Live & Laut 2024

Wie die letzten Jahre auch, konnte sich das Konzertjahr 2024 durchaus sehen lassen. Sowohl in München gab es einige Live-Schmankerl zu bestaunen, als auch das Wacken Open Air hatte diverse Hochkaräter in seinem Festival-Line Up zu bieten. Dass ein Ranking in jedem Fall subjektiv ausfällt, erklärt sich trotzdem von selbst.


1. Watain Wacken Open Air 02.08.2024

Watain spielen des nächtens ein exklusives „Lawless Darkness“-Set, bei dem sie ebenjenes Album in voller Länge aufführen. Was von vorneherein schon ein spezielles Erlebnis verspricht, wird zusätzlich verstärkt indem Erik diesmal mit zwei Fakeln bewaffnet aufläuft und die Bühne im typischen Watain-Tempel-Stil nach und nach in Brand steckt. Knochen, Schädel und Petruskreuze, sowie das brennende Bandsymbol öffnen zügig den optischen Zugang zur Hölle, welche die Schweden mit „Death’s Cold Dark“ heraufbeschwören. Dass Watains viertes Album ohnehin ein Genreklassiker jüngerer Zeit ist, lässt die Maniacs vor der Bühne umso tiefer in den Strudel aus Faszination und Hingabe eintauchen, sodass Eriks Enthüllung des Teufelsaltars zu „Malfeitor“ ebenso anmutig erscheint, wie der Song das manische Chaos-Element der Band eindringlich darbietet. Dass Erik darüber hinaus immer wieder rituelle Elemente und Handlungen vollzieht (u.a. streut er brennendes Pulver über das Feuer am Altar), verleiht der Show einmal mehr den Eindruck doch mehr als „nur“ ein Konzert zu sein und eher eine spirituelle oder wenigstens ganzheitliche Erfahrung darzustellen. Eriks Eröffnungsrede zu „Four Thrones“ zeugt von der Hingabe und dem konzeptionellen Wahn der in Watain steckt und der jedes Konzert zu einer Schau zwischen Exzess und einer Flucht ins (eigene) Dunkel macht. Einlagen wie Feuerpulver oder das rituelle Entzünden diverser Kerzen wirken daher zu keiner Zeit kitschig oder plakativ, sondern erfüllen stets einen höheren Zweck, der den spirituellen Ausdruck der Band untermauert. „Lawless Darkness“ bildet als instrumentales Titelstück das Zentrum der Setlist und vermittelt eine düstere Magie, die durch das Fehlen von Gesang und Eriks Mimik als Gitarrist, die Stimmung im Infield bis zum zerreißen aufheizt. Zu „Total Funeral“ hantiert der Frontmann erneut mit einer Fackel und scheint noch ekstatischer in seiner eigenen Musik zu versinken, was er durch diverse Zuckungen vor dem Mikrofon und eine Blutdusche aus einem eigens dafür gefertigten Kelch untermauert. „Hymn to Qayin“ gerät im Anschluss beinahe zu einer Art außerweltlichen Erfahrung, denn Eriks nach hinten gerollte Augen lassen den Frontmann umso manischer erscheinen, während sich seine Mitmusker als stoische Front am Bühnenrand positionieren. Zu „Kiss of Death“ singt Erik passenderweise in das Antlitz eines Schädels, was den Anschein einer intimen Zwiekommunikation mit sich selbst, aber auch den Gottheiten der Welt von Watain erweckt. Dass Erik den Schädel küsst und am Ende minutenlang auf Händen trägt, wirkt daher auch nicht kitschig, sondern ist erkennbare Herzensangelegenheit des Frontmanns, der seiner Gottheit und seinem Glauben huldigt. Mit dem schwarzrituellen Opus „Waters Of Ain“ beenden Watain ihr Set auf ehrfürchtige und musikalisch ergreifende Weise, lässt der Song doch eine ganze Menge Melodie zu, was einen passenden Übergang zu Eriks Abschlussritual darstellt. Dass die Stimmung währenddessen mystisch knisternd aufgeheizt ist, wirkt ebenso eindringlich, wie Eriks letzte Verbeugung vor dem Altar in der Bühnenmitte, mit der die Flammen erlöschen und das Publikum voller Ehrfurcht, Erstaunen und wohl auch Respekt vor dieser Darbietung zurück lässt.


2. Architects Wacken Open Air 03.08.2024

Als Queens „Don’t Stop Me Now“ als Intro ertönt haben die Architects im Grunde schon gewonnen, denn das Infield singt als gäbe es kein morgen. Doch roter Rauch und Fiep-Geräusche suggerieren positiven Stress. Denn zum eröffnenden „Seeing Red“ geht sofort die Post ab: Vor der Bühne drehen sich erste Pits und darauf sind zwei separate Bildschirme zu bestaunen, die die volle Breite des Drumraisers einnehmen und mit allerlei flippigen Animationen und Textzitaten bespielt werden. Mit „Giving Blood“ und „deep fake“ feuern die Musiker einen Ohrwurm nach dem anderen in die Crowd, wobei speziell die ruhigeren Momente der Songs ein- ums andere mal für Gänsehaut sorgen. Allerdings ist das Set gespickt mit Gassenhauern, sodass es egal ist ob brutales wie „Impermanence“ (bei dem Sam Carter einige krasse Schreie loslässt) oder Bandklassiker wie „Hereafter“ von der Bühne tönen. Die Band ist motiviert bis in die Haarspitzen, Sam Carter glänzt mit sympathischen und ehrlich emotionalen Ansagen und die Fans eskalieren im positivsten Sinn (aufeinander stehende Crowdsurfer!). Dass zwischendurch weder mit Pyros noch mit Lichteffekten gespart wird, verleiht dem Gig ein sehr spezielles Gefühl, das von den dankbaren Ansagen des Frontmanns zusätzlich unterstrichen wird. Vor diesem Hintergrund entfachen Songs wie „Hereafter“ (Gänsehaut-Moment) oder auch „Curse“ (das Sam Carter in einer sichtlich emotionalen Ansprache einem kürzlich verstorbenen Freund widmet) ihr ganz eigenes Emotionsspektrum und lassen das Herzblut der Fans, aber auch das der Bandmitglieder sichtlich hochkochen. Dementsprechend finden ruhigere Momente, wie der Anfang von „Royal Beggars“ reichlich Widerhall im Wacken-Infield. Dass zwischendurch anstatt der Pommesgabel gemeinschaftlich Herzen in den Himmel gestreckt werden, ist darüber hinaus so schön anzusehen, wie es ein spezieller Moment der Show ist. Ob es die Aufforderung zum Crowdsurfing-Rekord vor „Doomsday“ braucht ist allerdings Ansichtssache. Der Song ist ein Brecher vor dem Herrn und bekommt durch die Animationen einen extra Energieschub, sodass sich durchaus einige spezielle Momente vor und auf der Bühne ergeben, was Sam Carter immer mehr dazu anregt die Fans zur Bewegung zu motivieren. Seine Herausforderung zum größten Circle Pit des Festivals vor „When We Were Young“ nehmen die Fans dementsprechend dankbar an (unnötig sind diese Aktionen trotzdem). Musikalisch zeigen die Architects an diesem Abend, dass sie durchweg unangreifbar sind und die Massen vollends im Griff haben. Daher scheint die Stimmung zum elektronischen Intro von „Nihilist“ (inklusive starker Lightshow) noch weiter gen Siedepunkt anzusteigen und sich zum ersten Breakdown und unter reichlich feuriger Aktivität am Bühnenrand explosiv zu entladen. „Animals“ macht dann als druckvolle Stimmungskanone den Sack zu, ehe die Musiker unter tosendem Applaus von der Bühne gehen. Es war ein Fest!


3. Uada Wacken Open Air 01.08.2024

Black Metal und Tageslicht schließen sich in der Regel kategorisch aus, sodass der Uada-Gig doch eine kleine Überraschung bereithält. Denn auch wenn das Auftreten der Band mit Kapuzen und Lederwesten inzwischen bekannt ist, gelingt es den Amis doch sehr gut die mystische Stimmung ihrer Alben unter dem grellen Licht der Sonne auf das Wacken-Feld zu transportieren. Der glasklare Sound kommt dem Gig dabei natürlich zugute, ebenso wie die Spielfreude der Kapuzen-Metaller. Mit fünf Songs in vierzig Minuten ist die Spielzeit zwar etwas knapp bemessen, aber Jake Superchi und Co. machen das Beste aus dem Zeitlimit und zaubern eine mystische Aura auf die Bühne. Dass dabei jedes der vier Alben im Set vertreten ist, bestätigt einerseits die Klasse der Musik, lässt andererseits aber den Hunger nach mehr wachsen, sodass am Ende der Show, das Black Metal-Herz zwar höher schlägt, aber doch etwas hungrig zurückbleibt. Nichtsdestotrotz gibt’s an dem Gig kaum etwas auszusetzen, denn die Band liefert ab wie ein gut geöltes Uhrwerk. Auch in puncto Songauswahl kann der Black Metaller kaum meckern, denn sowohl hochmelodisches wie „Djinn“, als auch kantige Finstermusik der Marke „Cult Of A Dying Sun“ findet den Weg in die Setlist, die letztendlich einzig am Endgegner Tageslicht zu knabbern hat. Dass die Fans den Gig trotzdem lautstark und hier und da auch bewegungsfreudig abfeiern, lässt Uada am Ende aber als Sieger vom Platz gehen.


4. Blues Pills Wacken Open Air 02.08.2024

Mit viel Liebe und Lebensfreude zelebrieren die Blues Pills ihren „Birthday“ an diesem Wacken-Freitag. Dabei ist nicht nur der headbangende Schlagzeuger ein guter Repräsentant für die positive Energie der Release-Show (O-Ton Elin Larsson). Auch die Energie der Fronterin selbst überträgt sich immer mehr auf das Publikum, das zu Balladen wie dem neuen Stück „Top of the Sky“ ebenso schwelgerisch die Arme gen Himmel streckt, wie es zu einem Bandklassiker wie „High Class Woman“ fleißig mit klatscht. Natürlich dürfen bei den Schweden auch psychedelische Soli und ausladende Mitmach-Spiele nicht fehlen, wobei der Band sicherlich das Charisma ihrer Sängerin zugute kommt. Denn Elin Larsson repräsentiert mit ihren Ansagen und ihrer Agilität in etwa das Protobild einer Frontsau, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Dass die Dame im Verlauf der Show auch auf Tuchfühlung mit den Fans geht und zum Albumrelease CD und LP-Exemplare an ein paar glückliche Zuschauer verteilt, lässt die Band gleich nochmal ein Stück bodenständiger und sympathischer erscheinen. Kein Wunder also, dass Stücke wie der ‘Soul-Metal-Song‘ „Bad Choices“ bestens angenommen werden und für klatschende Hände oder den ein- oder anderen Hüftschwinger in der Crowd sorgen. Mit „Bye Bye Birdy“ gibt’s thematische Trauerbewältigung in musikalischer Knarz-Energie, die Frontfrau Elin nochmal mehr zu einigen kratzigen Bluesgesängen verleitet. Angefeuert von der Energie der Crowd begibt sich die Sängerin sogar in die Zuschauermenge und zettelt einen kuscheligen Moshpit an, was zu den wabernden Gitarrensoli doch ein interessantes Bild abgibt. Nachdem „Little Sun“ zum eindringlichsten Gänsehautmoment der Show avanciert, beenden die Blues Pills ihren zu erwartenden Siegeszug mit einer schweißtreibenden Version von „Devil Man“.


5. Emil Bulls, Slope, Self Deception Backstage Werk München 20.12.2024

Es ist Dezember, Weihnachten steht vor der Tür und damit laden auch die Lokalmatadore der Emil Bulls mitsamt Gefolge zum alljährlichen X-Mas Bash. Dass diese Weihnachtsfeier ein gern genutzter Jahresabschluss für viele Fans ist, zeigt sich u.a. dadurch, dass das heutige Konzert eine Zusatzshow ist, die das ursprüngliche Konzert am Folgetag ergänzt. Mit Slope und Self Deception stehen zwei, dem Autor eher unbekannte, Bands auf dem Vorprogramm und dürfen sich bereits über eine angenehm volle Hütte freuen. Letztere eröffnen den Abend mit modernem Metal zwischen Radio und Disco-Pop. Dank dem sympathischen Auftreten der Musiker gerät die Show auch zu einer spaßigen Sause, die allerdings kaum zwingende Momente hinterlässt. Der Sänger ist zwar sehr gut bei Stimme und der Preis für das beste Outfit des Abends geht an den Bassist im Grinch-Kostüm, aber wirklich prägnante Songs bleiben aus. Dementsprechend ist die gute halbe Stunde Spielzeit auch nicht zu knapp bemessen, wobei der abschließende Applaus doch angemessen ausfällt. Slope lassen im Anschluss mit ihrem Old School-Rap/Metal-Verschnitt aufhorchen. Aber schon nach gefühlten zehn Minuten beginnt der Sound zu nerven. Zwar steht der Bassist, der sich einige funky Sounds aus den Fingern zupft, auch in Sachen Bühnenpräsenz heute Abend auf der Gewinnerseite, aber subjektiv betrachtet, klingt hier jeder Song gleich und die Rap-Anteile sind ebenso verzichtbar, wie der Moshpit im vorderen Teil der Halle. Warum die Band zudem zwei Frontmänner hat, die beide schreien, ‘singen‘ und rappen, wird auch nach Ende der Show nicht ersichtlich. Dass einige Besucher die Show als willkommene Raucherpause nutzen, verwundert daher kaum. Um viertel nach neun Uhr Abends ist es schließlich Zeit für die Emil Bulls, die mit „The Ninth Wave“, „The Devil Made Me Do It“ und „The Way Of The Warrior“ gleich schweißtreibend in ihre Show einsteigen. Im weiteren Verlauf verkündet Sänger Christoph von Freydorf, dass die Band heute ein straffes Programm im Gepäck habe und diese Ansage wird den ganzen Abend über eingehalten. Mit über zwei Stunden Spielzeit und fünfundzwanzig gespielten Songs gerät das Konzert zu einem buchstäblichen Abriss, bei dem Circle-Pits, Moshpits u.ä. Aktionen an der Tagesordnung sind. Höhepunkte der sehr starken Setlist sind vor allem die Songs neueren Datums, wie das geniale „Love Will Fix It All“ oder der brettharte Ohrwurm „Happy Birthday You Are Dead To Me“, wobei die Fans nicht nur bei diesen Nummern großzügig frei drehen. Zwischendurch weiß Christoph von Freydorf mit charmanten und sympathischen Ansagen zu glänzen, was die Fans immer weiter aufzuheizen scheint. Da kommen ruhigere Stücke wie das Pixies-Cover „Where Is My Mind?“, oder das melancholische „Winterblood (The Sequel)“ als Verschnaufpausen gerade recht. Das Kontrastprogramm dazu bieten u.a. die Genialität „Euphoria“ (zu der die Fans tanzen und singen als gäbe es kein Morgen), das ähnlich gelagerte „Hearteater“ oder auch Hartstoff älteren Datums wie „Here Comes The Fire“ oder „Epiphany“. In Gänze wird an diesem Abend das Emil Bulls-Fanherz reichlich beschenkt, was sich auch an den Publikumsreaktionen zeigt. Denn die Fanchöre reißen zwischendurch kaum ab und am Ende fällt der Applaus ebenso anhaltend aus. Die zufrieden grinsenden Gesichter der Musiker, aber auch der Fans sprechen Bände. So geht eine Weihnachtsfeier!


6. Alcest, Svalbard, Doodseskader, Backstage Werk München 15.11.2024

Alcest laden zum verträumt musikalischen Abend ins Backstage Werk und haben mit den Belgiern Doodseskader und den englischen Post-Hardcorelern Svalbard ein Begleitpaket geschnürt, das dem Autor dieses Textes im Vorfeld wenig bis gar nichts sagt. Überraschungen sind aber willkommen und diesem Ansatz kommen Doodseskader als Eröffnungskommando treffend nach. Mit ihrem Post-Hardcore/Electro-Soundverschnitt erzeugen die beiden Musiker (Sänger/Gitarrist & Drummer/Sänger) einen stressigen Sound, der bewusst kolossal wirkt und anfangs schwer zu greifen ist. Das diffuse Farbenchaos der Lightshow spielt dem Stress-Charakter der Musik in die Hände und auch die Musiker legen sich sichtlich ins Zeug. Allerdings springt der Funke heute Abend nicht sofort auf die Crowd über. Ob das daran liegt, dass der Sound auf Dauer an den Nerven zerrt, oder ob der geneigte Alcest-Fan doch eher in verträumter Musik schwelgt, wird zwar heute nicht beantwortet, aber wirklich nachgeweint wird Doodseskader auch nicht, als die Band von der Bühne geht. Die Überraschung des Abends (wenigstens für den Autor dieser Zeilen) servieren danach Svalbard. Nach einem ambientösen Klassik-Intro reißt die englische Truppe um Sängerin/Gitarristin Serena Cherry das Backstage mit einer mitreißenden Hardcore/Black Metal-Brechstangen-Show in Fetzen. Dabei entwickelt die Musik (auch dank der intensiven Lightshow) eine gehörige Tiefe, wodurch das Konzert einer Katharsis für Band und Fans gleichkommt. Die Frontfrau brüllschreit sich voller Inbrunst durch das Set, wobei ihre Stimme, bei aller Aggression und Wut, stets etwas Zerbrechliches ausstrahlt. Im Zuge dessen entwickeln Stücke wie „Open Wound“ eine schmerzhafte Dringlichkeit, welche die Lichtshow zusätzlich verstärkt. Dass zu sieben gespielten Songs drei Interludes hinzukommen, ist in diesem Fall auch kein Stimmungskiller. Denn der diffuse Schmerz, der in der Musik mitschwingt, bekommt durch diese Ruhepausen eine nachdenkliche Qualität, die dem Live-Erlebnis sehr zuträglich ist. Dass der Applaus am Ende angemessen laut und anhaltend ausfällt, untermauert die Klasse dieses Gigs. Vor einem Bühnenbild, das einen leuchtenden Mond in das von zwei Kranich-Skulpturen flankierte Zentrum stellt, laden Alcest im Anschluss zum Traumtanz. Mit fünf gespielten Songs steht das aktuelle Album „Les Chants de l‘aurore“ im Fokus des Abends, wobei das Highlight des Gigs die Tour-Premiere des „Spiritual Instinct“-Songs „Sapphire“ darstellt (zumindest gemessen an den Publikumsreaktionen). Angesichts der verträumten Stimmung der Musik passt auch die Zurückhaltung der Musiker perfekt ins Bild. Denn dadurch wirkt es beinahe so, als würden Alcest sich und ihre Fans immer mehr in eine Art Trance spielen. Der Sound klingt differenziert und lässt auch die melodischen Nuancen von Stücken wie „Écailles de lune – Part 2“, oder dem hypnotischen „Le miroir“ bestens zur Geltung kommen. Dass die Musik in erster Linie zum Lauschen einlädt, ist auch der Darbietung der Musiker anzusehen, die mit jedem Ton scheinbar mehr und mehr in ihrer eigenen Kunst versinken und nur zu den Songpausen, bzw. den Ansagen von Frontmann Neige aus dieser Gefühls- und Soundglocke auftauchen. Emotionaler Höhepunkt der Show ist dann auch der mitreißende, erste Abschluss „Oiseaux de proie“, nach dem lediglich das endgültige Finale „L’Adieu“ einen ähnlichen Tränendrüsendrückereffekt erzeugt. Großartiges Konzert mit großen Emotionen!


7. 1349, Kampfar, Afsky, Backstage Club, München 16.10.2024

Im Vorfeld des Norwegen vs. Dänemark-Black Metal-Dreikampfes tönt u.a. Musik von Primordial und Solstafir aus der Hallenanlage, was für den verzögerten Einlass zur Show entschädigt. Der Backstage Club ist zwar noch überschaubar gefüllt, aber wer zu den ersten Tönen des Afsky-Gigs am Start ist, darf sich über vierzig Minuten herzzerreißende Black Metal-Melancholie freuen. Zwar dominiert anfangs der Basssound das Geschehen ein wenig zu sehr, sodass die verwaschenen Gitarren fast untergehen, aber mit zunehmender Spielzeit entfalten die melancholischen Stücke ihre Wirkung immer mehr und der Herzschmerz-Black Metal zaubert eine intensive Stimmung zwischen Meditation und depressiver Innenschau in die Halle. Dass der Frontmann dabei von der ersten Sekunde an eine Menge Leid und Tragik in seine Stimme packt, lässt in Kombination mit der fabelhaften Lightshow einen Gig voller Intensität immer mehr heranwachsen. Der anhaltende Applaus am Ende des Sets ist also gerechtfertigt. Gefesselt von dem Geschehen auf der Bühne fällt erst jetzt richtig auf, dass die Halle mittlerweile sehr voll ist. Die dreißig Jahr-Feier von Kampfar findet augenscheinlich eine Menge Zuspruch in München. Und wie um ihre Live-Präsenz auch nach drei Jahrzehnten nochmal zu untermauern, liefern die Norweger ein hitverdächtiges Set ab, bei dem ein Hochkaräter den nächsten jagt. Der Sound ist top und besonders Sänger Dolk zieht sämtliche Register seiner Stimme. Aber auch seine Mitstreiter strotzen vor Spielfreude und feuern Kracher wie „Ophidian“ oder düstere Schleifer der Marke „Dødens aperitiff“ mit packender Energie von der Bühne. Dabei versteht es der Frontmann, wie immer, die Menge zu dirigieren und lässt auch mal den asozialen Berserker raushängen, der gerne in die Luft rotzt. Dass der ein- oder andere Folk-Einspieler aus der Konserve kommt, schadet dem Gig keineswegs, erzeugt eher die bedrückend-mitreißende Atmosphäre, die Kampfars Musik auch auf Platte auszeichnet und dafür sorgt, dass die Herren im Grunde nur Hits aus ihrem Backkatalog zaubern können. Egal ob Songs neueren Datums wie „Urkraft“, oder Klassiker wie „Ravenheart“, Kampfar überzeugen auf ganzer Linie und spielen sich und die Fans in einen mitreißenden Black Metal-Party-Rausch, der mit „Det Sorte“ schließlich einen Highlight-verdächtigen Abschluss findet. Dass es für 1349 nach dieser Sause schwer werden würde das Niveau zu halten, erscheint nur logisch. Aber die Norweger machen mit ihrem einstündigen Set das Beste aus der Situation und setzen auf infernalisches Geballer ohne Schnörkel. Zwar wirkt der in eine schwarze Robe gehüllte Bassist in seiner Trvness fast ein wenig drüber, aber die martialischen Posen aller Musiker passen gut ins Bild. Die Halle leert sich aber auch ein wenig, was den Eindruck verstärkt, dass Kampfar heute eindeutig der Headliner der Herzen sind. Aber sei’s drum, auch so liefern 1349 eine solide Show voller Hass und Aggression ab. Hits? Fehlanzeige. Tiefpunkte lassen sich aber auch keine aus dem Set herausgreifen. Wobei die Songs neueren Datums (u.a. „Ash Of Ages“ oder „Inferiour Pathways“) doch etwas mehr Atmosphäre mitbringen, als der schnörkellose Stoff älterer Tage. Dass die Lightshow auch relativ eindimensional, wenn nicht sogar monoton ausfällt, ergänzt die infernalische Geschwindigkeitsorgie passend, sodass 1349 am Ende auf einen starken, wenn auch nicht überragenden Gig zurückschauen können.


8. Betontod Wacken Open Air 02.08.2024

Das Bühnenbild mit umgeworfenem Polizeiauto und wütendem Mob auf dem Backdrop macht einiges her und wirkt aktueller als es mancher vielleicht wahrhaben will. Ob Betontod das wissen, ist sicher diskutabel, aber zum morgentlichen Cardio-Training eignen sich Songs wie der Opener „Zeig dich“, der hitverdächtige „Totenkopf“ oder auch das tendenziell unwichtige Säuferlied „Hömmasammawomma“ bestens. Dass die Fans (vor allem in den ersten Reihen) dabei zügig auf Betriebstemperatur kommen und sich nicht mit Tanz- und Crowdsurf-Einlagen zurückhalten, zeugt von der spaßigen Live-Qualität der Band, die mit Großartigkeiten wie „Neonlicht“, dem Ska-Verschnitt „Nie mehr St. Pauli ohne dich“ oder dem Ohrwurm „Tanz im Algorithmus“ einen Knaller nach dem anderen auf den Platz vor der Bühne feuert. „Bambule und Randale“ wird zwar glücklicherweise nicht zum Motto der Show, sorgt aber doch für reichlich Action. Gleiches gilt für die Liebeshymne „Küss mich“, die ebenso viel Anklang in der Crowd findet, wie der Retro-Dankessong „Ich nehm dich mit“. Die obligatorischen Bengalo-Träger, die „Traum von Freiheit“ ankündigen passen gut ins Bild, was auch für Sänger Meisters Klettereinlage gilt, der sich fackelschwenkend auf dem Polizeiauto platziert. „Viva Punk“ ist als abschließendes Motto des Gigs also mehr als passend.


9. Thy Art Is Murder, Fit For A King, Crystal Lake, Backstage Halle München 11.06.2024

Thy Art Is Murder beehren Bayerns Hauptstadt mit einer kurzfristig angekündigten Secret-Show und haben internationalen Support dabei. Doch bevor Fit For A King und die Japaner von Crystal Lake ihre Wegbereiter-Rollen in den Abend ausführen, fällt leider bereits kurz nach dem Einlass das erste Manko des Abends auf: Keine der Bands hat CD’s in ihrem Merchandise-Angebot, das ansonsten von LP’s über Shirts, bis zu Hoodies alles abdeckt. Das ist leider mau, noch dazu bei 35 Euro für eine LP, die auch nicht jeder Fan einfach so locker machen kann. Zum Start der Crystal Lake-Show wird die Halle dann erfreulich voll und nach kurzer Zeit fällt die Klarstimme des Sängers als erster Fixpunkt der Show auf. Denn auch wenn sich der Gesang mit Zeit doch ein wenig in Eindimensionalität verliert (vor allem in den Brüll-Anteilen), sind die klaren Gesangsmomente durchaus erheiternd. Zweiter Fixpunkt des Gigs ist der Gitarrist, der das Publikum immer wieder wie angestochen zum ausrasten animiert, was allerdings nur bedingt angenommen wird. Denn auch wenn der Hallensound sehr gut klingt, taut das Publikum eher zögerlich auf, sodass wirklich zwingende Momente seitens der Fans ausbleiben. Über die Show und die Musik lässt sich selbiges sagen, sodass dieser Gig letztendlich als netter Appetizer auf den folgenden Abend durchgeht. Fit For A King bilden als christliche Band einen interessanten Kontrast zum Headliner, was die Texaner aber nicht daran hindert eine energische Show abzuliefern. Die etwas melodischere Ausrichtung der Songs ist dabei eine willkommene Vorab-Aufwärmung für die Stimmbänder der Fans, die sich auch für einige Pit-Eskalationen oder Crowdsurfing nicht zu schade sind. Allerdings kommt mit zunehmender Spielzeit (die mit gefühlt etwas mehr als einer halben Stunde nicht unbedingt üppig ausfällt) auch das Gefühl auf, dass hier immer das letzte Quäntchen Aggression fehlt um die Fans komplett ausrasten zu lassen. Ein Großteil der Anwesenden sieht das aber offensichtlich anders, sodass Stücke wie „Eyes Roll Back“ oder der Brecher „Vendetta“ für diverse Eskalation in der Crowd sorgen. Höhepunkt der Show ist dann auch der Abschluss „God of Fire“ zu dem Tyler Miller von Thy Art Is Murder als gesangliche Unterstützung auf die Bühne kommt. Nach diesem Ausblick auf das was folgen könnte, erscheint das Disko-Intro („We like to party“ von The Vangaboys) aus der Konserve mehr als krude. Dass die Halle den Fremdschäm-Verschnitt lautstark mitsingt, macht die Sache nicht besser (schließlich musste der geneigte Death Metaller/Deathcore-Fan schon zum Umbau reichlich Ami-Rap über sich ergehen lassen). Besser wird’s aber optisch, denn der Mic-Ständer in Form eines stilisierten Petruskreuzes macht einiges her, genauso wie die Kampfmontur des Sängers, der in Tactical-West und Schirmmütze aufläuft und damit den Eindruck eines psychopathischen Sicherheitsbeamten vermittelt. Mit „Destroyer of Dreams“ und „Slaves Beyond Death“ ballern die Australier ohne Kompromisse drauflos, was die Fans mit reichlich Action honorieren. Zu „Death Squad Anthem“ öffnet sich die erste Wall of Death des Konzerts, wobei immer wieder auffällt, dass die Songs bei aller Brutalität erstaunlich eingängig klingen und wie geölt grooven. Die zunehmende Lautstärke stört dabei ebenso wenig, wie die Tatsache, dass das aktuelle Album „Godlike“ mit sieben gespielten Songs klar im Fokus des Sets steht. Dabei bildet das apokalyptische „Bermuda“ einen speziellen Moment, der das Eskalationspotenzial, welches zu „Human Target“, „Holy War“ und „Purest Strain of Hate“ folgt, nochmal anstachelt. Aber ganz gleich wie gut die Musik ist, wie brutal der Sound tönt oder wie aggressiv der Gesang ausfällt: Die sympathisch-psychopathische Aura von Ex-Frontmann CJ McMahon kann Tyler Miller leider nicht vollends kompensieren. Das ist aber auch nicht zwingend seine Aufgabe und so kann seine Leistung in Stücken wie „Keres“ als sehr gelungen bezeichnet werden. Das bestätigt sich auch dadurch, dass die Fans beständig und freudig ausrasten, sodass Crowdsurfer oder die eine oder andere Pit-Eskalation (vor allem zu „Holy War“) als Honorierung an einen gelungenen Gig durchgehen. Damit bleibt unterm Strich nur die geringe Spielzeit von etwas mehr als einer Stunde als Manko bestehen.


10. Blind Guardian Wacken Open Air 02.08.2024

Dass Blind Guardian nicht nur eine Wacken-Institution sind, sondern auch eine der wichtigsten Szene-Bands Deutschlands, sollte klar sein. Der Andrang im Infield überrascht also weniger als der Umstand, dass die Herren nach dem obligatorischen Klassik-Intro direkt mit ihrem Klassiker „Imaginations From the Other Side“ in ihr Set einsteigen, womit sie die Fans von der ersten Sekunde an im Griff haben. Spätestens zu „Nightfall“ brechen dann alle Sänger-Dämme der Fans und es kommt fantasievolle Abendstimmung auf, die allerdings auch nicht komplett darüber hinwegtäuschen kann, dass der Gesamtsound um einiges leiser ist als bei den übrigen Bands dieses Tages. Trotzdem werden alte Schoten wie „Script for my Requiem“ ähnlich begeistert aufgenommen wie die Songs neueren Datums (u.a. „Secrets of the American Gods“). Dass „The Bard’s Song (In The Forest)“ einmal mehr zum Sangeshighlight der Fans avanciert und eine kollektive Gänsehautstimmung hervorruft, ist zwar wenig verwunderlich, zeugt aber auch an diesem Abend wieder einmal von der hervorragenden Live-Qualität der Krefelder. Gleiches gilt für die Tatsache, dass Hansi Kürsch seine Ansagen angenehm kurz hält und stattdessen die Musik für sich sprechen lässt. Das abschließende Song-Triplett „Sacred Worlds“, „Valhalla“ und „Mirror Mirror“ bringt die Stimmung dementsprechend zum überkochen. Starker Gig, schöne Setlist und ein stimmiges Ambiente, was will das Fan-Herz mehr?


11. Emil Bulls Wacken Open Air 03.08.2024

Die Emil Bulls dürfen sich über reichlich Zuspruch freuen, als sie am frühen Freitagnachmittag die Louder-Stage entern. Die Motivation der Musiker verwundert also kaum und auch die Fans nehmen Modern Metal Knaller wie „The Ninth Wave“ oder den Mitsing-Hit „The Age Of Revolution“ dankbar an. Dass vor allem in den ersten Reihen kollektive Mitmach-Spielchen willkommen sind, macht Knaller wie „Euphoria“ oder „Hearteater“ zu spaßigen Kleinoden voller Festival-Glück. Zu „Happy Birthday You Are Dead To Me“ dreht der Pit vor der Bühnenmitte das erste Mal richtig auf und sorgt für eine sichtliche Staubwolke, die sich auch zu „Here Comes the Fire“ nicht legt. Kurios: einer der ersten Crowdsurfer des Songs ist ein Dosenbier-Männchen, das über die achtsamen Hände der Fans geschoben wird. Insgesamt beweisen die Emil Bulls einmal mehr, dass bei ihnen Lebensfreude und Liebe groß geschrieben werden, was u.a. auch der großartige Titelsong des aktuellen Albums „Love Will Fix It All“ unter Beweis stellt. Mit sympathischen Ansagen hat Frontmann „Christ“ die Fans eh auf seiner Seite und dass er während dem Song schnell in den Bühnenhintergrund rennt um seiner Dame einen dicken Schmatzer zu verpassen, unterstreicht die nahbare Attitüde der Band. Mit „Warriors Of Love“ gibt’s dann einen ganz neuen Song, der einige Crowdsurfer mobilisiert und auch ansonsten ein echter Knaller ist. „Jaws Of Oblivion“ animiert die Fans zum singen und Crowdsurfen und vor „When Gods was Sleeping“ gibt’s einen herzlichen Dank an die Festival-Security. Nach dem letzten Toast auf die Fans und einer netten Verabschiedung folgt mit „World’s Apart“ ein knackiger Abschluss, zu dem der kleine Circle-Pit in der Publikumsmitte doch noch ein bisschen wächst. Schön war’s.


12. Behemoth Wacken Open Air 03.08.2024

33 Jahre Behemoth. 33 Jahre Wacken Open Air. Das verlangt nach einer Special-Show, die unter dem Motto „Outliving Christ – 33 Years Ov Behemoth“ von statten geht und mit dem im BDSM-Stil geknebelten Christus, der den Backdrop ziert, schon mal optisch einiges hermacht. Selbiges gilt für Nergals weiß getünchtes Gesicht, das Sprüche/Titel wie „Conquer All“ eindrücklich verkörpert, sodass der Titel auch zum Motto des Gigs wird. Behemoth spielen sich bei bestem Sound und spielerischer Präzision durch ein Best-Of Set, das sich hören und sehen lassen kann. Kein Wunder also, dass die Bandjünger den Polen aus der sprichwörtlichen Hand fressen. Dass dabei offensichtliche Hits wie „Ov Fire and the Void“ musikalisch ebenso mitreißen wie uralt-Schoten der Marke „Cursed Angel Of Doom“, zeugt einmal mehr von ihrer Fähigkeit Extrem-Metal mit Hitfähigkeit zu schreiben und Showeinlagen, wie z.B. der Fackeleinmarsch vor „Christians to the Lions“ verstärken den martialisch-aggressiven Charakter der Musik, aber auch der Band selbst maximal. Zu „The Deathless Sun“ streift sich Nergal Cape und Maske über, was ihm die Aura eines düsteren Hohepriesters verleiht, der sich von den Flammen der Pyros angestachelt durch Finster-Hits wie „Blow Your Trumpets Gabriel“ oder die jüngere Genialität „Bartzabel“ brüllt, schreit und emotional verausgabt. Dass dabei aber immer auch stimmungstechnisches Kalkül vorhanden ist, zeigt der Frontmann durch seine wechselnde Kostümierung (Satans-Mitra) und die Fähigkeit das Publikum mit großer Geste in seinen Bann zu ziehen. Zum ersten Finale „Chant for Eschaton 2000“ spucken die Musiker Blut und Nergals abschließender Appell an Stärke, Gesundheit und Freiheit wirkt ehrlich aus dem Herzen des Frontmanns gesagt. Nachdem er seine Gitarre stumpf in die Ecke schmeißt, lassen er und seine Mannen sich aber nicht allzu lange bitten und kehren blutverschmiert, begleitet von martialischen Chören und in roter Robe (Nergal) auf die Bühne zurück um mit „O Father O Satan O Sun!“ das Infield in Schutt und Asche zu legen. Großartiges Konzert, großartige Songs, große Gestik (Totenkopfmasken mit Schleiern)!


13. Amon Amarth Wacken Open Air 03.08.2024

Schwedens Wikingerbande lässt keinen Zweifel an ihrem Headliner-Status und untermauert das mit einer Armada von Pyros, sowie zwei Asgaard-Riesen, welche die Bühne flankieren in deren Mitte das obligatorische Wikingerhelm-Drumpodest thront. Amon Amarth könnten kaum mächtiger als mit „Raven’s Flight“, „Guardians of Asgaard“ und „The Pursuit of Vikings“ in ihr Set einsteigen, was sich nicht nur am überfüllten Infield zeigt, sondern auch an den frenetischen Fanreaktionen. Dass Fronthüne Johan Hegg und Co. aber nicht nur mit Song-Granaten wie dem grollenden „Tattered Banners and Bloody Flags“, oder dem Seltenheits-Triple „The Last with Pagan Blood“/“Death in Fire“/“Find a Way or Make One“ auf ganzer Linie siegen, sondern eben auch sympathische Menschen sind, beweisen die Ansagen und Dankesreden des Frontmanns ebenso wie das kollektive Dauergrinsen der Musiker. Gleiches gilt für die Fans, die sich wahlweise zum kollektiven Rudern hinreißen lassen (u.a. während „Put Your Back Into the Oar“), oder aber kaum her aus dem Staunen raus kommen, wenn „Under a Nothern Star“ melancholische Wikinger-Romantik ins Infield zaubert. Am Ende wird das kollektive Wikingerhorn erhoben und ein Toast auf das Wacken Open Air und die Fans ausgesprochen („Raise Your Horns“), die sich das ganze Konzert über erfreulich zahm (bis auf einige Crowdsurfer) geben, aber doch eine ausgelassene Party feiern. Nachdem „Crack the Sky“ nochmal den Groove der Asen ins Infield wirbelt, schwingt Johan Hegg den Thorshammer zur Genialität „Twilight Of The Thundergod“, an deren Ende ein stattlicher Funkenregen vom Dach der Bühne prasselt. Dass Band und Fans danach ein breites, kollektives Lächeln im Gesicht haben, ist mehr als angebracht.


14. Testament Wacken Open Air 03.08.2024

Thrash at it’s best lautet auch dieses Jahr das Motto von Testament, die ein spezielles Old-school-Set im Gepäck haben und ausschließlich Songs ihrer ersten Alben „The Legacy“ und „The New Order“ spielen. Dass dabei nicht nur der alten Thrasher Brigade das Herz aufgeht, verwundert angesichts der Spielfreude der Band kaum. Der Sound ist eine Wucht und die messerscharfen Riffs von Stücken wie „The New Order“ oder „C.O.T.L.O.D.“ schneiden präzise in die Gehörgänge der Fans, die ihre Lieblinge logischerweise standesgemäß abfeiern. Dass die Musiker kaum still stehen und die Bühne komplett beackern, zeugt von der Spielfreude der Band, welche die Fans mit einige Circle-Pits, noch mehr Crowdsurfern und lautem Jubel honoriert. Auch Chuck Billys Ansagen fallen erfreulich knapp aus, sodass sich Testament Schlag auf Schlag durch ihre Setlist knüppeln, was nicht weniger als einen Thrash Metal-Abriss zur Folge hat. Einige Circle Pits nehmen dabei allerdings unschöne Ausmaße an, was die feierwütige Meute vor der Bühne aber wenig zu stören scheint. Starker Gig, einer Band die ihren Job immer noch mir Herz und breitem Grinsen verrichtet. Chapeau!


15. Jungle Rot Wacken Open Air 01.08.2024

Die wiederkehrenden „old school“-Ansagen des Frontmanns passen wie Arsch auf Eimer um den Gig von Jungle Rot zu beschreiben. Death Metal ohne große Schnörkel, dafür mir reichlich Groove und mörderischen Riffs steht auf dem Plan. Da es mittlerweile dunkel ist, kommt auch die Lightshow sehr gut zur Geltung, was den Eindruck der Songs natürlich verstärkt. Auch in puncto Sound gibt’s nix zu meckern, denn sowohl die Grooves, als auch manch feinere Gitarreneinlage in Form eines Solos kommen gut zur Geltung. In Gänze überrollen Stücke wie „Stay Dead“, das etwas melodischere „Beyond the Grave“ oder die Granate „Doomsday“ das Publikum aber vor allem durch ihre schiere Gewalt, die jener von Memoriam nicht unähnlich ist. Death Metal des älteren Semesters scheint aber nicht nur für selbiges ein Leckerbissen zu sein, denn das Publikum ist kunterbunt gemischt und feiert den nächtlichen Gig angemessen ab.


16. Endstille Wacken Open Air 01.08.2024

Abgesehen davon, dass Endstille zwischen ihren Songs tendenziell etwas zu lange pausieren, kommt ihr monotones Geballer auch bei Tageslicht gut zur Geltung. Blickfang ist dabei neben dem blutverschmierten und Corpsepaint tragenden Zingultus auch Gitarrist L. Wachtfels, der sich seinen Spitznamen „Der Rote“ ob seiner Haarpracht mehr als verdient hat und heute beharrlich griesgrämig dreinschaut. Frontmann Zingultus wirkt in seinem Tun zwar ein wenig eindimensional, aber das soll bei Endstille ja auch so sein und daher kommen Stampfer wie „Ripping Angelflesh“ oder die rasante Provokation „Sick Heil“ bestens beim Publikum an. Dass selbiges vor allem im vorderen Drittel des Feldes amtlich Gas gibt, verwundert daher kaum. Dass der Gig aber zunehmend intensiver wird, ist doch eine kleine Überraschung, angesichts des monotonen Geballers das von der Bühne tönt. Highlights sind u.a. das fies melodische „Jericho Howls“, sowie die beiden Schlussgranaten „Frühlingserwachen“ und „Endstilles Reich“.


17. Beast in Black Wacken Open Air 02.08.2024

Die Partygaranten von Beast in Black spielen am Wacken-Freitag eine energiegeladene Show bei der sie ein Potpourri ihrer drei bisherigen Alben zum Besten geben und schon mit ihren Outfits keinen Hehl aus ihrer musikalische Heldenverehrung machen. Die von Logos von Kiss, AC/DC oder auch den Misfits übersäten Jacken und Hosen der Musiker machen optisch einiges her und passen ebenso perfekt zum grell-kitschigen Sound wie die knallbunte Gitarre, bzw. der Bass, der ein grinsendes Teufelchen abbildet. Dass der Frontmann sich große Reden spart, wirkt sympathisch, denn so bleibt mehr Zeit für Musik, die mit Stücken wie „Born Again“ (Highlight) oder „Hardcore“ das Energielevel konstant hochhält. Zu „Sweet True Lies“ lässt sich das Publikum zu lauten Gesängen animieren, während ein zaghafter Moshpit seine Tanzrunden vollführt. „Power of the Beast“ und „Die by the Blade“ lassen die Stimmung noch weiter hochkochen und finden reichlich Widerhall in den Kehlen der Crowd, die sich ebenso wenig bitten lassen muss zu den Songs zu klatschen. Zur Bandhymne „Beast in Black“ dreht der eine oder andere Pit noch ein wenig mehr auf, ehe „Blind and Frozen“ mit die frenetischsten Fanreaktionen provoziert und immer wieder ein eindrückliches Zeugnis der stimmlichen Fähigkeiten des Sängers ist, der in Höhen vordringt, die sowohl spaßig als auch kitschig sind. Aber hier muss das so sein und soll abgefeiert werden. Also, gesagt, getan! Dass die Musiker aus dem Dauergrinsen nicht mehr herauskommen, macht den Gig umso gelungener und passt hervorragend zum Kitsch-triefenden Sound der Biester. Es verwundert also wenig, dass sich die Fans kaum zum mitmachen bitten lassen müssen, wenn der Frontmann sie dazu auffordert. Mit „Cry Out For A Hero“ steigt das Energielevel sogar nochmal an und auch der Disko-Verschnitt „One Night in Tokyo“ entwickelt sich zügig zu einem Highlight des Sets. Der Moshpit zu „End Of The World“ geht dann auch eher als Ausdruck der spritzigen Energie des Gigs durch. Dass hier am Ende sowohl Band als auch Fans nochmal amtlich Gas geben (Posing am Bühnenrand, Dauergrinsen auf der Bühne und u.a. fliegende T-Shirts davor) ist dann ein eindrücklicher Beweis der positiv-spritzigen Energie eines Gigs, der pure Lebensfreude repräsentiert.


18. Spiritbox Wacken Open Air 02.08.2024

Obwohl Spiritbox am Ende fünfzehn Minuten zu früh von der Bühne verschwinden und sich durch zu lange Pausen und Abgänge nach (fast) jedem Song wenig positiv hervortun, ist ihre Show musikalisch hervorragend. Der Einstieg „Cellar Door“ knallt sehr gut und zeugt von dem Potenzial, das den Songs innewohnt und sich im vertrackten „Jaded“ erstmals voll hervortut. Dass die vier Musiker trotzdem nicht in der Lage sind die riesige Bühne vollends auszufüllen, ist insofern verkraftbar, als dass Sängerin Courtney LaPlante durchaus über Charisma verfügt und top bei Stimme ist. Zwar halten sich die Ansagen in Grenzen, aber als zierliche Berserkerin weiß die Frontfrau ihre Fans zu Stücken wie dem brutalen „Angel Eyes“ oder auch dem Melancholiker „The Void“ angemessen vor sich her zu peitschen. Alle vier Musiker für sich genommen gehen auch reichlich aktiv zur Sache, allerdings kommt ein echtes Einheitsgefühl leider nur bedingt auf, zu groß scheint die Bühne und zu selten wird mit der Crowd interagiert. Allerdings entschädigt die Musik von Spiritbox zu genüge für solch kleine Patzer. Tanzbares wie „Rotoscope“ wird dabei ebenso gerne genommen, wie das großartige „Circle With Me“ oder das Bollo-Core-Machtwerk „Holy Roller“, das ordentlich Bewegung ins Publikum bringt. Am Ende wird’s mit „Hysteria“ vertrackt und doch unverschämt eingängig, ehe die Band unter angemessenem Applaus abgeht und auf einen durchaus gelungenen Gig zurückschauen darf.


19. Whitechapel Wacken Open Air 02.08.2024

Irgendwo zwischen Gewalt und Traumabewältigung prügeln sich Whitechapel an diesem Wacken Freitag durch ihr Set, das mit dem Opener „Let Me Burn“ gleich den ersten Moshpit des Gigs vom Zaun bricht. Mit sechs bespielten Alben ist die Setlist gut gemischt und gibt auch ein gutes Bild der Entwicklung der Band ab, die von stumpfem Brutalo-Deathcore wie „Ear To Ear“ bis zu vielsichtigen Brechern der Marke „A Bloodsoaked Symphony“ eine interessante Spannbreite abdeckt. Wobei die dunkel-brutalen Wurzeln des Sounds stets zu erkennen sind. Kein Wunder also, dass sich immer wieder der ein- oder andere Circle-Pit bildet, während sich Frontmann Phil Bozeman seine voluminösen Sounds aus den Stimmbändern presst. Dabei entwickelt die Musik mit der Zeit eine erstaunliche Tiefe, die sich vor allem in Stücken neueren Datums wie z.B. „Black Bear“ zeigt. Allerdings lassen sich die Musiker mit dem ein- oder anderen Abgang zwischen den Songs etwas zu sehr Zeit, sodass die Energie nicht immer konstant aufrechterhalten wird. Sehr schön ist dagegen der Umstand, dass Phil Bozeman kein Mann vieler Worte ist und die Band den Fokus auf ihre Musik legen kann. Wirklich spektakulär anzusehen ist der Gig weniger (denn T-Shirt und Jeans sind kein optisches Alleinstellungsmerkmal), aber in der Disziplin brutaler Musik spielen Whitechapel auch an diesem Tag weit vorne mit. Dass die ersten Crowdsurfer nicht lange auf sich warten lassen, verwundert daher wenig. Ebenso wenig verwundert die Energie von Bandklassikern wie „This Is Exile“, die aber auch in neueren Stücken wie dem Ohrwurm „A Bloodsoaked Symphonie“ zu finden. Dass dabei vor allem Phils Gesang ab und zu eine depressiv-leidende Note erkennen lässt, verleiht der Show nochmal ein wenig mehr Tiefe. Das Abschluss-Triple „I, Dementia“, „Our Endless War“ und „The Saw Is The Law“ bewegt schließlich noch eine ganze Menge Fans zum kollektiven Crowdsurfen oder tritt den ein- oder anderen Circle Pit los, sodass es doch noch ein wenig staubt vor der Bühne. Unterm Strich bleibt also ein gelungener Gig!


20. Unleash the Archers Wacken Open Air 02.08.2024

Es ist sehr voll vor der Headbanger/WET-Stage. Die Vancouver-Fantasy-Metaller von Unleash the Archers erfreuen sich offensichtlich einiger Beliebtheit beim Wacken-Publikum. Dass die Band um Frontfrau Brittney Slayes an diesem Abend nix anbrennen lässt und einen klasse Gig abliefert, untermauert die positive Stimmung natürlich. Mit ihrem Stil-Mix aus hartem Power Metal und manch schwermetallischem Schrei (growlen und screamen kann die Dame auch) haben Unleash the Archers das Publikum vom ersten Ton an auf ihrer Seite, was ihre Spielfreude immer weiter anzustacheln scheint. Die Dankbarkeit, die in den Ansagen der Frontfrau mitschwingt, ist daher auch mehr Herzensangelegenheit denn aufgesetzt zu wirken und sorgt dafür, dass die Fans zu Stücken wie „Ghosts in the Mist“ doch ganz gut auf Betriebstemperatur kommen. Selbiges gilt für die Musiker, die fleißig ihre Häupter schütteln und auch mal ein bisschen herumspringen (der Bassist). Ein kleines Manko ist, dass das Mikro des Gitarristen hier und da ein wenig zu leise ist, sodass seine Schreie eher dünn klingen. Aber sei’s drum, der Spielfreude der Band, sowie der Laune der Fans tut das keinen Abbruch. Da darf dann auch mal kollektiv gewunken werden, bevor sich zu thrashigem Material wie „Awakening“ die Rübe vom Leib gebangt werden kann. Dass die Stimmung die ganze Zeit über positiv kocht, scheint auf die Band überzuspringen, denn mit jedem neuen Song wird das Grinsen in den Gesichtern der Musiker breiter. Der Abschluss „Apex“ wird mit reichlich „heys“ abgefeiert und in den ruhigen Momenten ist kollektives Händeschwenken angesagt, was von der spritzigen Publikumsstimmung zeugt, die von der Spielfreude der Musiker angefacht wird. Sehr schöne Sache.


21. Insomnium Wacken Open Air 03.08.2024

Den Rausschmeißer geben dieses Jahr u.a. Insomnium, die mit ihrem melancholischen Death Metal wie gemacht für die letzte Festivalnacht sind. Ohne großes Tamtam, dafür mit sichtlichem Spaß am Tun präsentieren die Finnen Musik zwischen Aggression und Trauerweide, wobei mit „Valediction“ oder auch dem Stampfer „White Christ“ und vor allem „The Primevil Dark“ auch wirklich hitverdächtige Stücke den Weg in die Setlist finden. Die Nachtstimmung ist dabei natürlich wie gemacht für die Musik, die unaufgeregt, aber doch wirkungsvoll feilgeboten wird. Kein Wunder, dass der Platz vor der W:E:T-Stage/Headbanger-Stage recht ordentlich gefüllt ist und die Fans bereitwillig und gerne ihre Fäuste zum kollektiven „Hey“ in die Luft recken, wenn sie dazu aufgefordert werden. So bleibt am Ende ein sehr gelungener Gig, der die letzte Wacken-Nacht mit kräftiger Energie, aber doch angenehm melancholisch ausklingen lässt.


22. Crystal Viper Wacken Open Air 31.07.2024

Heavy Metal klassischer Machart eignet sich immer bestens um den Tag aufzuwerten. Dass Crystal Viper am Tag der Ladys eine hervorragende Figur abgeben, verwundert daher wenig. In stilvoller Kutte und mit reichlich Energie in Petto zieht Frontfrau/Bassistin Marta Gabriel die Fans zügig auf ihre Seite. Das Quartett strotzt vor Spielfreude und die marginale Kommunikation entpuppt sich als echter Gewinn, denn dadurch bleibt mehr Zeit einen Edelstahl-Song nach dem anderen in die Crowd zu feuern. Ohne große Schnörkel spielen sich Crystal Viper durch das Posing-1×1 des Heavy Metal, ohne dabei zu einer Sekunde aufgesetzt zu wirken. Dass zu früherer Festivalstunde eher noch zufriedenes Lauschen anstatt eskalativem Fistraising auf dem Plan des Publikums steht, stört die Show keineswegs. Denn so lassen sich Knaller wie „At the Edge of Time“ oder plakative Hymnen wie „Metal Nation“, ebenso entspannt wie störungsfrei genießen. Dass dabei große Überraschungen ausbleiben schadet nicht, denn als Heavy Metal Mittags-Brunch lassen sich Edelstahl-Knaller wie „Witch’s Mark“ umso mehr genießen, wodurch auch manch langatmiges Publikumsspielchen zügig ausgemerzt wird. Nachdem „The Last Axeman“ zum Finale seine musikalische Klinge schwingt, gehen Crystal Viper unter verdientem Applaus sichtlich zufrieden von der Bühne.


23. The Warning Wacken Open Air 31.07.2024

Das mexikanische Damentrio The Warning überzeugt am Wacken-Mittwoch mit energiegeladener Rockmusik und einer authentischen Darbietung, bei der es wenig Show bedarf. Sowohl die singende Schlagwerkerin, als auch die Gitarrenfrontfrau sind gut bei Stimme und alle drei Musikerinnen sprühen vor Spielfreude, die sich zügig aufs Publikum überträgt. Dass das im Verlauf des Sets zu einem relativ heftigen Moshpit führt, bleibt glücklicherweise das einzige Manko des Gigs, bei dem es im Grunde egal ist, welchen Song die Band anstimmt, denn die Fans sind beständig und enthusiastisch bei der Sache. So lassen sich zu „Qué Más Quieres“ erste Crowdsurfer nach vorne tragen und die „Warning“-Rufe zwischen den Songs reißen nur selten ab. Stärkster Einheizer der Show ist dabei die aus voller Kehle singende Schlagzeugerin, die aus ihrer Spielfreude keinen Hehl macht und gefühlt zu jeder Sekunde ein Grinsen im Gesicht hat. Dabei entwickeln die treibenden Rocksongs eine spritzige Energie, die ebenso ansteckt wie schön anzusehen ist. Dass dabei im Grunde an allen drei Ladys eine potenzielle Frontfrau verloren gegangen ist, lässt das Energie-Level der Show ebenso ansteigen, wie die immer wiederkehrenden „Mexiko, Mexico“-Rufe von einer nicht gerade kleinen Fangemeinde vor der Bühne zeugen. Bei „Dust to Dust“ übernimmt die Schlagzeugerin den Leadgesang und beweist gleich doppeltes Talent, das auch von dem etwas leisen Mikrofon nicht geschmälert wird. Spätestens zur Hälfte des Sets scheint das Publikum dann auch vollends aufgetaut zu sein, denn sowohl die Bewegung im Pit, als auch die klatschenden Hände mehren sich zu Songs wie dem Neuling „Six Feet Deep“ oder dem lockeren Groover „MONEY“. Dass sich zu „Sharks“ der Moshpit unangenehm weit ausdehnt, ist zwar u.a. auch der vorhergehenden Ansage geschuldet, allerdings tut das der Energie keinen Abbruch, wenn es aber doch nervt, dass die Fans ziemlich rabiat freidrehen. Dass sich die Ansagen insgesamt aber relativ in Grenzen halten, verleiht der Show eine gewisse Kompaktheit, die nach dem Finale „EVOLE“, inklusive sympathischer Bandvorstellung der Frontfrau, doch zügiger vorbei ist als anfangs gedacht. Schön war’s.


24. Cattle Decapitation, Signs Of The Swarm, 200 Stab Wounds, Vomit Forth München Backstage Werk 20.03.2024

Das erste Konzert des Jahres steht im Zeichen des Death Metal. Cattle Decapitation laden zur „Terrasite-Tour“ und haben mit Signs Of The Swarm, 200 Stab Wounds und Vomit Forth dreimal vielversprechenden Szenenachwuchs als Verstärkung dabei. War der Abend ursprünglich für die Backstage Halle anberaumt, finden die Shows jetzt im größeren Werk statt, was grundsätzlich schön ist, denn es spricht für die Szenerelevanz von Live-Konzerten. Allerdings ist die Venue zum Start von Vomit Forth nicht einmal halb voll. Wer den Weg aber auf sich genommen hat, bekommt eine gute halbe Stunde Metzel-Death Metal um die Ohren gehauen. Zwar scheiden sich an manchem Krümelmonster/Klospül-Laut des Sängers die Geister, aber wenn sie ballern soll, dann ballert die Chose. Vor allem wenn nicht stur aufs Gaspedal getreten wird, drückt die Musik ganz schön in der Magengrube. Dass am Ende trotzdem wenig von dem Gig hängen bleibt, ist zwar schade, aber als positiv-asoziale Stress-Therapie ist der Start in den Abend durchaus gelungen. Die ersten Laute des 200 Stab Wounds-Gigs klingen als würde jemand ins Mikrofon kotzen oder leidvoll und elendig krepieren. Keine schlechten Vorzeichen für ein Death Metal-Konzert. Dass der Stoff der Amis ab und an auch mit der ein- oder anderen Hardcore-Referenz liebäugelt, oder gerne mal mit angezogener Handbremse losrödelt verleiht der Show eine Menge Potenzial für Bewegung, die in Form von einigen Pits oder Stagedivern auch nicht lange auf sich warten lässt. Mittlerweile ist auch einiges los in der Halle, wenn auch das Konzert bei weitem nicht ausverkauft ist. Die gute halbe Stunde Spielzeit verfliegt im Nullkommanix, was sicher auch an der positiv-spritzigen Energie der Band liegt, die auf die Fans überzuschwappen scheint. Während des Umbaus für Signs Of The Swarm tönen Electro- und Goa-Sounds aus der Hallenanlage und passen überraschend gut zur Stimmung, die das mit Insektenflügeln stilisierte Logo-Backdrop der Band erzeugt. Diese Stimmung wird zwar von nerviger Popmusik erstmal wieder zerhauen, aber mit ihrer folgenden Deathcore-Kelle gewinnen Signs Of The Swarm die Herzen der angereisten Düster-Brutalo-Fangemeinde doch zügig. Da verwundern die folgenden Moshpits kaum. Nervig sind sie trotzdem. Dem kann aber der Sänger ein sympathisches Zeichen entgegensetzen, denn bei aller Brutalität die der Mann aus seiner Stimme herausschält, lässt er sich auch mal zu dem ein- oder anderen Lächeln hinreißen. Musikalisch gibt’s für Deathcore-Freunde eh nix auszusetzen. Mit fetten Breakdowns, psychopatischer Atmosphäre und einer leicht horroresken Schlagseite, die u.a. der Lightshow geschuldet ist, reißt die Band die Halle ab und ballert einen Knaller nach dem anderen in die Magengruben der Anwesenden. Einziges Manko des Gigs: Ein, zwei Songs mehr hätten schon noch drin sein können, denn das Ende kommt sehr abrupt. Umso ärgerlicher ist es da, dass sich Cattle Decapitation im Anschluss ganz schön lange bitten lassen. Dafür wirkt der Einstieg mit dem aktuellen „Terrasite“ umso gelungener, bereitet er doch perfekt auf das folgende Finster-Grind-Death Metal-Inferno vor. Da ist Eskalation irgendwie vorprogrammiert und so lassen die ersten Crowdsurfer nicht lange auf sich warten. Vielleicht wird die Crowd auch durch die leicht psychopatische Aura des Frontmanns zusätzlich angestachelt. Allerdings fällt mit der Zeit auf, dass bis auf das mächtige „Terrasite“, das epische „Pacific Rim“ und das Massaker „Bring Back the Plague“ viele der Stücke auf Dauer etwas in Eintönigkeit verloren gehen. Sicherlich ist die Show immer noch eine Grind-Death Metal Lehrstunde, aber die beklemmende Stimmung die z.B. ein Album wie „Death Atlas“ als Ganzes zu erzeugen weiß, kommt in der Live-Situation heute nur bedingt rüber. Dadurch zieht sich der Gig an mancher Stelle etwas in die Länge, was aber viele Fans augenscheinlich anders sehen, denn die Crowd ist belebt wie eh und je. Nach der knappen Verabschiedung bleibt der Eindruck hier ein solide, aber bis auf zwei, drei Ausnahmen, wenig zwingende Death Metal/Grindcore-Apokalypse überlebt zu haben, die zwar Spaß gemacht hat, aber leider ein wenig hinter den Erwartungen zurückbleibt. Unterm Strich ist der Einstieg in das Konzertjahr 2024 aber durchaus gelungen.


25. Unantastbar, Willkuer München Zenith 10.05.2024

Unantastbar laden zur „20 Jahre LAUT“-Tournee und bringen ihre Freunde von Willkuer als Support mit. Das Zenith füllt sich schnell und mit Musik von Five Finger Death Punch, AC/DC oder Green Day wird die Halle auch gleich passend beschallt. Die Crowd ist auffallend durchwachsen und repräsentiert das verbindende Element von Punkrock eindrücklich, denn vom Kind mit Micky Mouse-Ohrschützern bis zum Rock n‘ Roll-Opa ist alles dabei. Willkuer eröffnen den Abend mit prototypischem Deutsch(punk)rock. Die einfache Sprache kommt sehr gut an, genauso wie der umschwängliche Dank des Frontmanns, der vom ersten Song an nichts als Liebe für die Münchner Fans übrig hat. Zwar exerziert die Band das 08/15-Themenrezept ihres Genres ziemlich vorhersehbar durch (Themen wie Freundschaft, Alkoholkonsum und Fußball stehen auf dem Programm), aber dafür sind die Fans schließlich angereist. Daher verwundert es wenig, dass Stücke wie die Bandhymne „Willkuer“ oder der Ohrwurm „Heimspiel“ (Highlight) energisch abgefeiert werden. Leider klingt der Gesang in den tiefen Tonlagen etwas breiig, was der Stimmung in der Halle aber wenig schadet. Die Ballade „Die besten sterben nie“ klingt zwar sehr deutlich vom Sound der Böhsen Onkelz inspiriert, was aber nichts daran ändert, dass die Halle fleißig mitsingt. Gleiches gilt für „Keiner von euch“, mit dem die Musiker sowohl gegen die extreme Linke als auch die extreme Rechte austeilen, was den Songkontext immerhin ausgeglichen wirken lässt. Nach fünfundvierzig Minuten ist dann aber Schluss, denn Unantastbar stehen in den Startlöchern. Es wird gefühlt noch ein wenig voller und schon zum Intro singt die Halle einstimmig mit. Mit Songs wie „Gerader Weg“, „Wir sind eins“ oder „Die Hand die ich mir reichte“ haben die Musiker einige Kracher im Gepäck, die fleißig beklatscht werden. Allerdings wirkt der Sound auf Dauer immer eintöniger, sodass sich das Konzert für nicht-Die Hard-Fans ein wenig totläuft. Trotzdem bleibt die Attitüde der Band stabil und besonders Sänger Joggl ist mit seiner Nietenlederjacke und den Gesichtstattoos ein Beispiel für Punkrock-Authentizität. Da geht eine Ballade wie „Bis die Lichter verglühen“ oder ein Hit wie „Für das Leben“ (mit Gastsängerin) doch zügig unter die Haut und macht eine Menge Spaß. Auch schön: „Hoch das Glas“ wird spontan zu einem Geburtstagsständchen für Willkuers Moritz. Der kann zwar den Text nicht, darf aber als exklusiver Zuschauer auf der Bühne bleiben und feiern. Das gilt auch für die Fans, die offensichtlich eine Menge Spaß haben und auch ruhige Momente wie die Pianoballade „Gegen die Stille“ (inklusive schöner pink-weißer Lichtshow) lautstark abfeiern. Gleiches gilt für die Zugaben „Das Stadion brennt“, „Wir leben laut“ und „Für immer“. „Fackel im Sturm“ beendet die Sause als emotionale Abschlussballade, die zahlreich mitgesungen wird. Unterm Strich haben also beide Bands gut abgeliefert, wenngleich die Gesamtstimmung seltsam oberflächlich erscheint und am Ende schnell verpufft. Nett war’s trotzdem.

Dominik Maier

2 thoughts on “Live & Laut 2024”

  1. Watain, Behemoth, Amon Amarth, Architects… die Highlights des W:O:A 2024…. und viele andere große Bands haben mir viel gegeben beim W:O:A 2024. Watain war für mich das größte Konzerterlebnis…. der Wahnsinn. Die Konzertberichte des Dominik wieder einmal sehr lehrreich und großartig geschrieben…. Danke Dominik. Rock on!

    1. Hallo Rainer,

      vielen Dank für die Blumen. Ja, das war wieder ein großartiges W:O:A und es freut mich, wenn meine Berichte das Gefühl der Konzerte wiedergeben können.

      Bis bald und Rock on!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert