August 2023

Nocte Obducta – Karwoche – Die Sonne der Toten pulsiert

War der Vorgänger überwiegend kalt und garstig, klingen Nocte Obducta auf „Karwoche – Die Sonne der Toten pulsiert“ wärmer, aber auch bedrohlicher. Die kratzbürstige Schwärze bleibt dagegen, vor allem gesanglich, bestehen. Allerdings wirkt dieses Album eher wie die glimmende Glut eines Feuers das langsam ausbrennt. In den Rauchschwaden exerzieren die Mainzer ihren Hang zur Verschrobenheit vor allem in Form gewohnt kryptisch-poetischer Texte durch und haben außerdem ihre Liebe zu atmosphärischer Dichte neu entdeckt. Denn ein Song wie „Birkenpech“ gleicht einer musikalischen Schauergeschichte, deren Melodien wie fettgefressene Glühwürmchen in den Gehörgängen umherschwirren und das dunkle Raunen der Stimme durch ein Labyrinth manövrieren, ohne, den Hörer auch nur eine Sekunde zu verlieren. Aber auch diesmal wirken die Songs von Nocte Obducta auf mehreren Ebenen. So hallt jede Nummer auf ihre ganz spezielle Weise nach, wodurch sich die Stimmungen, die anfangs entstehen, mit jedem Durchlauf verändern können. So z.B. im von schräg-schaurigen Keyboards untermalten „Conamara Chaos“, das sich, obwohl vordergründig stürmisch wütend, mit der Zeit als dunkler Abgrund auftut, in den der Hörer immer tiefer fällt. „Balder“ dagegen marschiert heroisch in den Kampf und bekommt von den Keyboards einen epochalen Anstrich verpasst, den der Gesang wie eisiger Wind umweht. Nachdem der Mittelteil einen gewissen „Nordmann-Spirit“-verbreitet, hacken sich die Musiker gegen Ende des Songs dafür umso manischer durchs Gebälk. Zur Belohnung für diesen überstandenen Ritt gibt’s „Schwarzbier und Feigen“. Hier schleicht sich beinahe Gemütlichkeit ein, wobei es eher wie nachdenkliches Sinnieren bei schummrigem Licht wirkt, als kuschelige Sofamusik zu sein. Die Stimmen ziehen wie vom Winde verweht am Hörer vorbei, ehe der Leadgesang von fahlen Erinnerungen an vergangene Sommer- und Herbstmonde sinniert. Der Alkoholdampf weht langsam durch den Geist, und der musikalische Feinschmecker findet sich letztendlich in trauter Melancholie wieder.

Dominik Maier

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