Nachhaltigkeit der Musik unterstreicht. Das beginnt beim Titeltrack, bei dem ein simpler (aber wirksamer) Refrain auf musikalische Brutalität einerseits, und andererseits auf sehr melodische Strophen trifft. Diese Kombination von hart und zart wird auf dem Album so extrem ausgereizt wie nie zuvor in der Bandgeschichte. Dabei reiht sich aber ein Hit an den nächsten. Egal ob “Inception of the End” das Tempo anzieht und entfesselte Wut einem eingängigen Refrain gegenübersteht oder ob “Dusk Dismantled” das finsterste Stück Musik ist das Trivium je veröffentlicht haben, jeder Song ist griffig und verfehlt die ihm eigene Wirkung auf den Hörer niemals. Die Extreme des Sounds funktionieren aber auch in die andere Richtung sehr gut. Als Beispiel sei hier “Of All These Yesterdays” genannt. Neben einem Ohrwurm-Refrain gibts den wohl melodischsten Song des Albums, der die melancholische Seite der Musik am stärksten auf den Punkt bringt. “Black” dagegen legt den Fokus auf eingängige Grooves und hat ähnlich wie z.B. “Watch the World Burn” einen tollen Mitsing-Refrain. Die Reihenfolge der Songs trägt auch ein ganzes Stück zum Charakter des Albums bei. Auf jede harte Nummer folgt ein eingängiger Song der die Melodien wieder in den Vordergrund stellt. So hat das Album keine Schwachstellen und wird vom Intro “Capsizing the Sea” und dem dystopischen Outro “Leaving This World Behind” kompakt zusammengehalten. Als Abschluss bleibt nochmal festzuhalten: “In Waves” ist ein Geniestreich modernen Metals, der jegliche Kategorisierung hinter sich lässt und den Hörer gleichermaßen fordert wie mit erstklassiger Musik belohnt.


4. Metallica – Hardwired…To Self Destruct (2016)

2016 haben Metallica geschafft was kaum noch jemand für möglich gehalten hätte: Sie haben Fans und Kritiker umgehauen, mit einem Album, das die thrashige Härte der Anfangstage mit der Melodiebetonung der 90er Jahre vereint. Dabei klingt “Hardwired…To Self Destruct” keineswegs “retro”, sondern stellt die Stärken der Band gekonnt in den Vordergrund. Mit “Hardwired” knallt dem Hörer gleich die volle Thrash-Breitseite entgegen. Drei Minuten Vollgas. Aggressiv, wild und schnell. Der Song ist ein Statement. Wir sind wieder da und haben Bock auf Metal! “Atlas, Rise” ist ein mächtiger Stampfer der sich mit den Melodien im Mittelteil vor Iron Maiden verneigt. Das Beste ist aber James Hetfields Stimme. Egal ob aggressiv und bissig oder betont melodisch, der Mann hat wieder Kraft auf den Stimmbändern. Das zeigt er auch in “Now That We’re Dead” das mit jedem Durchlauf wächst und einige tolle “Enter Sandman”-Zitate zu bieten hat. Diese Verneigung vor der eigenen Vergangenheit zieht sich ein Stück weit durch das ganze Album, was einerseits zu tollen Nummern führt und andererseits eine Ansage ist: “Das sind wir, das ist unsere Essenz!” Und die ist eben nicht nur Thrash Metal. Muss aber auch gar nicht sein, denn ein Song wie “Halo On Fire” vereint das Filigrane aus “Fade To Black”-Zeiten mit dem Gefühl von “Until It Sleeps”. Dabei sorgen genialer Gesang und tolle Harmonien unweigerlich für Gänsehaut! Das gilt auch für “Moth Into Flame”, das ein amtliches Brett ist. Thrashige Riffs mit tollen Melodieabfahrten in der Bridge und der Refrain ist einer der besten der ganzen Scheibe. Dagegen stampft “Dream No More” breitbeiniger aus den Boxen. Das zähe Riffing passt super zur Thematik, denn hier wird Lovecrafts Cthulhu besungen, was auch wieder ein kleines Zitat der eigenen Vergangenheit ist. So geil die erste Hälfte dieses Doppelalbums auch ist, der zweite Teil kann leider nicht komplett zur ihr aufschließen. Das beginnt bei “Confusion”. An sich eine gut Nummer (der Refrain bleibt super im Ohr kleben), die aber mit dem extrem hohen Niveau der ersten Scheibe nicht ganz mithalten kann. Das gilt auch für “ManUNkind”. Der bluesige Charakter klingt nicht schlecht (das Riffing hat sogar ordentlich Drive), wirkt aber im Vergleich zu den restlichen Songs etwas langatmig. Ganz anders: “Here Comes Revenge”, das sich bedrohlich steigert, im Refrain immer kurz explodiert und (passend zur Thematik) wie ein auf der Lauer liegendes Biest klingt. Mit “Am I Savage” folgt aber leider wieder ein kleines Tief. Das Riffing ist zu zäh, was im Kontext der Platte den Fluss etwas auseinander reißt. Schade, denn für sich genommen ist der Song ein gelungener Stampfer mit griffigen Melodien. Die Lemmy-Huldigung “Murder One” entschädigt aber für die vorherigen Längen. Zwar braucht der Song ein paar Durchläufe um voll zu zünden, macht dann aber einfach süchtig. Breitbeinige Riffs, packende Grooves und man kann Lemmy förmlich dabei beobachten wie er durch die Story des Songs spaziert, was auch am geilen Gesang liegt. “Spit Out The Bone” ist dann die finale Dampframme, der totale Thrash-Hammer! Hier werden keine Gefangenen gemacht. Was für ein Abschluss! Unterm Strich bleibt ein sehr starkes Album, das immer weiter wächst.


5. Lamb of God – VII: Sturm und Drang (2015)

Randy Blythes Anklage und die Zeit in einem Prager Gefängnis haben deutliche Spuren hinterlassen. Nicht nur im Leben des Sängers, sondern auch im Gefüge der Band. Der Seelenstriptease den Blythe auf “VII: Sturm und Drang” aufführt zeichnet ein erschreckendes Bild von seinem emotionalen Zustand während der Haft. Dieser Erfahrung ist auch die bedrückend-brutale Ausrichtung der Musik geschuldet. Dabei wirken Lamb of God aber noch kompakter und homogener. Die Band ist aufgrund des gemeinsamen Traumas noch fester miteinander verbunden und kanalysiert die Empfindungen während und aus dieser Zeit in ihrer bis dato intensivsten Musik. Schon “Still Echoes” ist ein maximal brutaler Einstieg auf den mit “Erase This” ein thrashiger Nackenzerstörer folgt. Die Gangshouts der Hook bohren sich mit jedem Riff weiter ins Hirn wobei sich die Melodien eher unterschwellig voran graben, dadurch aber umso griffiger wirken. Bei aller Brutalität und technischer Finesse schaffen es LoG ihrer Musik eine neue emotionale Ebene hinzuzufügen, die sich nicht sofort erschließt aber mit jedem Durchlauf ein detaillierteres Bild des erlitten Traumas und seiner Folgen offenbart (bestens nachzuhören im bedrückenden “512”). Das relativ typisch startende “Embers” wird hinten raus zu einer echten Überraschung. Im Refrain sorgt Deftones-Stimme Chino Moreno für zentimeterdicke Gänsehaut in dem düsteren Groover. Unerwartet ist auch “Overlord”. So viel Melodik hat man bisher kaum von LoG gehört. Der Klargesang fügt eine traurige, beinahe beklemmende Facette in den Sound ein und macht das Album im gesamten noch spannender. Ein weiteres Ausrufezeichen setzen die rockigen Soli im ansonsten knüppelnden “Engage the Fear Machine” bevor brutale Präzisionsarbeit “Delusion Pandemic” einleitet. Statt sich aber in prototypischem Fahrwasser zu bewegen gibt’s neben dem beeindruckenden Text eine Hook mit heftigen Widerhaken. Eine Nummer die nachhaltig zum nachdenken anregen kann. Bedrückend und sehr melodisch baut sich das finale “Torches” auf. Starten die Strophen ruhiger, wird der Song immer mehr zu einem Monolith und setzt einen epischen Schlusspunkt unter dieses beeindruckende Album. So ist “VII: Sturm und Drang” eine emotionale Achterbahnfahrt, wenn nicht sogar eine Art Ritt auf der Rasierklinge. Dass die die Abgründe der Scheibe nicht erzwungen wirken sondern sich wirklich natürlich anfühlen ist einerseits logisch, andererseits macht es das Album zu einem Juwel modernen Metals.


6. Heaven Shall Burn – Veto (2013)

“Veto” ist in mehr als einer Hinsicht ein Statement. Da wären zunächst die bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Arrangements der Musik. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Dabei schafft es die Band aber dass die jugendliche Wut die gerade ihre Anfangstage und ersten Alben auszeichnete nicht auf der Strecke bleibt. Klar, das Alter macht vor niemandem halt und ein gewisser Reifeprozess ist nicht zu überhören, aber im Vergleich zum direkten Vorgänger haut “Veto” wieder deutlich energischer aufs Fressbrett. Allerdings gibt es ein Problem (zumindest aus schreiberischer Sicht): Das Songwriting ist derart konstant hochklassig, dass sich kaum ein Song herausgreifen lässt. Also ist es schwierig auf einzelne Teile des Albums einzugehen, da alle Elemente wie perfekt geölte Zahnräder ineinander greifen. Hier wird nichts dem Zufall überlassen und jeder Song steht an der richtigen Stelle. Versucht man sich an einer Analyse der Scheibe fällt auf, dass der Härtegrad noch ein Stück weiter angezogen wurde. Ein Song wie “You Will Be Godless” ist ein brettharter Death Metal Brocken mit mörderischen Grooves, dagegen zieht “Like Gods Among Mortals” die Handbremse an und erinnert in seiner Intensität mehr als einmal an Bolt Thrower. Insgesamt fällt auch auf, dass der Gesang passend zu den Songs öfter in dunkle Growls ausschlägt als früher. Das gibt der Musik insgesamt noch mehr Druck, (was für HSB schon beachtlich ist). Ein Highlight lässt sich aber doch herausgreifen: Dass die Musiker Fans von deutschem Power Metal sind, haben sie in einigen Interviews im Vorfeld ja mehrfach betont, da verwundert es nicht, das mit “Valhalla” ein Blind Guardian-Cover auf dem Album steht. Die Überraschung ist, dass der Song als Duett mit Hansi Kürsch vorgetragen wird und so noch genialer wird. Ich nenne das Ergebnis jetzt mal Power-Death Metal, denn gerade im Refrain klingen die Growls zusammen mit Hansis melodischem Gesang superb. Geile Nummer! Auch fällt auf, dass die Band noch mehr Wert auf griffige Hooklines legt. Songs wie “53 Nations”, der fette Opener “Godiva” oder auch “Hunters Will Be Hunted” (eine melodisch-melancholische Dampframme) bleiben nach ein, zwei Durchgängen fest im Ohr hängen ohne ihre Brutalität zu verlieren. Unterm Strich lässt sich festhalten, dass Heaven Shall Burn mit “Veto” ein hochklassiges Stück Hartmetall abgeliefert haben.


7. Testament – Brotherhood of the Snake (2016)

Nachdem bereits die Vorgängeralben bockstark waren, wuchten Testament mit “Brotherhood of the Snake” das ganz dicke Pfund in die Waagschale und fallen mit dem Titeltrack gleich mit der Tür ins Haus. Hier gibt’s die volle Ladung Thrash Metal. Tempo, Aggression und wahnwitzige Soli, was für ein Brett! Über die volle Spielzeit von 45 Minuten bietet das Album feinstes Futter für Thrasher. Egal ob es wahnwitzige Gitarreneinlagen sind (das Solo in “Neptune’s Spear), oder ob die Groove-Keule geschwungen wird wie etwa im heftigen “Centuries of Suffering”, in dem Chuck Billy auch einige geile Death Metal Growls vom Stapel lässt, Testament liefern abermals ein fantastisches Album ab. Jeder Musiker hat genug Raum um sich zu entfalten ohne dass hörbare Egotrips auftauchen. Einer von Chuck Billys vielen Glanzmomenten ist sicher auch “The Pale King”. Neben melodisch-rauem Gesang gibt’s dunkles Raunen und brutale Schreie. Geile Nummer! “Stronghold” ist dann ein heftiger Kontrastpunkt und schlägt dem Hörer förmlich ins Gesicht. Hier gibt’s Riffs, Riffs und nochmal Riffs. Der Gesang wird eine Spur death-metallischer und die famosen Gitarrenparts in der Mitte toppen den Song. Starkes Ding! Bei aller Härte lassen Testament aber immer genug Raum für Melodien (vor allem in diversen Soloeinlagen der Gitarristen), was dem Album eine tolle Balance verpasst. So gerät etwa das nicht nur thematisch deutliche “Canna-Business” anfangs supermelodisch, bevor die Band alles kurz und klein holzt. Was für eine Abrissbirne (sehr geil sind auch die prägnanten Bassmotive)! So haben Testament mit “Brotherhood of the Snake” abermals ein Thrash Manifest auf die Welt losgelassen. Angesichts der durchweg starken Diskografie der Herren ist es immer noch beachtlich auf welchem Niveau sich die Thrash-Veteranen nach wie vor bewegen!


8. Machine Head – Unto the Locust (2011)

Warum hier “Unto the Locust” steht und nicht “Bloodstone & Diamonds”? Weil die Erwartungen an den Nachfolger des Über-Albums “The Blackening” immens waren und mit “Unto the Locust” auf erwartete und unerwartete Weise getoppt wurden. Das liegt u.a. daran dass Machine Head auf diesem Album ihre musikalischen Grenzen noch weiter verschieben und einige Experimente wagen. Dabei gelingt ihnen der Spagat zwischen der rohen Brutalität ihrer Anfangstage und den bis dato wohl eingängigsten Momenten der Bandgeschichte. Viele Neuerungen klingen nach mehreren Durchläufen gar nicht mehr so neu, waren bisher aber eher in Nuancen vorhanden und wurden nun präsenter in den Sound eingebaut. Das beginnt mit dem fast sakralen Intro von “I Am Hell”, der sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm. Was folgt ist ein Thrash Metal Orkan mit gewaltigen Grooves. Bei aller Geschwindigkeit und Härte sorgen die melodischen Gitarren für den passenden Gegenpol der den Song im Gleichgewicht halt. “Be Still and Know” verbeugt sich mit melodischer Gitarrenarbeit vor der NWOBHM. Dabei steuert die Musik zielsicher auf ihren Höhepunkt zu, der in (fast) ungezügelter Raserei mündet, ehe epischer Gesang das Tüpfelchen auf dem I bildet. Die Melodien von “Locust” reißen danach sofort mit und besonders der Refrain bleibt hartnäckig im Ohr. Mächtiger Song! Ein melodisches Intro führt die Eingängigkeit fort, legt aber eine falsche Fährte, denn “This Is The End” ist ein brodelndes Thrash-Gewitter mit heftigen Blasts und messerscharfen Melodien. Am Ende kommt sogar Black Metal-Atmosphäre auf, die wie eine Überleitung zu “Darkness Within” wirkt. Textlich eine Liebeserklärung an die Musik ist ebenjene unglaublich dicht komponiert mit tollen Melodien, sowohl an den Gitarren als auch im Gesang. Dass das logischerweise etwas zu lasten der Härte geht passt sogar sehr gut, denn so können besonders die Soli am Ende glänzen. In “Pearls Before the Swine” geht die Band danach um einiges komplexer zu Werke. Die Grooves donnern wieder, das Riffing schraubt sich tief ins Gehirn. Dabei kann der aufmerksame Hörer viele kleine Details entdecken die für Spannung sorgen. Dass Rob Flynn hier wieder mächtig angepisst klingt versteht sich von selbst. Ein leicht schief klingender Kinderchor leitet das Abschlussepos “Who We Are” ein. Die Nummer vereint tatsächlich fast alle Trademarks und Kniffe des Albums. Eingängige Melodien sowohl an den Gitarren als auch gesanglich, dazu drückender Groove und toller Klargesang der dem aggressiv pöbelnden Ton der Strophen entgegensteht. Die melancholischen Streicher am Ende sorgen für die ganz dicke Gänsehaut ehe die letzten Töne von “Unto the Locust” verklingen. 


9. Hatebreed – The Divinity of Purpose (2013)

Viele Bands zeichnen sich durch stetige Weiterentwicklung aus. Hatebreed sind ein Gegenentwurf dazu. Zwar sind alle Alben der Band ein Fest für Hardcore Afficianos, doch “The Divinity of Purpose” zeigt die Band 2013 mit neuer Energie und fast jugendlicher Aggression, die das Album zu einem der besten der Bandgeschichte machen. Das beweisen allen voran die beiden formidablen Hardcore-Hits “Before the Fight ends You” (ein massives Monster, das ordentlich aufs Fressbrett haut) und das geniale Titelstück, das mit überraschend geilem Spannungsbogen aufwartet. Dabei bleibt das eindringliche Bassmotiv sofort im Kopf und der Refrain wird dem Hörer in typischer Gangshout Manier ins Gesicht gebrüllt. Doch auch die teilweise unerwarteten Phrasierungen der Strophen können einiges! Man darf von einem Hatebreed Album grundsätzlich keine allzu großen stilistischen Ausreißer erwarten und sollte sich stattdessen einfach an der Perfektion des gebotenen Stils erfreuen. Songs wie “Put it to the Torch” oder auch “Own Your World” sind gnadenlose Groove-Monster, die mit Ohrwurmzeilen vollgepackt sind und dementsprechend live aber auch im heimischen Wohnzimmer einen amtlichen Moshpit verursachen (wobei das Zerlegen des Eigenheims natürlich vorher gut überlegt sein sollte). Egal ob die Band in “The Language” und “Indivisible” streckenweise richtig Gas gibt oder mit “Nothing Scars Me” einfach alles platt walzt, Hatebreed klingen immer wie sie eben klingen und servieren ihren Fans bestes Hardcore-Futter mit metallischer Prägung. Das knackige “Bitter Truth” und besonders “Boundless (Time to Murder it)” sind dann der abschließende Schlag ins Gesicht, wobei besonders letzteres höllisch geil groovt und mit einem sehr melodischen Refrain nochmal überrascht. So lässt sich festhalten: “The Divinity of Purpose” ist ein Fest für Hardcore-Fans, schmeckt aber auch jedem härter orientierten Metaller hervorragend! 


10. Gojira – Magma (2016)

Gojira haben sich von Anfang an einen speziellen Sound geschaffen. “Magma” markierte 2016 den Höhepunkt einer Suche die auf jedem Vorgängeralbum eine andere, eigenständige Antwort fand. Im Vergleich zum direkten Vorgänger “L’enfant Souvage” rückt “Magma” die Melodien wieder mehr in den Vordergrund. Die brutalen Ecken und Kanten die den Bandsound auszeichnen sind immer noch da, bekommen aber vermehrt Harmonien und Melodien an die Seite gestellt, bestens nachzuhören im hypnotischen Opener “The Shooting Star”. Doch schon das nachfolgende “Silvera” bewegt sich in vertrackteren Gefilden. Der Sound klingt sperriger, hat aber immer noch Platz für luftige Momente (das genial Bassmotiv). Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Band mehr denn je auf Genre-Konventionen oder Szenezugehörigkeiten pfeift. Stattdessen vertont sie auf “Magma” ein Gemisch diverser Stile. Ihr Streifzug erstreckt sich über Thrash-Elemente die auf jazzige Passagen treffen und macht auch nicht vor donnernden Grooves zu fragilem Klargesang halt. Was dem Song dient wird gemacht, scheint die Devise des kreativen Prozesses gewesen zu sein. Da verwundert es nicht, dass im Titelstück zwischen aller Härte auch Pink Floyd-artige Soundexperimente auftauchen. Dabei schaffen es die Franzosen aber jederzeit den Song in den Fokus zu stellen. Die technischen Spielereien dienen nicht dem eigenen Ego, sondern lassen jeden Song noch größer werden. Dass das derart gut funktioniert und ein Album voll spannender und technisch anspruchsvoller Musik abwerfen konnte, lässt eine gewisse Ahnung davon entstehen wohin die künstlerische Reise dieser Band noch führen könnte.

Dominik Maier

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