Das vergangene Jahrzehnt war eine Zeit voller Umbrüche in vielerlei Hinsicht. Dementsprechend konnte aus den gegebenen Umständen eine Fülle großartiger Kunst und vor allem Musik resultieren. In dieser Liste gebe ich einen Einblick in ein paar (aus meiner Sicht) essenzielle Alben aus dieser Zeit und obwohl diese Liste bereits sehr lang ist repräsentiert sie doch nur einen Teil dessen was ich hier darzustellen versuche. Ich erwähne bewusst nur Alben die ich noch nicht in einem anderen Rahmen besprochen habe, da eine Dopplung des jeweiligen Reviews wenig Sinn machen würde. Außerdem versuche ich mich nicht allzu sehr auf ein bestimmtes Subgenre zu limitieren und pro Band möglichst nur eine Veröffentlichung miteinzubeziehen. (Die sich aus dem Format ergebende Reihenfolge ist nicht auf die Qualität der Musik bezogen, allerdings fließt mein persönlicher Geschmack natürlich in eine solche Liste mit ein.)
1. Mgła – Exercises in Futility (2015)

Wie finster kann Musik sein? Mgła haben spätestens mit diesem Album die Antwort geliefert. Vom ersten bis zum letzten Ton wird der Hörer in einen Strudel aus Hass, Aggression und Nihilismus hinabgezogen. Bemerkenswert sind nach wie vor die flirrenden Riffs die oftmals konträr zu den Rhythmen verlaufen und eine Atmosphäre erschaffen die wie dichter, undurchdringlicher Nebel anmutet. Dabei ergeben sich kompakte Geschosse aus schwarzem Stahl die kaum trostloser sein könnten. Mgła setzen aber erneut nicht auf rohe musikalische Gewalt sondern sind vielmehr wie der zuvor angesprochene Nebel. Nach und nach kriecht die Musik ins Langzeitgedächtnis ohne dass der Hörer sofort erfassen kann warum genau jene Melodie oder jener Satz so derart packend ist. Die Songs sind wie ein Wegweiser für eine Reise in den (eigenen?) Abgrund, den niemand gerne betrachtet. Wagt man jedoch den Schritt ins Dunkel kann man sich seiner Faszination kaum entziehen. Ein Beispiel wäre der vierte Song des Albums. Hier schwebt die Gitarre beinahe unheilvoll über dem donnernden Schlagzeug. Die Riffs scheinen sich aufzublähen, stellenweise wie Wellen auf den Groove hereinzubrechen und sich dann sofort wieder zurückzuziehen. Der trostlose Gesang tut sein übriges und zerreißt jedes bisschen Licht in kleinste Fetzen. Das folgende „Exercises in Futility V“ beeindruckt nicht nur durch das technisch versierte Schlagzeugspiel sondern vor allem durch das Zusammenspiel von Raserei und Melancholie. Wird das Tempo doch etwas rausgenommen donnert der Song im Galopp voran, angetrieben von der finsteren Stimme die mit jedem Satz eindringlicher wird. Für das Album im gesamten ist auch die lebendige Dynamik ein Schlüsselfaktor. Jedes Lied lebt von seinem eigenen charakteristischen Puls, der in der Summe des Albums zu einem finsteren Herzschlag wird. Am Ende wird ebenjenes Herz gnadenlos zerfetzt und seinem Leid überlassen. Für die Musik heißt das im finalen sechsten Track: Die vollkommene Symbiose von pechschwarzer Melodik, treibendem Groove und bewusst gewordener Hoffnungslosigkeit. Kalt, destruktiv und zielstrebig gen Abgrund. Angetrieben vom rasenden Galopp des Schlagzeugs tragen die Melodien die Stimme hin zu ihrer finalen Botschaft laut der sich alles in der titelgebenden Sinnlosigkeit verliert.
2. Behemoth – The Satanist (2014)

Mit diesem so plakativ wie passend betitelten Album haben sich Behemoth ein beeindruckendes Denkmal gesetzt und ein ebenso prägendes wie zeitloses Extrem Metal Opus erschaffen. Die der Produktion vorausgegangene Krise (Nergals Leukämie Erkrankung) hat das Feuer in der Band und speziell das in Nergal neu entfacht was in der bis dato ausgefeiltesten und entschlossensten Darbietung der Musiker gipfelt. So ist der Opener „Blow your Trumpets Gabriel“ ein überwiegend schleppendes Biest das stetig bedrohlicher wirkt ehe „Furor Divinus“ den Hörer in Fetzen reißt. Und doch schwingt bei aller Raserei ein erhabenes, andächtiges Element mit. „Messe Noir“ entführt in die Dunkelheit jenseits der schwärzesten Vorstellung. Der Song baut sich wogenartig auf, zieht sich zurück, schwappt erneut auf den Hörer nieder und gipfelt in einem durchdringenden Finale. Dagegen frisst sich „Ora Pro Nobis Lucifer“ sofort in die Gehörgänge. Mörderischer Groove und eingängiges Riffing bei durchgehend bretternder Doublebass. „Amen“ vereint ebendiese Raserei mit einem verstörenden Chor und leitet mit dieser Verstörtheit in das psychotische Titelstück über. Durchdringender Groove paart sich mit cleanen Gitarren und einer Fülle an Details die in ihrer Summe immer dunkler scheinen und alle Facetten von Schwarz beleuchten. „Ben Sahar“ ist eine Reise zum eigenen Kern. Verstörend, bedrückend, beeindruckend und nachdem „In the Absence ov Light“ zunächst einen kleinen Blick zurück darstellt (der Anfangsteil hätte auch auf „Evangelion“ Platz gefunden) bricht Nergal den Song auf polnisch rezitierend auf. Eine kleine Verschnaufpause, die in einen schleppenden Schluss mündet der gewissermaßen die Einleitung zum mächtigen Finale ist. „O Father O Satan O Sun!“ ist die totale Machtdemonstration. Ausladende Epik paart sich mit psychotischer Raserei und doch spielt der Song in einer ganz eigenen Liga, die mit Worten kaum zu beschreibend ist. Das ist dunkel, ehrlich, verstörend und bei aller Finsternis doch ungemein lebensbejahend.
Fazit:
„The Satanist“ ist eine Bestie die den Hörer auf eine Reise in finsterste Dunkelheit mitnimmt, zugleich aber erhaben und monumental strahlt. Vertontes schwarzes Feuer!
3. Primordial – Where Greater Men Have Fallen (2014)

Im Bereich ernsthafter Düstermusik führt kein Weg an Primordial vorbei. Welches ihrer jüngeren Alben aber in diese Liste gehört ist schlicht Geschmacksache und für mich ein wenig Knobelarbeit, denn jedes Album hätte hier einen Platz verdient. Die spontane Wahl fällt auf „Where Greater Men Have Fallen“ u.a. weil die Iren hier die Extreme ihres Sounds deutlicher ausloten als auf den Vorgängerwerken. Das beginnt beim titelgebenden Opener der an Intensität kaum zu überbieten ist und endet mit der epochalen (und unglaublich starken) Schlussnummer „Wield Lightning to split the Sun“. Dazwischen findet sich mit „Babel’s Tower“ u.a. ein repetitiver Grower der nicht sofort zündet, von dem aber eine stete Faszination ausgeht in die man immer tiefer eintaucht je öfter der Song läuft. Nachdem „Come the Flood“ vor allem durch dramatische Atmosphäre und famose Melodien (besonders im Gesang) überzeugt, ist „The Seed of Tyrants“ der wohl harscheste Ausbruch seit langem. Hier klingen die Black Metal Wurzeln der Musik so deutlich wie lange nicht. „Ghosts of the Charnel House“ zieht dann bereits durch seinen unfassbar intensiven Anfang in seinen Bann. Dass der Gesang noch dramatischer ausfällt als bisher zeigt erneut dass Primordial ein Händchen für monumentale Metal-Epen haben. Was für ein Ritt! Langsam ansteigend und mit repetitivem Riffing schleppt sich „The Alchemist’s Head“ voran, mündet in Black Metal Screams und bricht im weiteren Verlauf immer wieder in seinen Melodien zusammen. Dann schichten rhythmische Drums und das bekannte Riffing den Song von neuem auf und der Kreislauf beginnt von vorn. Dadurch führt die Nummer geziehlt auf das monumentale „Born to Night“ hin. Nachdem die erste Hälfte den Hörer mit ruhigen, warmen Gitarrenklängen einlullt schlägt die zweite umso energischer ein. Zu tonnenschwerem Riffing klingt Alans Gesang derart emotional, ja ergriffen, dass er den geneigten Hörer selbst ein Stück weit betroffen macht. Dass diese Emotionalität von den letzten Riffs sogar noch übertroffen wird, zeugt erneut von der künstlerischen Größe dieser Band.
4. Parkway Drive – Reverance (2018)

Anfang der 2000er Jahre haben Parkway Drive (PWD) den Metalcore maßgeblich mitbegründet. Spätestens seit „Atlas“ wurden aber auch vermehrt andere Einflüsse in den Bandsound integriert. Mit „IRE“ wurde diese Entwicklung auf die vorläufige Spitze getrieben. Was rückblickend als vollauf geglücktes Experiment durchgeht erreicht auf „Reverence“ 2018 seinen (bisherigen) Höhepunkt. Das Ergebnis ist ein atmosphärisch dichtes Monsteralbum, doch starten wir von vorn. Der Opener „Wishing Wells“ birgt noch die meisten Zitate der eigenen Vergangenheit. Fetter Groove mit brutalem aber melodischem Riffing und dazu Winston McCalls zorniges Gebrüll. Was für ein Einstieg! „Prey“ hat sich seit der Albumveröffentlichung zu einem sicheren Live-Hit entwickelt und das zu Recht. Düstere Strophen explodieren im Refrain regelrecht, dazu gibt’s Melodien en masse und einen Groove bei dem niemand stillstehen kann. „Absolute Power“ wird seinem Namen gerecht. In reduziertem Tempo drücken Groove und Riffs massiv. Der wummernde Bass verstärkt die düstere Stimmung noch und Winston pendelt zwischen finsterem Sprechgesang und aggressiven Shouts die in Kombination mit den geilen Melodien einfach alles plätten. In „Cemetery Bloom“ wird die Härte komplett rausgenommen und macht Platz für Streicher und atmosphärische Ambient-Parts. Zusammen mit geflüstertem Leadgesang und Chören die aber nie zu sauber klingen ergibt sich ein Stück das besonders in Kombination mit dem folgenden „The Void“ für Gänsehaut sorgt. Hier gibt’s wieder Metalcore mit Stadionformat, der bei aller Catchyness heftig ballert. „I Hope You Rot“ kracht mit deutlicher Metal-Kante noch heftiger. Das Riffing ist catchy und der Refrain bleibt genauso hartnäckig im Ohr hängen wie die Chöre in der Bridge. Besonders live eine Granate! Das größte Experiment nennt sich „Shadow Boxing“ und kombiniert sanfte Streicher und Klaviermelodien mit reduziertem Groove in den Strophen ehe die energische Bridge im Refrain regelrecht explodiert. Dementsprechend variabel fällt auch der Gesang aus. Sanfter Klargesang, energische Raps, aggressive Shouts. Winston lässt alles vom Stapel und macht den Song zu einem aufrüttelnden Statement. „In Blood“ klingt wieder etwas traditioneller nach PWD. Die Energie wird nochmal richtig hochgetrieben und neben ballerndem Groove zünden auch die Melodien sofort. Das gilt auch für „Cronos“ das gewissermaßen alle Elemente des Albums bündelt. Catchy Refrain, große Melodien, teils melodischer, teils rau geflüsterter Gesang mit vereinzelten Shouts und eine Spannungskurve die stets unvorhersehbar bleibt. Der melancholische Abschluss „The Colour of Leaving“ erzeugt eine außergewöhnliche Atmosphäre. Zu düsteren Streichern, Schaufelgeräuschen und Windrauschen wandelt sich der dunkle Klargesang in einen frei rezitierten Vortrag der das Album beklemmend abschließt.
Fazit:
„Reverence“ vollzieht den Wechsel vom reinen Metalcore hin zu einer Kombination vieler verschiedener Stilelemente und schafft es der eigenen musikalischen Identität glaubhaft neue Facetten hinzuzufügen ohne die eigenen Wurzeln zu verleugnen. In diesem Sinn kann das Album als für die Band aber auch für ein komplettes Genre wegweisend bezeichnet werden.
5. Amorphis – Under the Red Cloud (2015)

Dieses Album bricht endgültig mit etwaigen Konventionen und vereint von Progressive-Metal über orientalische Melodien bis zu Black Metal alles. Dabei verwässern Amorphis ihren Sound keineswegs und schaffen es ihre stilistische Vielfalt in ein organisches, beinahe luftiges Soundgewand zu verpacken und die Storys der Texte vor allem in einer Vielzahl toller Hooklines prägnant auf den Punkt zu bringen. Knüpft der Titeltrack noch relativ direkt an das Vorgängeralbum „Circle“ an, ist „The Four Wise Ones“ eine Hymne zum niederknien. Die Dynamik ist der Hammer und der Song pulsiert regelrecht was vor allem an den keltisch anmutenden Melodien und den variablen Vocals liegt. „Bad Blood“ bietet galoppierenden Groove, tolle Melodien und einen dramatischen Refrain. „The Skull“ und vor allem „Death of a King“ begeistern mit Refrains die sofort ins Ohr gehen und nie wieder vergessen werden. Während ersteres von einer tollen Dynamik und dem Wechsel zwischen filigranen Melodien und heftigen Eruptionen lebt, begeistert letzteres mit orientalischem Flair, mörderischem Groove der trotzdem locker und leichtfüßig daherkommt und dem einmal mehr tollen Gesang. Auch „Sacrifice“ geht unweigerlich ins Ohr und will partout nicht mehr raus. Der Song bietet das für die Band typische Wechselbad der Gefühle, das sich auch in „Dark Path“ wiederfindet. Allerdings spielen hier die Kontraste von hart und zart eine deutlich größere Rolle. Gestalten sich die Strophen finster und heftig (fast kommt Black Metal Stimmung auf) bricht der melodische Refrain das dunkel immer wieder etwas auf wobei Streicher und Piano für den schwerfälligen Charakter des Songs sorgen. Dieser zieht sich auch durch „Enemy at the Gates“, das allerdings noch stärker mit Kontrasten spielt. Trifft in den Strophen Melancholie auf treibenden Groove, tolle Gesangsmelodien und sowohl Flöten als auch Synthies ist der Refrain ein todesmetallischer Ausbruch mit dunklen Growls und vertrackter Rhythmik. „Tree of Ages“ dagegen ist keltisch angehaucht und bekommt sogar Flötenparts verpasst. Dass diese sich organisch in das Klangbild einfügen zeugt einmal mehr von den songschreiberischen Fähigkeiten der Band. „White Night“ leitet dann das theatralische Ende der Scheibe ein. Neben Tomi Joutsen brilliert hier Aleah Stanbridge mit ihrer geheimnisvollen Stimme. Dazu passt die melancholische Ausrichtung der Musik sehr gut, schafft sie doch eine dichte Atmosphäre die „Under the Red Cloud“ wunderbar abrundet.
6. Uada – Devoid of Light (2016)

Mit ihrem 2016er Debut haben sich Uada aus dem Nichts zu einem der hoffnungsvollsten Newcomer der Black Metal Szene gemausert und das zu Recht, denn „Devoid of Light“ ist sicherlich eines DER Genre-Highlights der letzten Jahre. Die fünf Songs brettern mit etwas mehr als einer halben Stunde Spielzeit über die Ziellinie und ergeben ein intensives schwarz coloriertes Bild. Das liegt vor allem am Abwechslungsreichtum der Scheibe. Während der rasende Opener „Natus Eclipsim“ nach einem kurzen groovigen Intro eine perfekte Symbiose aus klassischem Schwarzmetall schwedischer Prägung und moderneren Strömungen finsterer Musik bietet pendelt der Titeltrack zwischen schleppendem Groove und melodischer Raserei. Der Gesang bietet von dunklem Raunen über hysterische Schreie bis zu fast klagenden Elementen alles und ist somit immer ein passender Gegenpol zu den melodischen Riffs und die Variationen des Drummings geben dem Album insgesamt ein sehr lebendiges Klangbild. So auch im aggressiven „S.N.M” in dem der Sänger sein fieses Geschrei und das verzweifelte Heulen ordentlich ausreizt. Das überwiegend rasante Tempo groovt aber besonders am Ende wie Hölle und wird um famose Melodien ergänzt die besonders im Mittelteil zu einem Leitmotiv des Songs werden. „Our Pale Departure“ ist ein mitreißender Sturm aus pechschwarzen Leads, Melodien die sich unweigerlich ins Langzeitgedächtnis fräsen und mörderischem Groove. Die morbiden, tiefen Growls der zweiten Songhälfte werden von den fantastischen Gitarrenmelodien am Anfang und am Ende eingeklammert. Ein Stück das bedrückend nachhallt. „Black Autumn, White Spring“ überrascht in der Gitarrenarbeit mit Querverweisen zu traditionellem Heavy Metal die aber packend in das finstere Geflecht eingebaut werden. Dank der packenden Melodien wirkt der Song auch weniger rasant als er tatsächlich ist. Dazu holt der Sänger nochmal alles aus seiner Stimme raus und brüllt schreit, keift und heult derart monströs, dass diese eh schon intensive Platte mit diesem Finale die ganz dicke Gänsehaut erzeugt. „Devoid of Light“ ist ein Album mit lang anhaltender, sich stetig steigernder Strahlkraft. Finster und intensiv!
7. Nachtmystium – Silencing Machine (2012)

Der Schatten den die beiden „Black Meddle“-Alben im Vorweld warfen war gewaltig und der Schritt zurück in Richtung der eigenen schwarzmetallischen Vergangenheit auf „Silencing Machine“ gewissermaßen ein Befreiungsschlag. Doch Fans der erwähnten Scheiben finden auch auf diesem Album noch genügend Querverweise auf deren experimentelle Ausrichtung wie z.B. „Decimation, Annihilation“ beweist bei dem die Experimentierfreude zwar durch kalte Industrialsounds ausgelebt wird aber eben auch von jenem Freigeist zeugt der die Vorgängeralben auszeichnete. Zunächst erschaffen aber der Opener „Dawn over the Ruins of Jerusalem“ und der folgende Titeltrack eine bedrückende Schwere, die in „And I Control You“ ihren vorläufigen Höhepunkt findet. Die treibenden Grooves und trostlosen Riffs der beiden Einstiegssongs scheinen gebündelt in der Tristesse dieses Monsters aus Verweiflung, Wut und Hass aufzugehen. „The Lepers of Constitution“ wirkt dann wie die Bewusstmachung der entstandenen Ausweglosigkeit. Demenstprechend depressiv klingt die Musik die jedes Licht im Keim erstickt. Den Höhepunkt der Scheibe markiert allerdings „Borrowed Hope and Broken Dreams“. Die Schwere weicht einem fast leichtfüßigen Groove der mit Shoegaze und Postpunkelementen angereichert wird. Die fantastischen Leads sorgen dabei für einen hartnäckigen Ohrwurm der jedoch kein Stück weniger verzweifelt klingt. Während „I wait in Hell“ besonders zum Ende hin mit genialen Gitarrenmelodien glänzt, die das ansonsten sehr räudige Stück auflockern ist „Reduced to Ashes“ ein nihilistischer Donnerschlag. Ratternde Doublebass, klirrendes und doch psychedelisch verspieltes Riffing und alles wird von Blake Judds Vocals niedergekeift. „Give me the Grave“ und vor allem „This Rooms in which we weep” sind die Vertonung purer Tristesse. Verzweifelte Einsamkeit die in jeder ihrer Stadien nur tragisch enden kann. Genau so klingt sie wenn glaubhaft vertont wird. Das passend betitelte „Ashes to Ashes“ klingt fatal, endgültig und auf eine morbide Art herzzerreißend. Die Synthesizer lassen den Song pulsieren und die großartigen Melodien erschaffen eine Melancholie die nur von Judds Schreien übertroffen wird ehe der Song mit geisterhaftem Krähengeschrei endet. Heftiger Stoff und ein großes Kunstwerk!
8. Blind Guardian – Beyond the Red Mirror (2015)

Einziger Kritikpunkt an diesem Album ist die rückblickend evtl. etwas zahme Produktion, d.h. mancher würde sich z.B. mehr Druck auf den Gitarren wünschen. Aber das ist meckern auf sehr hohem Niveau, denn was Blind Guardian kompositorisch auf „Beyond the Red Mirror“ bieten ist allerhöchste Spitzenklasse (und das bei einem Backkatalog der eh nur sehr wenige Schwachstellen aufweist). „The Ninth Wave“ gibt die Marschrichtung grob vor und entpuppt sich als akustischer Blockbuster. Vom choralen Einstieg über manch spannende Wendung bis hin zum ins kleinste Detail ausgearbeiteten Gesang ist der Song eine epische Breitwandnummer. Nach diesem Paukenschlag knüppelt „Twilight of the Gods“ unvermittelt heftig los. Neben dieser kleinen Rückschau in die eigene Vergangenheit ist besonders Hansis Gesang superb, vor allem dann wenn er ohne Chöre wieder angriffslustiger zu Werke geht. Das heftige Riffing passt dementsprechend gut. Auch „Prophecies“ zitiert die eigene Vergangenheit und hat neben tollem mehrstimmigen Gesang und viel Dramatik auch einige verspielte Melodien zu bieten ehe „At the Edge of Time“ ein vielschichtig arrangiertes Bombastwerk ist. Das Zusammenspiel von Instrumenten, Chören und Hansis Stimme verleiht dem Song fast Musicalcharakter und fesselt sofort. „Ashes of Eternity“ fährt den Bombast zurück und rifft drauflos. Der Aufbau klingt bei aller Dramatik deutlich härter und begeistert besonders in Kombination mit dem folgenden „Distant Memories“, einer opulent arrangierten Nummer die für sich genommen fast als Musical durchgehen könnte. Der Song vollzieht einige tolle Schlenker und besonders der Gesang bleibt auch nach dem x-ten Durchlauf packend, wow! „The Holy Grail“ geht dann ungleich direkter zu Werke. Der Groove macht Dampf und die Gitarren begeistern mit vielen kleinen Details und fetten Riffs. Dabei sind einige Stellen (vor allem im Gesang) derart melodisch ausgefallen, dass sie sofort im Ohr festsitzen. „The Throne“ bietet dann wieder die Bombast-Vollbedienung ehe „Sacred Mind“ durch einige Wendungen fesselt. Klingt der Song zunächst verträumt wird er dann verbissen drängend mit einem Refrain der sich sofort ins Langzeitgedächtnis frisst. Eine tolle Speed Metal Oper! Die Ballade „Miracle Machine“ verstärkt den düsteren Unterton der vorangegangenen Nummer nochmal, klingt für sich genommen aber derart herzzerreißend dass man nicht genau festmachen kann ob man verzaubert wurde oder verzweifeln soll. Das macht den Song zu einer packenden Überleitung in das Finale „Grand Parade“, welches der volle Bombast-Overkill ist. Der Song kommt ähnlich cineastisch wie der Opener daher, klingt aber deutlich positiver. Die vereinzelten Haken die der Song schlägt halten das epische Konstrukt spannend und schließen den Kreis des Albums perfekt ab.
9. Hell – Human Remains (2011)

Kann eine Band die im Underground seit den 80ern Legendenstatus hat (der geschichtliche Exkurs zur Gründung/zum Split lässt sich anderweitig schnell nachrecherchieren) und deren Demos in der Fachpresse über den Klee gelobt wurden mit einem neuen(?) Debut überzeugen? Nun, „Human Remains“ besteht komplett aus neu eingespieltem Material der 80er. In Puncto Musik kann eigentlich also nichts schief gehen…oder doch? Damals wie heute steht fest: Hell polarisieren. Musik und Auftreten sind schrill, überzogen, fast theaterhaft und doch immer mit einem gewissen Augenzwinkern versehen, das man entweder versteht und liebt oder ablehnt. Dazu kommt dass das Album vor Klischees tropft. Mancher könnte auch sagen viel zu aufgeblasen ist. ABER: Die Musik hat Klasse und kann richtig was. Das Album ist abwechslungsreich arrangiert und hat einen tollen Spannungsbogen der niemals vorhersehbar ist. Man höre nur das fantastische „Plague and Fyre“! Die Theatralik wird zuweilen auch mit richtig überdrehtem Gesang auf die Spitze getrieben („Blasphemy and thy Master“), doch dabei gibt’s immer schneidende Riffs und packende Melodien welche die Songs zu griffigen Kleinoden des Heavy Metal machen. Stücke wie „Let the Battle Commence“ oder der Opener „On Earth as it is in Hell“ sind dagegen straighte Headbanger mit reichlich Dampf unter den Kesseln und famoser Gitarrenarbeit. Mit „The Devil’s Deadly Weapon“ gibt’s zudem einen spannenden Zehnminüter der mit sprunghaften Stimmungswechseln glänzt und daher sehr kurzweilig ist. Für die passende Atmosphäre sorgen immer wieder kleine (Grusel)-Einlagen wie etwa das amüsant creepige Intro von „MacBeth“ das im Anschluss mit sich teilweise irr überschlagendem Gesang überzeugt und einmal mehr durch ausgezeichnete Gitarrenarbeit veredelt wird. Mit „Save us from those who would save us“ gibt’s nochmal einen treffsicheren Ohrwurm ehe das düstere „No Martyr’s Cage“ das Album abschließt. Hier wird erneut deutlich welch meisterhafter Geschichtenerzähler der Frontmann ist. Er schreit, kreischt, singt immer punktgenau und transportiert die Stimmungen der Musik perfekt. Er haucht den Protagonisten der Texte das zündende Fünkchen Leben ein, die es ermöglichen voll in die verrückten Storys einzutauchen. So ist „Human Remains“ nach wie vor ein Album das die Gemüter erhitzt. Entweder man hasst die Band oder man liebt sie. Aber kein klar denkender Metalhead mit Herz kann behaupten dass ihn die Scheibe kalt lässt und das ist ein fetter Pluspunkt für die Musik die vielleicht auch mit einer gewissen Zeitlosigkeit gesegnet ist!
10. Blues Pills – Blues Pills (2014)

Mit ihrem Debut haben die Blues Pills bewiesen dass die Vorschusslorbeeren die sie im Vorfeld mit ihren EPs ernten konnten berechtigt waren, und haben gleichzeitig klargestellt dass das alles nur der Anfang von etwas ganz Großem sein konnte. Im Zentrum der Musik steht klar die fantastisch rauchige Stimme von Elin Larsson, die es schafft sanfte Bluesgesänge, Soul und Hardrock mit einer unverkennbaren Frische zu zelebrieren, sodass daraus nur etwas Eigenständiges werden kann. Jedem Song, jeder Note hört man das Selbstbewusstsein der Band und vor allem das Selbstverständis der Sängerin an. Dass aber eine tolle Stimme allein keine gute Platte ausmacht beweist der Rest der Band, allen voran Gitarrist Dorian Sorriaux mit Leichtigkeit. Jedes Lied strotzt vor Energie und Herzblut. Hier hat sich eine Band mit Haut und Haar ihrem Stil verschrieben. Kommen wir also zu den Songs: „High Class Women“ eröffnet das Album mit treibendem Hardrock und liefert einen ersten Eindruck auf welch hohem Niveau hier musiziert wird. „Ain’t No Chance“ ist eine knackige Rocknummer mit treibendem Bass, luftigen Gitarren und einer der besten Hooklines der (noch jungen) Bandgeschichte. Ähnliches gilt auch für das spacige „Jupiter“. Bevor es sich zu einem beflügelten Rocksong mit klasse Gitarrenarbeit entwickelt lässt der bedächtige Anfang von „Black Smoke“ erahnen zu welch stimmlicher Größe die Frontfrau in den ruhigen Momenten der Scheibe noch aufsteigen wird. Die Goldgräberhymne „River“ ist dann der erste dieser Glanzmomente. Der Gesang scheint über den bluesigen Gitarren zu schweben und erzählt eine wundervolle Geschichte für die man nicht mal verstehen muss was gesungen wird, denn die Fülle an Emotionen allein in Elins Gesang ist bezaubernd. Ähnliches gilt auch für „No Hope Left For Me“, das aber für eine ganz andere Gänsehaut sorgt. Der Song wirkt introvertierter, stellenweise fast traurig und wieder ist die Gefühlsvielfalt im Gesang beeindruckend, dank der man wie gebannt an den Lippen der Sängerin hängt während die Musik schwerfällig und luftig zugleich klingt. „Devil Man“ ist bereits von der gleichnamigen EP bekannt, wurde aber leicht verändert. Nach dem energischen Start schafft der Song den Spagat zwischen rockigem Blues und Elins überbordender Energie in ihrer Stimme. Diese Energie findet sich auch in „Astralplane“ wieder. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Ballade und Rock noch mehr. Der ganze Song wird von einem rauchigen Charakter umweht der den Großteil des Albums auszeichnet und doch in jedem Song anders erscheint. Das Chubby Checker-Cover „Gipsy“ geht ohne entsprechendes Vorwissen auch problemlos als Eigenkomposition durch, wenn es auch im Vergleich zum Rest des Albums ein wenig abfällt. Vor allem da mit „Little Sun“ ein fantastisches Finale folgt. Im Vergleich zur Version der „Bliss“-EP klingt der Song jetzt sauberer, aber nicht weniger ergreifend. Dank der klareren Produktion kommen die kleinen Nuancen (besonders im Gesang) mehr zur Geltung und lassen den Song etwas schwerfälliger wirken. Die letzten Noten stimmen versöhnlich und besonders das gefühlvolle Gitarrensolo lässt die titelgebende Sonne scheinen. Tolles Album, tolle Band und eine Sternstunde für eine ganze Szene!
Dominik Maier