Da Live-Musik nach wie vor von unschätzbarem Wert für die Szene allgemein, aber eben auch für die Fans im Speziellen ist, habe ich dieses Jahr noch ein paar mehr Auftritte Revue passieren als in der Vergangenheit. Ein Ranking wäre eigentlich auch überflüssig, denn wirkliche Reinfälle gab es keine, aber es gab doch ein paar spezielle Momente, die eine dementsprechende Anordnung rechtfertigen.
1. Architects, Northlane, Sleep Token München Zenit 09.01.2023
Was für ein Auftakt für das Konzertjahr 2023! Die Architects ziehen ihre, aufgrund bekannter Umstände verschobene, Deutschlandtour durch und haben mit Northlane und Sleep Token durchaus interessante Gäste mitgebracht. Letztere eröffnen den Abend als uniform maskierte Bande, die einen etwas außerweltlichen Touch mitbringt. Musikalisch gibt’s eine Mischung aus souligem Gesang und modernem Metal bzw. Rock auf die Ohren. Alle Musiker sind uniform maskiert und in schwarze Kapuzengewänder gehüllt. Der Sound ist top und auch die Lightshow kann sich sehen lassen, passt sie doch hervorragend zur Präsentation der Musiker. Zwar ist die Frontfigur zweifellos der Fixpunkt der Show, was durch diverse ekstatische Zuckungen und vor allem die Lightshow unterstrichen wird, aber der eigentliche Gewinner ist die Musik, die nicht wirklich kategorisierbar ist und dadurch vielleicht etwas für alle Anwesenden zu bieten hat. Das würde auf alle Fälle die frenetischen Reaktionen vieler Fans heute Abend erklären. Guter Einstieg! Zu Northlane wird’s danach richtig voll und die Fans drücken ungeduldig nach vorne, was doch ein wenig nervt, aber naja. Als die Band mit „Clarity“ in ihr Set einsteigt, scheint sich auch eine Menge Energie in der Crowd Bahn zu brechen, denn die erste Wall of Death lässt nicht lange auf sich warten. Aktionen dieser Art und die ausartenden Pits trüben den Gig leider merklich, denn ständig läuft man als Unbeteiligter Gefahr eben nicht mehr ganz so unbeteiligt zu sein. Erschwerend kommt hinzu, dass der Sound, so klar er aus der PA dröhnt, doch etwas leise ist. Und ein weiterer (persönlicher) Kritikpunkt: Die Songs wirken mit zunehmender Spielzeit irgendwie beliebig. Wirklich zwingende Momente sind leider Mangelware und erkennbare Melodien, die hängen bleiben wollen, sind auch nur marginal vorhanden. Angesichts der Ausmaße des Pits sieht das die Mehrheit der Anwesenden aber anders, sodass auch hier von einem gelungenen Gig die Rede sein darf. Dass die Architects anschließend aber doch in einer ganz anderen Liga spielen, zeigt sich nicht nur daran, dass die elektronischen Backdrops mit allerlei Visuals bespielt werden, sondern auch an der Energie, die durch die Halle flutet. Mit „Black Lungs“, „Modern Misery“ und „be very afraid“ liefert die Band gleich zu Beginn einen Rundumschlag durch ihre letzten drei Alben, der den Laden ordentlich zum kochen bringt. Das bedeutet leider auch, dass die Fans zeitweise heftig eskalieren und sich einige große Moshpits bilden, vor denen doch immer wieder mal der Fluchtmodus angesagt ist. Naja, dafür ist alles andere an diesem Konzert einsame Spitze! Eigentlich kaum verwunderlich, denn Songs wie „Tear Gas“, der geniale Brecher „Impermanence“ (dieser Fanchor!) oder auch das fantastische „Discourse is Dead“ krachen nicht nur bei bestem Sound aus der Hallenanlage, auch die Lightshow ist wahrlich eine Schau. Gleiches gilt für Sam Carters Ansagen: Der Mann hat stets was zu sagen und betont u.a. die Wichtigkeit von psychischer Gesundheit und fordert die Betroffenen dazu auf sich Hilfe zu suchen: Hilfe ist keine Schwäche! Solche Worte mögen immer mal wie Floskeln wirken, aber deswegen werden sie nicht weniger wahr, dementsprechend euphorisch fällt der Applaus aus. Wirkliche Highlights aus dem Set heraus zu picken fällt schwer, weil die Band sich keinen einzigen Patzer erlaubt und eine gigantische Live-Vollbedienung abliefert. Ein besonderer Moment ist aber doch das kleine Akustik-Set, bei dem ein Snipped von „Memento Mori“ und u.a. „A wasted Hymn“ als reduzierte Versionen an Akustikgitarre und Gesang dargeboten wird. Dass da die eine oder andere Gänsehaut nicht ausbleibt, ist klar. Dass die aber im Anschluss direkt nochmal getoppt wird, machen die ersten Töne von „Hereafter“ deutlich: Was für ein Fanchor! Die Emotionalität des Songs scheint direkt von der Bühne zu fließen, ganz stark! „Doomsday“ macht dann erstmal den Sack zu und die Band verschwindet unter tosendem Applaus von der Bühne. Leider lässt sie sich im Anschluss auch eine gefühlte Ewigkeit bitten, bis „Nihilist“ den schweißtreibenden Schlussakt einläutet. Zu „when we were young“ nimmt der Pit dann leider nochmal Ausmaße an, die eher wenig spaßig sind. Der Klasse des Songs tut das aber keinen Abbruch und „Animals“ ist das abschließende Sahnetopping dieses Konzertabends! Diese Fanchöre! Diese Energie! Dieses Feeling! Hier brechen sich die letzten Kraftreserven aller Anwesenden Bahn und veredeln einen hammermäßigen Konzertabend und eine zweistündige Architects Show bestens.
2. Amorphis Wacken Open Air 03.08.2023
Amorphis bei Nacht. Was soll man da anderes dazu schreiben, als dass diese Umstände eine erhebliche Erwartungshaltung schüren, der die Finnen aber mit Leichtigkeit gerecht werden. Musikalisch ist die Band eh mit allen Wassern gewaschen und so stellt sich vor dem Gig nur die Frage in welchen Superlativen Amorphis diesmal unterwegs sein werden. Fünf LED-Aufsteller sorgen für die passende optische Inszenierung und tauchen die Bühne in verschiedene Bilder die von nordischer Motivik über orientalische Feuerinszenierungen bis hin zu gleißender Helligkeit alles abdecken und die entsprechenden Songs passend untermauern. Bei bestem Sound knallen die Finnen Songs wie „Northwards“, „Bad Blood“ und „The Four Wise Ones“ in die Menge, die vor Verzückung immer ekstatischer reagiert und mit jedem Song mehr und mehr in der speziellen Atmosphäre aus nordischer Kälte, musikalischer Perfektion und orientalisch/folkloristisch angehauchter Stimmung versinkt. „The Moon“ wird mit der ersten dankbaren Ansage von Tomi Joutsen eingeleitet, ehe „Into Hiding“ und „Black Winter Day“die Zeit zurück in die 90er Jahre Death Metal-Anfänge der Band drehen. Mittlerweile fällt aber auf, dass es völlig egal ist welche Songs die Finnen anstimmen, die Fans feiern jegliches Material (berechtigterweise) frenetisch ab. Angesichts dessen könnten Skeptiker auch von einem überraschungsarmen Gig sprechen, allerdings müsste eben diesen Stimmen die Zunge im Hals stecken bleiben, denn Amorphis lassen einmal mehr absolut nichts anbrennen. Ein Song wie „Silver Bride“ schallt lautstark aus dem Infield wider und genauso wie er ein monströser Sänger ist, so hat Tomi Joutsen die Meute vom ersten Ton an im Griff und muss nicht lange um klatschende Hände bitten („Wrong Direction“). Müsste ein Höhepunkt aus diesem mit Knallern gespickten Set herausgegriffen werden, dann wäre aber wohl der reguläre Abschluss „House Of Sleep“ mal wieder ein passender Kandidat (zumindest was die Sangeskraft der Fans angeht), der auch nicht von der Zugabe „The Bee“ ausgestochen wird. Wobei doch gerade dieser Song in puncto Lightshow mit das eindrücklichste Spektakel bietet. Es bleibt dabei: Amorphis sind live wie auf Platte eine Bank!
3. Wardruna Wacken Open Air 04.08.2023
Wardruna überraschen in der Nacht des Wacken Freitags mit einer andächtigen Nordic Folk Darbietung, die letzten Endes an emotionaler Tiefe ihresgleichen sucht. Das beginnt bei der bombastischen Inszenierung, die das Bühnenbild in weiße Laken hüllt und endet bei der epochalen Musik, die eine meterdicke Gänsehaut erzeugt und den Geist der alten nordischen Sagen und Götter nahbar auf das Infield verfrachtet. Dass Einar „Kvitrafn“ Selvik und seine Mitmusiker alles andere als Spaßmusiker sind und ihr gesamtes Herzblut in ihre Musik und das Erbe der alten nordischen Kultur stecken, ist vom ersten Ton an zu spüren. Und so ist vor der Bühne eher andächtiges Lauschen und Staunen angesagt, anstelle des üblichen metallischen Unterhaltungsprograms. Das ist eine willkommene Abwechslung, die einmal mehr beweist, dass die Metalszene zu den stilistisch offensten Sparten der Kulturlandschaft zählt. Natürlich sind auch die Lightshow und die Bühneninszenierung für das Gesamterlebnis Wardruna wichtig und so beeindrucken die Schattenspiele der Musikersilhouetten, die über den weißen Stoff der Bühnenrückseite tanzen mit jedem Song mehr, während sich die Anwesenden von den apathisch-rituellen Klängen des Nordic-Folk hin zu alten Göttersagen und den Geschichten und Sagen der alten nordischen Kulte tragen lassen. Tatsächlich gelingt es der Band den rituellen Aspekt ihrer Musik vom ersten Ton an glaubhaft auf die Bühne zu zaubern, wodurch nach und nach sowas wie eine großangelegte Trance entsteht, die lediglich vom Applaus zwischen den Songs und dem abschließenden Beifall unterbrochen wird. Was bleibt ist ein beeindruckendes Konzert, das für viele Anwesende zu den Überraschungen des Festivals zählen dürfte.
4. Der W Wacken Open Air 05.08.2023
Wenn der Weidner ruft ist die Gefolgschaft auch in Wacken zahlreich am Start, denn vor der W:E:T/Headbanger-Stage ist es proppenvoll. Der W ist schließlich eine Institution in der deutschen Musiklandschaft und feiert heute Konzert Nr. 150, wie Stephan Weidner vor „Der Berg bewegt sich nicht“ verlauten lässt. Von mangelnder Bewegung auf der Bühne kann genauso wenig die Rede sein, wie von mangelnder Spielfreude oder Sympathie, denn Der W und seine Band versetzen die Fans und sich selbst für etwas mehr als eine Stunde in einen Endorphinrausch, vorausgesetzt die Onkelz und Weidner selbst sind dem Anwesenden ein Begriff. Denn wie sagt doch ein Nebenmann zwischen den Songs: „Das ist ein Onkel und bleibt ein Onkel.“ Und mindestens in puncto Bühnenpräsenz muss das so unterschrieben werden. Denn die gewisse Aura, die Weidner mittlerweile umgibt, macht sich zügig auf der Bühne breit. Darüber hinaus sind es aber vor allem die Songs die überzeugen. Natürlich liegt der Fokus des Sets auf rockigem Material des Frankfurters, aber mit „Kafkas Träume“ und „Schatten“ finden sich auch zwei bedächtigere Stücke in der Mitte des Sets und tauchen die Fans in akustische Melancholie, wie sie in dieser Form eben nur von Stephan Weidner kommen kann. Dementsprechend euphorisch fällt der Applaus zwischen den Songs aus. Allerdings gestalten die Musiker ihr Set angenehm kompakt und lassen in Ermangelung zu langer Pausen kaum Trägheit aufkommen. Dadurch kommen Stücke wie „Mordballaden“ oder das punkige „Machsmaulauf“ bestens an und wenigstens die Refrains sämtlicher Songs schallen lautstark aus dem Publikum wider. Dass Der W aber auch ein Familienmensch ist, zeigt er als stolzer Papa im Song „Mehr!“, für den er seinen Sohn Elvis Weidner an die Gitarre bittet. Klar, dass es da lauten (und verdienten) Applaus gibt. Der „Geschichtenhasser“ und „Gewinnen kann jeder“ beenden das verregnete Set schließlich als standesgemäßer Paukenschlag und mit positiver Energie. Wunderbar!
5. Uada, Afsky München Backstage Halle 27.03.2023
Wochenstart hin oder her, wenn die Black Metal-Hoffnungsträger Uada über den großen Teich ins kleine Backstage kommen besteht Anwesenheitspflicht für die örtliche Schwarzmetallgemeinde. Mit Afsky steht außerdem ebenso ansprechender Support auf dem Plan. Da ist es doch ein wenig schade, dass sich die Halle eher zögerlich füllt. Wer aber an diesem Abend nicht mit von der Partie ist, verpasst was. Zwei Holzaufsteller, auf denen lodernde Fackeln umherzüngeln, sorgen für ein waldiges Feeling, das von dem akustischen Intro nochmal verstärkt wird. Und diese andächtige Stimmung zieht sich wie ein roter Faden durch den Gig der Dänen. Da funktioniert es auch gut, dass die Bühne beinahe durchgehend in einen dicken Nebelschleier gehüllt wird, welcher die Musiker beinahe verschluckt. Das verstärkt aber die eklektisch-meditative Stimmung der Songs, wodurch das Backstage nah dran ist, in einer Art Trance zu versinken. Mit einer knappen Stunde Spielzeit wird den Herren auch eine passable Spielzeit zugestanden, die sie zu nutzen wissen. Auch der Sound ist top, sodass die diversen melodischen Feinheiten sehr schön zur Geltung kommen. Am Ende gehen Afsky unter verdientem Applaus von der Bühne und machen Platz für Uada. Die kommen schon zum Umbau in ihre Kapuzen gehüllt auf die Bühne und drapieren u.a. die Galaxie ihres „Djinn“-Cover-Artworks neben dem Drumraiser. Dahinter prangt auf dem Backdrop eine mystische, mehrarmige „Djinn“-Figur, die den Charakter der Musik, aber auch der Band sehr gut unterstreicht. Mit dem Titeltrack ihres besagten Albums gehen die Amis dann gleich in die Vollen und schwören das Backstage auf eine außerweltliche Reise ein. Der Sound ist gut und einigermaßen differenziert, sodass die Nuancen der Gitarrenmelodien, wie auch der pumpende Bass bestens zur Geltung kommen. Gleiches gilt für den Schlagwerker, der an sich einen tadellosen Job macht, allerdings will sein Werkzeug heute nicht so wie er. Hier hält mal ein Becken nicht richtig, dann fällt ein Abnahmemikro um…aber all das hält die Band kaum auf und sie zockt sich durch einen mehr als starken Gig. Mit „Djinn“, „The Great Mirage“ und „In the Abscence of Matter“ liegt der Fokus der Setlist klar auf dem aktuellen Album, das sich auch live als echtes Schmankerl herausstellt. Die Melodien kommen bestens zur Geltung und flirren regelrecht durch die Halle, genauso wie der Gesang 1a aus der Kehle der Frontkapuze schallt. Da ist es doch etwas schade, dass die Chose bereits nach einer Stunde Spielzeit wieder vorbei ist. Denn nach diesem famosen Gastspiel wäre der Hunger nach mehr doch noch vorhanden gewesen (und auch die Songs der Band sind noch nicht ausgeschöpft). Als aber nach einem knappen „Thank you, Munich“ die Hallenlichter wieder aufleuchten, bleibt zwar der Eindruck hier ein geniales Konzert erlebt zu haben, aber eben auch der Beigeschmack, dass doch noch zwei, drei Nummern mehr drin sein hätten können. Trotzdem: Unter musikalischen, wie auch stimmungstechnischen Gesichtspunkten haben sowohl Uada als auch Afsky an diesem Abend alles richtig gemacht.
6. Heaven Shall Burn Wacken Open Air 05.08.2023
Eine akrobatische Hebefigur, bei der vier starke Arme eine Dame kopfüber in die Luft heben. Das gibt’s auch nicht alle Tage. Aber es ist doch ein repräsentatives Bild für den Abriss den Heaven Shall Burn als Headliner am letzten Wacken-Tag abliefern. Das geht schon bei den ersten Tönen des Openers „Endzeit“ los und die Energie findet erst ihr Ende als die letzten Töne des (wie immer tausendfach gesungenen) Covers des Blind Guardian-Klassikers „Valhalla“ verklungen sind. Dazwischen wird er Titel „Übermacht“ zum Konzertmotto dieser HSB-Show. Kleine Brötchen waren eh noch nie das Ding der Band, aber der Bühnenaufbau mit diversen Screens kann sich mehr als sehen lassen. Das gilt auch für die Action die im Publikum abgeht. Der Matsch genehmigt den diversen Pits zwar weniger Umdrehungen als gewohnt, aber das Wettrennen um den FOH-Turm zu „Behind a Wall of Silence“, findet doch zahlreiche Mitstreiter, die sich durch die Matsche kämpfen. Das Edge Of Sanity-Cover „Black Tears“ ist euch diesmal wieder ein Stimmungsgarant und lässt die Zahl der Crowdsurfer doch etwas anwachsen, genauso wie der Refrain tausendfach aus der Crowd widerhallt. Und wenn sie schon die Möglichkeit haben fackeln Heaven Shall Burn mal eben die Bühne ab, oder wenigstens versuchen sie es, den die Armada an Pyros die immer wieder gen Himmel gefeuert wird ist doch weniger romantisches Lagerfeuer als vielmehr Inferno. Aber dadurch ist die Show auch Augen- und Ohrenschmaus und sorgt sogar für aufeinander stehende Crowdsurfer. Mit sechs gespielten Songs liegt der Fokus auf dem aktuellen Werk „Of Truth & Sacrifice“, was sich keinesfalls als schlechter Schachzug herausstellt, wobei die gröbsten Aktionen der Crowd wohl zu „Voice of the Voiceless“ aufkommen (Wall Of Death, Crowdsurfer und ein stetig wachsender Circle-Pit). Das langsam schwindende Tageslicht ist dem Gig natürlich ebenso zuträglich, wie die lobenden Worte an die Grabenschlampen vor „Godiva“, welche die Crowdsurfer wohl zusätzlich motivieren. Das ist an dem Gig auch das einzige Haar in der Suppe, denn es macht schlicht wenig Spaß sich gegen verschlammte Stiefel verteidigen zu müssen. Davon abgesehen ist die Show ein absolutes Sahne-Konzert, an dem es so gut wie nix zu meckern gibt. Die mehrteiligen Screens untermahlen werden in sämtlichen Songs mit eindrücklichen Visuals bespielt und die Lightshow ist gewohnt „over the top“. „Combat“ verwandelt das Infield in ein Händemeer und nachdem das bereits erwähnte „Valhalla“ nochmal alle Kraftreserven der Fans fordert, gehen Heaven Shall Burn als einer der Sieger des Festivals unter tosendem Applaus von der Bühne.
7. Katatonia, Solstafir, Som München Backstage Werk 01.02.2023
Katatonia und Solstafir auf gemeinsamer Headliner-Tour. Dem Versprechen eines melancholischen Qualitätsabends muss natürlich nachgekommen werden und so findet sich der Redakteur an diesem ersten Februarabend im Münchner Backstage ein. Den Anheizer geben auf dieser Tour die Amerikaner von Som, die wohl riesige Fans von Bands wie Alcest zu sein scheinen. Denn der Sound entwickelt eine ähnlich meditative Stimmung wie ihn die französischen Pioniere in Perfektion darbieten. Im Hinblick auf die Headliner erweist sich die Band als sehr gut gewählter Einstieg in den Abend. Fast wirkt es so, als würde hier ein einziger, langer Song die Halle in einen intimen Schwebezustand versetzten. Daran ist natürlich auch die Lightshow nicht ganz unschuldig, die in monoton-kühlen Farben den perfekten Rahmen für die Musik schafft. Nach etwa einer halben Stunde ist zwar auch schon wieder Schluss, aber das Feld für die beiden Headliner wurde würdig bereitet. Dementsprechend verdient ist auch der Applaus den Som ernten. Was Solstafir im Anschluss abziehen lässt sich mit einem Wort kurz und knapp als grandios zusammenfassen. Ausführlicher beschrieben läuft der Abend wie folgt: Schon vom Opener „Náttmál“ weg fluten die Emotionen durch die Halle. Dass dabei jeder einzelne Musiker eine ganz eigene Aura ausstrahlt und die Band in perfekter Symbiose zu sein scheint, lässt die differenzierte Musik nur noch größer erscheinen. Der leicht süffisante Unterton, der in der einen oder anderen Ansage des Frontmanns mitschwingt, erweckt dann immer wieder den Eindruck von Bodenständigkeit, was der musikalischen Perfektion einen angenehmen Schliff Menschlichkeit einhaucht. Eine ähnliche Wirkung trifft auch auf den Bassist zu. Der Mann wirkt mit Sonnenbrille und Hut wie die Coolness in Person, was ihm offensichtlich auch bewusst ist. Sehr schön ist aber auch, dass hier wirklich jeder Musiker sein Herz zu geben scheint. Egal ob Großartigkeiten wie das fast depressive „Köld“ oder schwarzmetallische Heftigkeiten der Marke „Bloodsoaked Velvet“: Solstafir agieren derart on point und gehen dabei sichtlich in ihrer eigenen Musik auf, dass hier Kritik schlicht fehl am Platz wäre. Das unangefochtene Highlight des Sets ist (wenig verwunderlich) die Ewigkeitshymne der lieblich-schmerzlichen Melancholie: „Fjara“. Was hier an Gefühlen von der Bühne schwappt ist schlicht unvergleichlich. Genauso unvergleichlich sind aber auch die sympathischen und gerne auch witzigen Ansagen zwischen den Songs, die immer wieder für ein wenig Luft und Spaß sorgen. Der abschließende Applaus ist dementsprechend mehr als verdient. Für Katatonia werden im Anschluss, zusätzlich zum Backdrop, zwei seitliche Aufsteller im Stil des aktuellen Albums „Sky Void of Stars“ platziert. Die Optik passt also. Ganz im Gegensatz zum Sound, denn das was da anfangs aus den Boxen tönt ist leider kaum mehr als höhenlastiges Dröhnen. Das ist gleich doppelt schade, denn die Band legt mit „Austerity“ „Colossal Shade“ und „Lethean“ einen Einstieg hin der, rein musikalisch, mit allen Wassern gewaschen ist. Glücklicherweise bessert sich der Sound immer mehr und so erklingen aktuelle Knaller wie „Birds“, Großartigkeiten der Marke „Behind the Blood“ (eines von einigen Highlights) oder auch älterer Stoff wie tendenziell hartwurstiges à la „Forsaker“ doch noch in dem Soundgewand das ihnen zusteht. So perfekt die Songs an sich aber sind, ein kleines Haar schwimmt leider die komplette Zeit über in der Konzertsuppe: Die Lightshow, bzw. die extrem grellen Scheinwerfer, die recht penetrant ins Publikum gerichtet sind. Das mag einerseits zur Musik passen, andererseits birgt es das Problem, dass ein nicht unerheblicher Teil der Fans nur noch die Hälfte sieht, was dem Konzertgenuss in Gänze eher nicht zuträglich ist. Die Musik macht das natürlich ein Stück weit vergessen, denn zu Klängen wie „Opaline“ oder dem fantastischen „Atrium“ wird die Tränendrüse doch eher durch emotionale Verzückung gereizt, was auch den Applaus nach „Untrodden“ mehr als angemessen macht. Das ganz dicke Brett bohren Katatonia aber erst mit ihren Zugaben: „July“ ist ein harter Melancholik-Jahrhundertklassiker, der dementsprechend euphorisch abgefeiert wird und mit „Evidence“ treten die Schweden am Ende doch den endgültigen Beweis an, dass sie eben doch ein verdienter Headliner sind. Da dürfen sie sich auch über den Fanzuspruch freuen und beenden den Abend mehr als würdig. Unterm Strich muss aber festgehalten werden, dass die Live-Perfektion Solstafirs heute die Kirsche auf der Konzert-Torte ist, Katatonia die mehr als schmackhafte Sahne dazu anrühren und Som der in feinstem Edeltrank getränkte Keksboden sind. Daher lautet das Fazit des Abends: Es war grandios!
8. Solstafir Wacken Open Air 04.08.2023
Solstafir bei Nacht und auf kleinerer Bühne, diese Kombination schürt eine gewisse Erwartungshaltung, denn die emotionale Tiefe, welche die vier Isländer mit ihrer Musik erschaffen, sucht nach wie vor ihresgleichen. Die Spielzeit von einer Stunde schafft auch „nur“ Platz für sechs Songs, von denen aber jeder einzelne ein Volltreffer ist. Allerdings wirkt das Konzert eher wie eine einzige emotionale Katharsis, denn die Stimmung der einzelnen Songs geht nahtlos ineinander über, obwohl zwischendurch fleißig applaudiert wird. Mit der ersten Ansage an das Publikum beweist Frontmann Aðalbjörn Tryggvason außerdem einmal mehr kauzigen Humor, denn die Frage ob die Band denn weiterspielen solle erübrigt sich angesichts des vollen Platzes vor der Bühne. „Þín Orð“ und vor allem der Ewigkeitshit „Fjara“ sorgen im Anschluss für zentimeterdicke Gänsehaut, die natürlich auch durch den exzellenten Timeslot der Band begünstigt wird, denn in puncto Stimmung und Lightshow sind Solstafir eine Nachtband. Der Aktivposten der Show ist, wie so oft, der sonnenbebrillte Bassist, der mit Hut und hüftlangen Rothaarzöpfen die Coolness in Person abgibt. Der emotionale Höhepunkt der an ergreifenden Momenten nicht armen Show ist aber auch diesmal „Fjara“. Dieses andächtige Kleinod musikalischer Kunst bündelt nach wie vor das gesamte emotionale Spannungsfeld für das Solstafir stehen: Ruhe, ergreifende Melodien, tiefsitzende Melancholie mit reichlich Schmerzpotenzial und doch eine alles überstrahlende Schönheit, wie sie in dieser Form aktuell kaum eine andere Band hinbekommt. Die oftmals fließenden Übergänge zwischen den Songs lassen den Gig außerdem angenehm kompakt wirken, sodass sich das Traumpotenzial der Musik immer mehr im Publikum ausbreitet, daran kann selbst die überaus agile Performance des Frontmanns nichts ändern. Vor dem ergreifenden Abschlussmonument „Fjara“ stellt der Frontmann mit reichlich Spaß in den Backen seine Mitmusiker vor ehe die `romantische Liebesballade` „Goddess of the Ages“ das Set beschließt. Dass der Sänger außerdem auf Tuchfühlung mit den Fans geht und von der Bühne auf den Wellenbrecher vor der Crowd klettert zeigt, dass Solstafir nach wie vor Wert auf Fannähe legen und trotz allem musikalischen Ernst mit Spaß und Leidenschaft bei der Sache sind.
9. Iron Maiden Wacken Open Air 04.08.2023
Unabhängig davon ob der Sound im hinteren Teil des Infields schlecht ist (wie einige Besucher nach dem Konzert berichten), mindestens bis zum FOH-Turm klingen Iron Maiden bombastisch und werden ihrer Headliner-Rolle mal wieder gerecht. Das Motto der „The Future Past“-Tour setzt den Fokus auf zwei Alben zwischen denen eine Menge Zeit vergangen ist, die sich aber doch ungemein gut miteinander vereinen lassen: Der Klassiker „Somewhere in Time“ von 1986 und das aktuelle Album „Senjutsu“ von 2021. Das hat zur Folge, dass Bandmaskottchen Eddie u.a. als Samurai durch eine Weltraumlandschaft tänzelt, und dass sich die ersten fünf Titel der Setlist ausschließlich auf diese beiden Alben konzentrieren. Da Iron Maiden aber auf einen nicht gerade kleinen Backkatalog voller Hits zurückgreifen können, verwundert es nicht, dass schon zu „Caught Somewhere in Time“ die Fanchöre (zumindest im vorderen Teil des Publikums) eine beachtliche Lautstärke entwickeln. Je nach persönlichem Geschmack mögen einem die Klassiker eher zusagen als die ausladenden Kompositionen der letzten Alben, aber selbst der größte Skeptiker muss doch anerkennen, dass Iron Maiden auch mit ihren Longtracks eine eindrückliche Stimmung erschaffen, die gerade live für eine gehörige Gänsehaut sorgt. Bestes Beispiel dafür ist heute „Death of the Celts“, bei dem Bruce Dickinson mal wieder beweist, dass er nach wie vor einer besten Frontmänner der Szene ist. Zwischen den Songs ereist sich der Sänger zwar nach wie vor als Quasselstrippe, aber er weiß sich stets auf charmante Art und Weise auszudrücken, was seine Ausführungen eben nie langatmig macht. So sind seine Animationsversuche vor „The Time Machine“ eine spaßige Sache und der Song ist eh eine Wucht. Natürlich darf zwischendurch auch Eddies Auftritt nicht fehlen, der einmal mehr als überlebensgroßer Samurai über die Bühne stapft sich mit Bruce einige amüsante Duelle liefert. Fürs Auge ist also auch gesorgt, vor allem weil auch die Screens auf der Bühne stets in die jeweiligen Artworks der Alben getaucht werden von denen die Songs stammen. Für Gänsehautstimmung sorgen heute außerdem (mal wieder) der Ewigkeitsklassiker „Fear of the Dark“, der das Infield mit lautstarken Fangesängen erfüllt, oder das Zugabetriple „Hell on Earth“, „The Trooper“ und „Wasted Years“, nach denen der Applaus wie erwartet doch recht laut ausfällt. Dementsprechend passt das obligatorische Outro „Always Look on the bright Side of Life“ dann doch wieder sehr gut und wird von der Crowd aus vollen Kehlen mitgesungen. Am Ende bleibt festzustellen: Iron Maiden bleiben live unangreifbar!
10. Callejon, The Disaster Area München Backstage Halle 19.12.2023
Callejon holen ihre Strandurlaubtournee nach und präsentieren unter dem Motto „Club Tropicabana II X-Mas Edition“ metallisches Sommerfeeling im winterlichen München. Wenig verwunderlich also, dass die Halle recht gut gefüllt ist, denn ein halbes Jahr Konzertverschiebung schürt bekanntlich den Hunger der Fans. Bevor es aber weihnachtlich tropisch wird, stehen The Disaster Area auf dem Plan. Und zum Glück ist der Name hier kaum Programm, denn das Konzert ist alles andere als ein Reinfall. Das geht schon bei der Optik der Musiker los, die allesamt in individuell angefertigte Jeansjacken mit allerlei Verzierungen gekleidet sind, wodurch sich ein einheitlicher Bandcharakter ergibt, der aber doch jedes Mitglied als Individuum würdigt. Auch musikalisch liefern die Herren auf ganzer Linie ab, vorausgesetzt man ist modernem Metalcore mit Hang zur Melancholie nicht abgeneigt. Da der Bassmann alle Ansagen des Abends übernimmt, begnügt sich der Sänger damit durch Coolness und Sunnyboy-Charakter zu gefallen, wenn er nicht gerade zwischen Wut und Selbstvergessenheit ins Mikrofon brüllt. Diese stimmliche Gratwanderung ist letztendlich auch das Gewinnerquäntchen der Musik, die mit jedem Song mehr zu gefallen weiß. Zwar bleiben die Reaktionen der Crowd insgesamt eher verhalten, aber die ersten Pits lassen erahnen was noch folgen soll. Allerdings drückt die Umbaupause zum Headliner die Stimmung erstmal ein wenig, denn aus der Hallenanlage tönen seltsame Strandhits/Ballermann-Verschnitte, die selbst für den Humor einer Band wie Callejon etwas grenzwertig sind. Als BastiBasti und Co. dann aber mit „Porn From Spain 3“ in ihr Set einsteigen gibt es kein Halten mehr. Die Fans nehmen die Zeile „Willkommen im Pit“ mehr als wörtlich und eskalieren ungeniert, aber überraschenderweise einigermaßen human (immerhin werden am Boden liegende Zeitgenossen wieder aufgehoben…). Mit Hawaiihemd (Actionhorn), Pandaschminke (BastiBasti) und aufblasbarer Palme setzen Callejon auch optische Akzente und ballern sich durch eine interessante Setlist die zu einem großen Teil aus Covern von Künstlern wie Bausa („Was du Liebe nennst“) oder Marteria („Kids (2 Finger an den Kopf)“) besteht. Dass die Fans zu diesem Metalcore/Clubhits-Verschnitt völlig freidrehen ist einerseits spaßig, aber spätestens beim Die Ärzte-Cover „Schrei nach Liebe“ geht der Spaß ein wenig flöten, denn die Anwesenden nehmen die Anti-Nazi-Thematik des Songs (inklusive unnötiger Ansage) nur noch mehr zum Anlass auszurasten, was die eine oder andere Rippe unvermeidlich zum Ellenbogenparkplatz werden lässt. Mit „Gottficker“, „Metropolis“ und „Mary Shelly“ wird es zunächst aber düsterer und auch eine Ecke brutaler, wobei sich die Hookline-Dichte der Songs bezahlt macht. Denn hier brüllt die ganze Halle mit und tanzt kollektiv in den musikalischen Wahnsinn. Daher verwundert es kaum, dass das vorläufige Abschlusstriple „Blitzkreuz“, „Kind im Nebel“ und „Unter Tage“ die Stimmung zum überkochen bringt. Hier geht heute wirklich jede Zeile ans Herz, was dem Konzert eine gewisse kathartische Energie verleiht, die von Minute zu Minute zu Minute wächst. Der Zugabeblock fordert dann die letzten Kraftreserven des Abends, denn „Schwule Mädchen“ (Fettes Brot-Cover), die knappe Eruption „Snake Mountain“ und das unkaputtbar-asoziale „Porn from Spain 2“ bringen reichlich Pit-Action mit sich. Am Ende gehen sowohl die Band als auch die Fans ausgelaugt, hier und da leicht lädiert, aber unterm Strich zufrieden und musikalisch euphorisiert aus der Halle.
11. Kataklysm, Soilwork, Wilderun München Backstage Werk 04.03.2023
Kataklysm und Soilwork beenden den ersten Teil ihrer gemeinsamen Headlinertournee im Münchner Backstage Werk und haben mit Wilderun einen interessanten Supportgast dabei. Trotzdem hält sich der Andrang zum Einlass noch relativ in Grenzen. Nach und nach trudeln aber doch mehr und mehr Fans ein um das Wochenende gebührend einzuläuten. Für Wilderun ist im Prinzip jeder Abend eine neue Premiere, denn wie sie selbst betonen spielen die Musiker ihre allererste Deutschlandtour. Ob das der Grund für die durchweg freundlichen Ansagen ist, wird zwar nicht ersichtlich, aber mit einer Begrüßung wie „Servus München, wia geht’s eich?“ kann eigentlich nicht viel schief laufen. Im Grunde gilt das auch für die Musik, denn der luftige Progressive-Metal klingt durchweg interessant und die Musiker sind allesamt auf zack. Vor allem der Sänger meistert den Wechsel zwischen Growls und filigranem Klargesang scheinbar mühelos, allerdings wird die Musik der Band mit der Zeit doch etwas ermüdend. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das gebotene Material überwiegend doch sehr technisch daherkommt und hier und da auch etwas wirr zusammengewürfelt wirkt. Das ändert aber nichts daran, dass der Applaus am Ende doch mehr als bloßes Höflichkeitsgeplänkel ist und die Band durchaus zufrieden von der Bühne geht. Zu Soilwork wird es gefühlt nochmal etwas voller in der kleinen Arena des Backstage Werks und als die Band mit „Övergivenheten“ in ihr Set einsteigt gibt es kein halten mehr. Ob der Enthusiasmus der Fans ein zusätzlicher Ansporn für die Band ist? Zumindest ist die Songauswahl allererste Sahne und Soilwork liefern von Anfang an NUR Hits hab. Dass der ewige Dauerbrenner „Stabbing the Drama“ sogar schon an dritter Stelle in der Setlist steht, zeugt von der Klasse des Songkatalogs der Schweden und auch dass der top Sound kommt dem Material natürlich zugute. Gemessen an den Publikumsreaktionen gehen Soilwork heute auch als Gewinner des Abends von der Bühne, denn u.a. wird sogar ein sichtlich fröhliches Kind mit Mickey Maus auf den Ohren als Crowdsurfer gen Bühne getragen und darf mit Sänger Björn abklatschen. Die Setlist ist natürlich auf das aktuelle Album der Schweden zugeschnitten, wodurch die Fans in den Genuss von Brechern wie „Is it in your Darkness“ oder auch dem tanzbaren Hit „Valleys of Gloam“ kommen. Nicht nur diese beiden Songs verdeutlichen gewissermaßen die Vielseitigkeit dieser Band. Egal ob Härtner jüngeren Datums wie „The Ride Majestic“ oder Klassikerstoff wie „Bastard Chain“ und „Nerve“: Soilwork verwandeln den Laden von der ersten bis zur letzten Sekunde in ein Tollhaus und hinterlassen nach dem tollen Finale „Stålfågel“ eine sichtlich zufriedene Menge, die, gemessen an den „Zugabe“-Rufen durchaus noch Hunger auf weitere 75 Minuten Soilwork gehabt hätte. Aber mit Kataklysm wartet ja noch ein zweiter Headliner darauf das Backstage zu zerlegen. Und das gelingt auch in gewisser Weise. Schon das martialische Intro macht klar, dass erstmal Schluss mit lustig ist. Was die Fans auch wörtlich nehmen, denn schon zum Opener „Push the Venom“, dem Knüppler „Guillotine“ oder dem Brecher „Underneath the Scars“ wird der Pit sehr aktiv. Zwischendurch treten auch einige Crowdsurfer ihre kurze Reise gen Bühne an. Ein spezieller Fan fällt schließlich auch Frontmann Maurizio auf, denn der Mann steht die ganze Zeit im Pit stramm, womit er sich den Titel „Kataklysm-Soldat“, wie ihn Maurizio nennt, auch verdient hat. Die brutale Energie von Songs wie „Where the Enemy Sleeps“ oder auch der massive Groove von „The Killshot“ und „Crippled and Broken“ machen durchaus Spaß und die Fans quittieren die Songs auch mehrheitlich enthusiastisch, allerdings kommen die Kanadier heute nicht mal ansatzweise an die Klasse von Soilwork heran. Vielleicht liegt das aber daran, dass ihr Material im direkten Vergleich doch etwas stumpf wirkt. Davon abgesehen macht das Konzert aber Spaß, was sich u.a. auch in der Masse an Crowdsurfen zu „As I Slither“ oder den Fangesängen zum finalen „Blood in Heaven“ äußert. Am Ende holen Kataklysm nochmal alle beteiligten Bands für ein gemeinsames Foto auf die Bühne, was nochmal beweist, dass auch unter den Bands eine familiär-freundschaftliche Atmosphäre herrscht und das ist doch schließlich immer eine schöne Sache.
12. Fall of Man 2023, Bedouin Temple, Baxaxaxa, Fvnerals, Tabula Rasa, Fyrnask, Cntmpt, Zmyrna München Backstage Halle 30.12.2023
Neugewonnene Traditionen wollen gepflegt werden und so findet auch das Jahr 2023 seinen musikalischen Ausklang mit dem „Fall of Man“-Festival in der Backstage Halle. Sieht man mal von der missglückten Kommunikation der Veranstalter bzw. der Hallenbetreiber ab (laut Ticket soll die Halle um 16 Uhr ihre Pforten öffnen, effektiver Einlass ist aber eine halbe Stunde später), dann gelingt das auch in diesem Jahr mit Bravour. Im Vorfeld schien das Festival schon seit einiger Zeit ausverkauft, letztendlich ist die Halle über den Abend verteilt auch passabel gefüllt, aber zu den eröffnenden Zmyrna lässt noch gut ein Viertel der möglichen Gäste auf sich warten. Dem Konzert schadet das aber kaum, denn ritueller Black Metal mit sakralen Elementen ist eher weniger der Platz für allzu große Interaktionen mit dem Publikum. Die Musiker betreten in Roben gehüllt und zu sakralen Chören aus der Konserve die Bühne und zocken sich ohne große Umschweife durch ihren Black Metal melodischer Machart. Die in monotonem Rot gehaltene Lichtshow passt gut zur Atmosphäre der Songs, ebenso wie es passt, dass es den ganzen Gig über keine Ansagen gibt. Allerdings wirken die Songs nach einiger Zeit doch etwas gleichförmig, sodass sich die halbe Stunde Spielzeit als gerade angemessen herausstellt. Mit Cntmpt steht dann das erste wirklich heiße Eisen der aktuellen Schwarzszene auf dem Programm. Die Leipziger zaubern eine intensive Stimmung in die Halle, die von den flirrenden Melodien der Gitarren in Kombination mit der grell-weißen Lichtshow zusätzlich verstärkt wird. Die Musiker sind die ganze Zeit über nur schemenhaft zu erkennen, was dem Gig eine außerweltliche Atmosphäre verleiht. Hinzu kommt das meditative Heulen des Sängers, das in Kombination mit den rasenden Kompositionen einen ganz speziellen Reiz erzeugt. U.a. dank manch klassisch rockendem Element in der Gitarrenarbeit erzeugt die Musik vom ersten Ton an eine intensive Sogwirkung, die bis zum letzten Ton bestehen bleibt und auch von dem knappen Abschiedsdank des Sängers kaum unterbrochen wird. Starker Gig! Weiter geht’s mit den Kapuzenmännern von Fyrnask, die sich mit allerlei Feuerschalen, Rauchwerk und anderem Zaubergedöns in einen heftigen Rausch spielen. So wird die gekrächzte Predigt des Sängers zur sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm, denn in die flirrenden Melodien der Gitarren lässt es sich tatsächlich hervorragend ins kollektive Vergessen abtauchen, sodass der geheulte bzw. sakral anmutende Gesang tatsächlich eine meditative Stimmung in die Halle zaubert, die aber stets von den heftigen Eruptionen der Instrumentalisten aufs heftigste zerrissen wird. Dabei ist es völlig irrelevant ob hier was verstanden wird oder nicht, das dunkle Herzblut der Band, der Ernst für ihre Kunst trifft literweise von der Bühne, da dürfen die Musiker dann auch wortlos verschwinden. Hammer Gig! Die volkstümlichen Lieder mit österreichischem Dialektgesang, die während der Umbaumusik erklingen lassen darauf schließen, dass jetzt ein kleiner Ausreißer auf dem Programm steht. Die Wahnsinnigen von Tabula Rasa zocken sich mit versiffter Punkrock-Attitüde durch ihren „Raufhandelrock“ (Ansage: „Wir sind Tabula Rasa und wir spielen Raufhandelrock.“) Dabei fließt die Fuck Off-Attitüde der Musiker in Strömen und der Gig sorgt passenderweise für einiges an Eskalation in der Crowd. Allerdings ist auch zu jeder Zeit erkennbar, dass das gebotene kein Klamauk ist, im Gegenteil: Die Band strahlt eine interessante Ernsthaftigkeit aus, die im spannenden Gegensatz zu ihrer versifften Exzentrik steht. Highlights des durchweg intensiven Gigs sind der dreckige Groover „Der Wildmensch“ und der wunderbar eskalative Abschluss „Belladonna“, der mit den lautesten Widerhall in der Crowd findet. Einziger Wehmutstropfen: Der Gig ist mit etwa einer halben Stunde Spielzeit viel zu knapp bemessen. Danach zaubern Fvnerals mit ihrem hypnotischen Funeral-Doom Metal/Drone-Verschnitt eine sehr meditative Stimmung in die Halle, die von der durchgehenden schwarz/weiß-Ästhetik der Lightshow, sowie den körnigen Wasserbildern auf den Leinwänden für eine gehörige Tiefe sorgt. Dabei wirkt der Sound vor allem als Gesamtwerk und die Crowd kann sich in einem emotionalen Sog ins Vergessen wiegen. Ohne Frage ist das alles sehr gut gemacht und strahlt auch einen gewissen Reiz aus, aber nach dem der letzte Ton verklungen ist, stellt man doch fest, dass die Spielzeit von fünfzig Minuten genau richtig bemessen wurde. Denn mit der Zeit wandelt sich die musikalische Meditation doch in Richtung Ermüdung, was auch daran erkennbar ist, dass der Platz in der Halle wieder etwas lockerer scheint. Im Anschluss folgt leider die Enttäuschung des Abends, denn anstatt der eigentlich angekündigten Kringa stehen Baxaxaxa auf dem Plan und können sich trotz guter Show mitnichten als adäquater Ersatz für die Österreicher etablieren. In Roben gekleidet und mit klassischer schwarz/weiß-Schminke machen die Herren aber doch einiges her und auch die Utensilien mit denen der Sänger immer wieder herum hantiert (u.a. diverse Schädel und ein Messer) haben ihren Charme. Gleiches gilt für den Petruskreuz-Mikroständer, der das Black Metal-Klischee ein wenig überzeichnet untermauert. Dank der richtigen Portion Dreck und einer unverkennbaren Rock n‘ Roll-Attitüde bietet der Gig auch kurzweiligen Spaß und mit dem Abschlusssong „Hellfire“ hat die Band auch sowas wie einen verkappten „Hit“ im Gepäck, aber länger hätte der Gig auch nicht zwingend sein müssen. Zum Headliner Bedouin Temple heißt es dann endgültig abtauchen in eine meditative Reise musikalischer Spiritualität. Mit ihrem Drone-/Doom-Sound voller sphärischer Klangfelder sind die Headliner auch gleichzeitig ein wenig die Exoten des Billings, was der Wirkung des Gigs aber nicht schadet. Auf den Bildschirmen der Bühne flackern allerlei Visuals mit zum Albumcover passenden Farbmustern sowie dem allsehenden Auge desselben Gemäldes umher. Dabei gestaltet sich die Show als reizvolle Klangreise voll meditativem Potenzial, das sich schließlich in einem eklektisch-hypnotischen Finale entlädt. Auch sehr passend: Die Musiker wirken eher als Kollektiv, denn als einzelne Individuen, wenngleich nur die Sängerin in eine schwarze Robe gehüllt ist. Aber der filigran-hypnotische Klargesang scheint beständig durch die Halle zu schweben und sich in den monolithischen Kompositionen immer wieder zu entladen. Vor allem dann, wenn die Growls des Gitarristen zum Einsatz kommen, wirkt das Dröhnen gleichsam bedrückend, wie erhebend und entfacht dadurch einen eigenwilligen Reiz, der die Show letztendlich zu einem rauschhaften Gesamterlebnis werden lässt, das im Verbund aus Visuals, Ton und Bühnenpräsenz durchaus als würdiger Abschluss für das Fall of Man 2023 durchgeht.
13. Bullet for my Valentine, Jinjer, Atreyu München Zenit 08.02.2023
Manchem sog. waschechten Metalhead mögen Bullet for my Valentine vielleicht immer noch als eine Art Konsens-Combo mit erheblichem Fokus auf die Frauenwelt im Kopf sein. Zumindest über mangelnden Zuspruch beider Geschlechter kann sich die Band an diesem Abend nicht beschweren, das Zenit ist ausverkauft und Männlein und Weiblein sind gleichermaßen repräsentativ im Publikum vertreten, wobei der Altersdurchschnitt, gemessen an manch anderen Bands, doch mehr gen Jugend tendiert, was das Ganze wie eine Art Familientreffen wirken lässt. Über mangelnden Nachwuchs kann sich die Szene also kaum beschweren. Und auch von mangelndem Enthusiasmus kann schon bei Atreyu kaum die Rede sein. Während die Musiker optisch eher was von verkappten Punks haben, zaubern die melodischen Songs sehr schnell eine Bombenstimmung in die Halle (dass die Musiker allesamt Sympathiebolzen sind reißt etwaige Barrieren zwischen Band und Fans natürlich noch schneller ein). Schon zum zweiten Song geht der Frontmann auf Tuchfühlung mit der Crowd und auch mit der einen oder andere Ansage heimst der Sänger Pluspunkte ein. Musikalisch läuft der Motor der Band wie geschmiert und dass sich mit dem genialen „Save Us“ ein eindeutiger Höhepunkt in dem Set befindet, macht deutlich, dass die Musiker einen ganzen Sack voll potenzieller Hits in die Halle schütten könnten. Stattdessen ist nach dem punkigen Finale „Blow“ (inklusive kurzem Medley von „I wanna dance with somebody“) relativ schnell Schluss und Atreyu können das erste dicke Ausrufezeichen des Abends setzen. Das Fazit zur folgenden Show von Jinjer könnte kurz und knapp als „durchwachsen“ zusammengefasst werden. Das beginnt bei der seltsamen Beatmusik die als Intro durch die Boxen dröhnt und endet dabei, dass die Musik der Band zwar grundsätzlich immer noch interessant klingt, aber jeglichen Songs eine klare Struktur zu fehlen scheint. Natürlich ist Sängerin Tatiana Shmailyuk eine famose Rampensau, die sich auch optisch eindrucksvoll zu inszenieren weiß (heute ist sie im neongrünen Streifenoverall unterwegs) und top bei Stimme ist. Aber der krude Mix aus unrhythmischen Breaks, der dem minimalen Melodieanteil des Materials schnell den Garaus macht, wird doch sehr schnell anstrengend. Der Großteil der Anwesenden sieht das aber augenscheinlich anders, denn zu Songs wie „Copycat“, dem drückenden „Pit of Consciousness“ oder dem abschließenden Brecher „Call Me a Symbol“ ist einiges an Action im Publikum angesagt. Leider zieht sich der folgende Umbau für Bullet for my Valentine wie Kaugummi, was der Stimmung nicht gerade förderlich ist. Allerdings wird die Zeile „Let the madness begin“ aus dem Opener „Knifes“ anschließend zum Motto des Abends, denn was Band und Fans hier und heute abziehen ist groß. Das fängt beim astreinen Sound an, geht weiter über die bis in die Haarspitzen motiviert wirkenden Musiker und endet mit einer bombigen Songauswahl. „Over It“ bringt die Halle wahrlich zum beben und spätestens bei „4 Words (to Choke Upon“) rasten die Fans richtig aus. Das bedeute leider auch, dass diverse Pits und die eine oder andere Wall of Death nicht lange auf sich warten lassen, was hier und da doch für reflexartige Fluchterscheinungen sorgt. Das nervt leider immer wieder, aber der Musik und der Show tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil: Thrashiges wie „Hearts Bursts Into Fire“ oder „The Last Fight“ wird genauso frenetisch abgefeiert wie das grandios heftige „Shatter“, bei dem das musikalische Gewaltpotenzial, hier und da doch etwas zu sehr auf die Crowd überschwappt. Aber sei’s drum: Bullet for my Valentine sind heute eine absolute Macht und Matt Tuck mag in manchem Moment zwar etwas arrogant wirken, das ändert aber nichts daran, dass ihm die Fans großteils aus der Hand fressen. Gerade live fällt außerdem auf, dass die Musiker kaum wirkliche Stinker in ihrem Backkatalog haben und gegenteilig auf eine Fülle an Hits zurückgreifen können, was speziell der Singalong-Anteil von „All these things I hate (revolve around me)“ oder das absolut brachiale Gitarrenfeuerwerk „Scream Aim Fire“ eindrucksvoll unter Beweis stellen. Mit „Rainbow Veins“, „Don’t Need You“ und „Death by a thousand Cuts“ feuert die Band außerdem drei ihrer spannendsten Songs direkt nacheinander in die Menge, was den Hunger auf die Zugaben dann noch größer werden lässt. Da ist es umso ärgerlicher, dass sich die Musiker doch sehr lange bitten lassen, aber naja, die ersten Töne von „Your Betrayal“ machen das doch wieder ganz gut wett. Dass das musikalische Immergrün „Tears Don’t Fall“ die Fangesänge auf die Spitze treibt ist dagegen nicht verwunderlich und mit „Waking the Demon“ verabschieden sich Bullet for my Valentine mit einem ihrer thrashigsten Songs überhaupt von den Fans. Der abschließende Applaus ist also doch gerechtfertigt, auch wenn ohne die eine oder andere (zu) lange Pause sicher noch ein, zwei Songs mehr drin gewesen wären.
14. Lorna Shore, Rivers of Nihil, Ingested, Distant München Zenith 23.11.2023
Ursprünglich fürs Backstage anberaumt findet das Konzert der Extrem-Metal-Hypekinder Lorna Shore nun final im Münchner Zenith statt und dass die Nachfrage die aktuelle Relevanz der Truppe bestätigt zeigt sich zumindest daran, dass auch die aktuelle Location nahezu ausverkauft ist. Bereits zwei Stunden vor Einlass ist die Menge vor der Halle beachtlich und schon jetzt fällt auf: Auch wenn die Crowd gut durchgemischt ist, lässt sich ein deutliche Tendenz gen Jugend nicht leugnen, genauso wie der Anteil an Damen unter den Besuchern erstaunlich hoch ist. Ob da der „Cuteness-Faktor“ von Will Ramos eine Rolle spielt? Nach dem Einlass erweisen sich die Wellenbrecher in der Halle immer wieder als willkommene Schutzpositionen, doch dazu später mehr. Ehe Distant um 18.30 den Abend eröffnen, schallt erstmal eine Mischung aus Disco-Klassikern und Dancemusic aus der Hallenanlage, was angesichts des folgenden Brutalo-Abends doch leicht skurril wirkt. Ebenso skurril scheint das „Spongebob-Squarepants“-Intro mit dem Distant ihr Deathcore-Gemetzel um Punkt 18.30 Uhr eröffnen. Und im Grunde ist diese Beschreibung alles, was es zu dem Gig zu sagen gibt. Der Fokus der Songs liegt auf Breakdowns, Wildschweingebrüll und musikalischem Gewaltpotenzial, das letztendlich kaum Wiedererkennungswert besitzt. Als sportliche Aufwärmübung eignet sich die Show aber ganz gut, wie u.a. die ersten Pits und die eine oder andere Wall of Death im vorderen Teil der Halle untermauern. Zu Ingested wird es nochmal eine Ecke voller (oder die Fans drängen ignorant nach vorne). Und auch diese Herren sind mit ihrem Brutal-Death Metal nicht gekommen um zu kuscheln. Schon zum ersten Song öffnet sich eine beachtliche Wall of Death im Publikum, wenn auch die Eskalation glücklicherweise nicht ganz so extrem ausfällt wie zuvor. Musikalisch stellt sich der Gig als ansehnliches Extrem-Metal-Fest heraus, bei dem der Sänger mit interessanten Alien-Sounds und einer psychopathischen Aura überzeugt. Der Sound ist bestens abgemischt, sodass die Songs maximal in der Magengrube knallen, aber manch filigrane Zwischenmelodie nicht verschlucken. Mit der Zeit kommen die Fans zu dem brutalen Soundgemetzel ganz schön ins schwitzen und die Halle scheint sich merklich aufzuheizen. Rivers of Nihil sorgen im Anschluss für eine faustdicke Überraschung. Nicht nur weil sich die Fans offenbar ein wenig ausruhen müssen, was den Genuss der Show ein wenig bekömmlicher macht, sondern auch weil sich der Progressive-Death Metal der Herren als echtes Schmankerl herausstellt. Zwar kommen Feinheiten wie ein Saxofon komplett aus der Konserve, aber auch dank der ausgefeilten Lightshow erzeugen die vertrackten Kompositionen der Herren eine erstaunliche Tiefe. Blickfang der Show ist außerdem der Schlagwerker, der sein präzises Cardio-Workout in blauer Latzhose durchzieht und dabei ein witziges Bild abgibt (ohne seine Gesangeinsätze zu verhauen). Auch hier profitiert die Band vom gut abgestimmten Sound, denn zwischen den Growls und denn fetten Riffs bekommen die Feinheiten des Sounds, wie der Klargesang oder die Gitarrenmelodien genug Raum um ihre Wirkung zu erzeugen. Am Ende dürften Rivers of Nihil heute Abend eine Menge neuer Fans hinzu gewonnen haben, denn dieser Gig war der Hammer! Dass das Zugpferd des Abends aber eindeutig Lorna Shore heißt, zeigt sich schon am enthusiastischen Empfang den die Fans der Band bereiten, nachdem Will Ramos die Menge mit den Worten „welcome to the Pain Remains Tour“ begrüßt. Was folgt stellt sich aber als zweischneidiges Schwert heraus. Aus musikalischer Sicht werden die Musiker ihrem Hype gerecht und liefern einen Extrem-Metal-Abriss allererster Güte ab. Der Sound ist bestens, sodass Brecher wie das eröffnende „Welcome Back, O’ Sleeping Dreamer“ oder die leicht melancholischen Wüteriche „…And I Return to Nothingness“ und „Sun//Eater“ gleichermaßen faszinieren, wie mitreißen. Hinzu kommt eine perfekt inszenierte Lightshow, welche die apokalyptische Stimmung der Musik bestens untermauert. Das mit der Apokalypse nehmen die Fans aber zu einem Großteil etwas zu wörtlich, denn das Eskalationspotenzial ist abartig. Die Pits werden sehr groß und die Fans scheißen mehr oder weniger aufeinander, sodass ein Ellenbogen im Gesicht o.ä. an der Tagesordnung sind. Im Zuge dessen, bekleckert sich auch Will Ramos nicht unbedingt mit Ruhm. Denn auch wenn er grundsätzlich sympathisch wirkt, sind seine Aufforderungen zum Crowdsurfen oder zur gegenseitigen physischen Zerstörung mehr als unnötig. Musikalisch dagegen fesseln Lorna Shore von der ersten Sekunde an und beweisen, dass sie dem Hype um sie durchaus gerecht werden. Egal ob Stücke wie „Immortal“ oder die apokalyptischen Heilsbringer „Into the Earth“ und „To the Hellfire“: Die Musik zieht den Zuschauer immer tiefer in einen faszinierenden Strudel aus technischer Präzision und emotionaler Gewalt hinein, der es tatsächlich fertig bringt einen im Innersten zu berühren. Da verwundert es wenig, dass die zum Abschluss komplett gespielte „Pain Remains“-Trilogie einerseits zum Ritt auf der Rasierklinge wird und andererseits durch ihre Inszenierung mitreißt. Am Ende regnet es Funken von der Bühne und Pyros werden en masse gezündet. Der einzige Knackpunkt, wenn man so will, ist die Frage: Wie viel Tiefe könnte dieser Sound in Zusammenarbeit mit einem realen Orchester erzeugen? Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und auch so war es ein famoser Extrem-Metal-Abend!
15. Lik, Mass Worship München Backstage Halle 22.04.2023
Aufstrebender Death Metal aus Schweden und dann auch noch im Doppelpack: Lik und Mass Worship gestalten das Wochenende für Münchens Metaller fanfreundlich. Allerdings scheint es anfangs so, als ob das nur eine Hand voll Nasen mitbekommen hat. Denn der Zuschauerandrang hält sich in Grenzen, sodass sogar der hintere Bereich der Halle mit einem Vorhang abgehängt wird. Naja, wer früh dran ist kann trotzdem schonmal das Merch begutachten und sich an dem Classic Rock/Doom-Rock/Folk-weißderGeierwas-Mischmasch, das aus der Hallenanlage tönt erfreuen. Als Mass Worship die Bühne betreten ist die Halle doch noch etwas voller geworden, wenn auch weit weg von einer Vollbelegung. Aber was soll’s, die Anwesenden bekommen brachialen Death Metal/Hardcore um die Ohren geballert. Hier regiert das Riff, der Groove drückt schwer und meist langsam aus der PA und sogar die knappen Gitarrensoli zerren positiv an den Nerven. Optisch machen vor allem der zutättoowierte Bassist und der hünenhafte Sänger einiges her. Mit knappen Ansagen lässt die Band eher ihre Musik für sich sprechen, wobei die eröffnende Vorstellung des Frontmanns „We’re Mass Worship and we came here to worship the fucking riff“ den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf trifft. Der erdrückende Sound lässt keinen Raum für Schnickschnack und zieht stattdessen ob seiner Intensität in den Bann. Das soll nicht zwingend abwechslungsreich sein, sondern eher wie ein musikalischer Schraubstock wirken. Zumindest ist dieser Eindruck nach dem Gig nicht direkt von der Hand zu weisen. Einziges Manko: Mit einer Dreiviertelstunde Spielzeit fällt das Set deutlich zu kurz aus. Selbige Feststellung trifft leider auch auf die Show von Lik zu. Das bleibt aber der einzige Fehltritt der Band. Der Backdrop im „Misantrophic Breed“-Look gefällt und auch die Horrorfilmmusik, die als Intro aus der Konserve tönt macht Lust auf das was folgt: Klassischer Schweden-Death Metal mit hohem Knüppelfaktor und sägenden Gitarren. Die Musiker haben sichtlich Bock auf die Show und auch der gute Sound spielt ihnen in die Karten. Zwischen Songs wie „Decay“, „Morbid Fascination“, „Dr. Duschanka“ und „Le Morte Homme“ passt kein Blatt und ein Schweden-Death Gedächtnisriff reiht sich an das nächste. Die Stimmung ist dementsprechend bestens und es fliegen Haare en masse durch die Luft, genauso wie Fistbanging an der Tagesordnung steht. Zwischen den Songs versucht sich der Frontmann immer mal an Situationskomik à la „Do you wanna hear one more?“ (Was für eine Frage…!) „Are you sure?“ Das ist zwar nicht wirklich originell, aber es bringt Sympathiepunkte und lässt die Band umso bodenständiger wirken. Allerdings bleibt am Ende auch hier der Eindruck, dass eben doch noch Platz für einen oder zwei Songs mehr drin gewesen wäre. Denn 22.30 Uhr ist doch eine etwas undankbare Abschlusszeit für ein Wochenendkonzert. Aber was soll’s? Musikalisch haben sowohl Lik als auch Mass Worship stark abgeliefert.
16. Heaven Shall Burn, Trivium, Obituary, Malevolence München Zenit 17.02.2023
Heaven Shall Burn und Trivium auf gemeinsamer Co-Headlinertournee. Allein diese Kombination verspricht einen metallischen Konzertabend der Extraklasse. Schließlich sind beide Bands nicht gerade dafür bekannt kleine Brötchen zu backen, vor allem wenn es um Live-Shows geht. Dass mit Obituary eine wahre Szene-Legende des Death Metal als Support mit dabei ist, zeigt außerdem, welchen Status die beiden Headliner mittlerweile innerhalb der Metalszene genießen. Für das erste Aufwärmprogramm sind aber Malevolence zuständig. Grundsätzlich ist die Hardcore-Kelle der Engländer auch bester Stoff für livehaftige Freudenfeuer. Allerdings ist heute Abend die Lautstärke doch ein Manko des Gigs. Denn vor allem der Bass dröhnt im vorderen Bereich der Halle so dermaßen laut, dass es den übrigen Sound beinahe komplett zerstört. Das ist auch insofern schade, als dass besonders der Gitarrist mit intensiven Gesangseinlagen glänzt, die den hier und da vielleicht doch etwas generisch wirkenden Hardcore bestens aufwerten und auch für die eine oder andere Gefühlsnote im ansonsten derben Geprügel sorgen. Das wird vor allem im intensiv-balladesken „Higher Place“ deutlich, das glücklicherweise auch ohne Mörderbass auskommt und somit für die erste Gänsehaut des Abends sorgt. In puncto Zerstörungspotenzial ist der Pit aber drauf und dran es mit dem Bass aufzunehmen, denn das Eskalationspotenzial steigert sich von Minute zu Minute. Glücklicherweise treten Obituary da doch ein bisschen auf die Bremse. Der Classic Rock während des Umbaus stimmt doch einigermaßen passend auf den Old-School Death Metal der Veteranen ein. Dass die Show auch äußerst solide ausfällt verwundert angesichts der jahrelangen Tourerfahrung der Herren kaum. Mit ihrem Sound kommen die Amis heute bestens bei den Münchner Fans an und besonders die vorderen Reihen feiern Stücke wie „ A Lesson in Violence“ oder auch „The Wrong Time“ enthusiastisch ab. Allerdings wird auch hier, bei aller Sympathie der Musiker, der sehr laute Bass der Musik ein wenig zum Verhängnis. Denn so manches Dröhnen macht dem Rest des Sounds dann doch ein wenig den Garaus. Dem Applaus am Ende tut das aber keinen Abbruch, sodass auch hier von einem gelungenen Gig die Rede sein darf. Trivium profitieren im Anschluss von einem deutlich differenzierteren Sound, der den Gig kaum mehr als brillant werden lässt. Das beginnt bei dem, im passenden Drachenlook gestalteten, Bühnenbild und endet bei der feinen Setlist, die das eine oder andere Schmankerl bereithält. Brecher wie „Rain“ oder „Shattering the Sies above“ sorgen gleich zu Beginn des Sets für heftige Eruptionen und das thrashige „Strife“ knallt heute richtig stark rein und entfesselt zahlreiche Fangesänge im Refrain. Die Setlist ist bestens durchgemixt und zeigt auch, dass Trivium im Prinzip zwei Alben betouren. Denn auch wenn „In the Court of the Dragon“ das aktuelle Langeisen ist, so fiel die Tour für „What the Dead Men say“ aus bekannten Gründen ins Wasser. Das hat zur Folge dass mit „Amongst the Shadows & the Stones“ einer der stärksten Songs von besagtem Longplayer in die Setlist rutscht und die Halle mit reichlich Energie flutet. Ähnlich energisch klingen Songs wie das thrashige „Down from the Sky“ oder die Rarität „Like Callisto to a Star in Heaven“, die heute das erste mal seit 2009 aufgeführt wird. Die entsprechenden Fanreaktionen in Form von Pits, Crowdsurfern und dergleichen lassen da leider auch nicht lange auf sich warten. Außerdem muss Matt Heafy doch auch diesmal wieder sein Charisma zugesprochen werden, denn er wirkt einfach sympathisch und die Fans fressen ihm zu einem Großteil aus der Hand. Dementsprechend spornen sich Band und Besucher zum Finaldoppel „In Waves“/“Pull Harder the Strings of your Martyr“ zu vorläufigen Höchstleistungen an. Am Ende gehen Trivium unter wohlverdientem Applaus und sichtlich zufrieden von der Bühne und machen Platz für Heaven Shall Burn. Und wie als ob die Thüringer etwas zu beweisen hätten, wird das Bühnenbild um einige LED-Bildschirme zu den Seiten der Bühne, sowie einen zweistöckigen Bildschirmaufbau an der Bühnenrückseite aufgestockt. Zunächst ist diese Szenerie aber von einem Vorhang, auf dem ein Militärschiff prangt, verdeckt. Als dieser zu den ersten Tönen von „My Heart and the Ocean“ mit einem Knall und Konfettiregen fällt, gibt es kein halten mehr. Nicht nur in puncto Optik bohren Heaven Shall Burn das ganz dicke Brett, auch die Eskalationsfreude der Fans scheint nochmal einen ordentlichen Schub verpasst zu bekommen, was sich an riesigen Pits und dergleichen nicht gerade zu jedermanns Freude bemerkbar macht. Sehr schön anzusehen ist aber, dass die gesamte Band mal wieder im Grinsebacken-Modus unterwegs ist und trotz Brutalo-Attacken, wie dem zerstörerischen „Übermacht“ oder dem Bandklassiker „Voice of the Voiceless“, sichtlich Spaß an der Show hat. Aber auch die bereits erwähnten optischen Reize können sich wirklich sehen lassen. Jeder Song bekommt seine eigene Szenerie verpasst und so wogt zum Opener „My Heart and the Ocean“ das Meer auf den Screens auf und ab, während an anderer Stelle u.a. feurige Lava auf den Boden zu tropfen scheint. Als kleines Schmankerl kommt zu „Whatever it may take“ Matt Heafy auf die Bühne und bereichert den Song als dritter Gitarrist im Bunde. Das ist zwar cool, fällt aber soundtechnisch kaum ins Gewicht, denn Heaven Shall Burn zerlegen das Zenit auch im Alleingang. Das zeigen sie u.a. mit „March of Retribution“/“Thoughts and Prayers“, das dank epischem Anstrich fast noch monströser wirkt als manch anderer Song der Thüringer. Auch die politische Haltung der Band kommt in der ein- oder anderen Ansage von Marcus Bischoff zum Vorschein, was grundsätzlich nicht verwundert, denn zurückhaltend waren die Musiker diesbezüglich noch nie und der Musik tut das keinen Abbruch. Nachdem „Behind a Wall of Silence“ und besonders der erste Abschluss „Black Tears“ die Halle komplett ausrasten lassen (Crowdsurfer, Pits, Fangesänge…), fällt der Zugabeblock nochmal kräftezehrend aus. „Endzeit“ schallt aus tausenden von Kehlen wider und mit einer Armada an Pyros scheinen Heaven Shall Burn die Bühne in Brand setzen zu wollen. Gleiches gilt für die Gemüter der Fans, denn die (ohnehin zahlreichen) Crowdsurfer nehmen nochmal zu, was doch ein wenig nervt. Gefühlsmäßig setzt das bedrückend-intensive „Numbing the Pain“ sogar nochmal einen drauf und nachdem „Tirpitz“ die Fans auszehrt, regnet es zum Schluss Funken von der Decke und die Bühne verschwindet hinter einer Feuerwand. Damit endet ein fast perfekter Konzertabend, der lediglich von der ein- oder anderen politischen Ansage getrübt wird. Dass Bands Haltung zeigen ist grundsätzlich zwar in Ordnung und Heaven Shall Burn haben aus ihrer nie einen Hehl gemacht, aber es wirkt doch manchmal etwas deplatziert wenn Veranstaltungen wie Konzerte, die ja eigentlich das Leben feiern und die Menschen vereinen sollten, dazu genutzt werden potenziell spaltende Botschaften zu vermitteln. Denn Politik ist immer ein Streitthema. Aber was soll’s? Dem Konzerterlebnis schadet das nur marginal und so bleibt unterm Strich ein sehr gelungener Abend.
17. Infected Rain, All Hail The Yeti München Backstage Halle 26.07.2023
Das Free & Easy Festival im Münchner Backstage erfreut sich nicht erst seit gestern einiger Beliebtheit bei der örtlichen Metal-Gemeinde und daher verwundert es nicht, dass schon vor dem Einlass einiges los ist auf dem Gelände. Die Österreicher von Anchorage profitieren ohne Frage vom Publikumszuspruch, den das Festival, aber auch der stetig wachsende Headliner mit sich bringen. Denn auch wenn die noch junge Band aus Wien ihre Sache gut macht und die Musiker sympathisch wirken, klingt ihr Modern Metal doch irgendwie generisch. Da ist es auch nicht unbedingt förderlich, dass der Bass komplett aus der Konserve kommt, aber doch eindringlich wummert, denn dadurch wirkt das Live-Bild der Band etwas unvollständig. Naja, die Band hat trotzdem Spaß und auch die Fans tauen zügig auf. Für die Überraschung des Abends sorgen im Anschluss All Hail The Yeti. Die Amis bringen vom ersten Ton an eine amtliche Energie in die Halle. Dafür verantwortlich sind rein optisch in erster Linie der Drummer, der auf sein Kit einprügelt als ginge es um sein Leben und der Sänger der etwas von einem verkappten Indianer mit Punkrock-Attitüde hat. Der Nachteil dieser Energie ist aber, dass die Fans vor allem zum Ende des Sets derart eskalieren, dass der Spaß doch immer mal an seine Grenzen stößt. Das ist leider etwas sich im weitern Verlauf des Abends immer wieder zeigt. Der vielgerühmte Respekt unter Metalheads geht zumindest von Seiten vieler Fans mehr und mehr den Bach runter. Klar, Bewegung gehört zu einem Konzert dazu, soll sogar sein. Aber wenn Menschen völlig rücksichtslos drauflos moshen und zwanghaft Pits aufmachen (nach dem Motto: Ich will jetzt eskalieren, komme was da wolle…), dann verschwindet der gegenseitige Respekt zwischen den schwitzigen Leibern von angetrunkenen Fans, die im schlechtesten Fall einen Scheiß auf ihren Nachbarn geben (immerhin werden diejenigen die hinfallen doch noch vor den Aggressionen der anderen abgeschirmt). Darüber darf die Szene an sich gerne mal nachdenken…Nichtsdestotrotz ist der Applaus am Ende des Gigs gerechtfertigt. Nach einer guten halben Stunde entern dann Infected Rain die Bretter. Auffällig ist, dass die Halle wohl doch nochmal etwas voller geworden ist, was natürlich daran liegen kann, dass das Konzert im Prinzip kostenlos ist. Es kann aber auch ein Zeichen dafür sein, dass sich die nimmermüde Band um Frontfrau Lena Scissorhands mittlerweile einen wohlverdienten Status erspielt hat. Das ist zwar erfreulich für die Band, die heute wieder einen fantastischen Abriss liefert, für den ein- oder anderen Besucher ist der Publikumszuspruch aber eher anstrengend. Denn die Eskalationsfreude nimmt eher noch zu, sodass sich einige völlig rücksichtslose Pits bilden, oder auch Crowdsurfer einfach in die Menge springen. Das nervt leider extrem, vor allem weil es einer Vielzahl von Feiernden scheinbar egal ist, was ihre Platznachbarn von derlei Aktionen halten. Diese Rücksichtslosigkeit ist zwar irgendwie ein Phänomen der aktuellen Zeit und nicht erst seit gestern zu beobachten, aber es wirkt doch seltsam, angesichts der viel beschworenen Gemeinschaft der Metalheads. Die Band kann dafür aber freilich wenig und ist motiviert bis in die Haarspitzen. Lena ist top bei Stimme und versprüht literweise Charisma, ihr Dreadlock-Kollege an der Gitarre ist immer noch als menschlicher Flummi unterwegs und die neue Bassistin macht (genauso wie der Drummer) einen tadellosen Job. Es ist auch völlig egal, dass die Setlist den Fokus auf aktuellen Stoff der letzten beiden Alben legt. Denn Songs wie „Fighter“ oder „Dying Light“ sind Modern Metal-Knaller die durchgängig Spaß machen. Ein Manko ist aber, dass die Botschaft von einem Song wie „The Earth Mantra“ (so gut der Song auch sein mag) angesichts der aktuellen Irrsinns-Debatten um das Klima usw. doch einen etwas schalen Beigeschmack hat. Denn auch wenn die Band derlei Inhalte nicht erst seit gestern in ihren Songs unterbringt, wirkt es doch etwas unreflektiert, die Menschen als Parasiten zu betrachten (wie im Text des besagten Songs). Naja, andererseits ist das alles immer noch Kunst und damit persönlicher Ausdruck. Was das Ganze zumindest ein Stück weit von der moralisierenden Ecke abgrenzt. Mit dem Kracher „Orphan Soul“ entpuppt sich diesmal aber einer der älteren Songs als ein Highlight des Gigs, mit dem Infected Rain mal wieder beweisen, dass sie eine bockstarke Live-Band sind. Mit der Ankündigung von Lena, dass man nach dem letzten Song gleich am Merchandise-Stand für die Fans Zeit habe um zu quatschen oder Fotos zu machen, beweisen die Musiker außerdem einmal mehr Fannähe, was Infected Rain erneut zusätzliche Sympathiepunkte einbringt.
18. Ankor Wacken Open Air 02.08.2023
Nachdem die ursprüngliche Running Order wetterbedingt ein wenig durcheinander gewürfelt wurde, sorgen die Katalanen Ankor auf der Louder Stage für eine Überraschung die sich gewaschen hat. Dafür verantwortlich ist einerseits die Schlagzeugerin, die aus Spaß Ernst macht und sich das ganze Set über kaum ein Lächeln erlaubt, aber eben auch voller Inbrunst auf ihr Kit einprügelt, was einfach schön anzusehen ist. Schön ist auch die akustische Darbietung der Band, die sich irgendwo zwischen modernem Alternative-Metal mit elektronischen Einflüssen und Ohrwurm-Hooks ansiedelt. Für amtliches Gebrüll sind sowohl die Frontfrau als auch der Gitarrist zuständig, aber besonders der Herr der Schöpfung kann mit der Ausstrahlung eines psychotischen Rumpelstielzchiens für einigen Unterhaltungswert sorgen. Stücke wie „Darkbeat“ oder „The Legend of Charles the Giant“ sorgen außerdem für einiges an Bewegung im Publikum, das der Aufforderung zu einem Circle-Pit sofort nachkommt und auch ansonsten ähnlich angefixt wirkt wie die Band selbst. Dazwischen finden sich aber immer wieder melancholische Einsprengsel oder sanftere Momenten, in denen die Sängerin beweist, dass sie einen sehr schönen stimmlichen Ausdruck hat und darüber hinaus keine Probleme hat zwischen sanfter Klarheit und aggressiven Screams zu wechseln. Zwischen den Songs gibt die Dame einige Anekdoten aus der Bandgeschichte zum Besten und bedankt sich umschwänglich bei den Fans und dem W:O:A für ihr Engagement angesichts der widrigen Wetterumstände. Mit textlichen Durchhalteparolen wie „Shhh…(I’m Not Gonna Lose It)“ hat die Band außerdem die Sympathie der Fans auf ihrer Seite, die mit jedem Song mehr Energie auf den Acker bringen und sich auch nicht an der kargen Kommunikation der Band stören. Im Gegenteil: Alle Anwesenden singen und tanzen und freuen sich darüber, dass sie es doch auf den Acker geschafft haben und die Musik genießen können. Als die Band am Ende mit einem live-Debüt ihrer Single „Prisoner“ von der Bühne geht, steht nochmal aggressive Tanzlaune auf dem Programm. Vor allem die Schlagzeugerin dreht richtig auf, was dem Gig augenscheinlich noch mehr Druck verleiht. Gegen Ende folgen die obligatorischen Mitklatsch-Spiele und nachdem der kleine Pit zum stehen kommt tanzen die Arme der Crowd zu den letzten Takten durch die Luft. Schöne Sache, starker Gig!
19. Beyond The Black Wacken Open Air 02.08.2023
Beyond The Black dürfen auf eine innige Beziehung mit dem W:O:A zurückblicken, umso schöner ist es da, dass sie dieses Jahr als Headliner auf der Louder-Stage stehen. Eine Tatsache die zeigt, dass Jennifer Haben und ihre Mitmusiker einiges richtig gemacht haben. Da wirkt der Dank der Sängerin an das Festival, die Veranstalter und nicht zuletzt die Fans auch ehrlich und innig. Müsste ein Haar in der Konzertsuppe gefunden werden, könnten allerhöchstens die immer noch ausbaufähigen Growls des Gitarristen als solches herhalten, denn alles andere an diesem Gig ist schlicht fantastisch, vorausgesetzt man ist Freund von symphonischem Theatralik-Metal. Natürlich profitiert die Show auch davon, dass es dunkel ist, denn dadurch kommen sowohl die Lightshow, die Pyros und nicht zuletzt die elegante Kostümierung von Jennifer bestens zur Geltung. Überhaupt muss auch der letzte Nicht-Fan der Band anerkennen, dass speziell die Bandchefin mittlerweile zu einer charismatischen Frontfrau gereift ist, die das kleine 1×1 der Publikumsanimation gefressen hat und noch dazu stimmlich voll auf der Höhe ist. An musikalischer Klasse hat es der Band eh noch nie gefehlt und das stellt sie auch heute wieder unter Beweis, denn die Setlist ist stimmungsvoll aufgebaut und gemessen an den Reaktionen der Crowd wird ein Hit nach dem anderen abgefackelt. Das gilt auch für die Bühnenshow, die nicht mit Feuer geizt und in mehrerlei Hinsicht ein Augenschmaus ist. Zu „Dancing in the Dark“ animiert Jennifer die Fans zu lauten „Hey“-Chören und trommelt den entsprechenden Rhythmus eigenhändig und voller Inbrunst vor. Die zwischenzeitlichen Rhythmuseinlagen kommen auch gut an und werden von zwei Fahnenschwenkern flankiert, die obwohl ein wenig verloren wirkend, doch sehr gut zur Show passen. Zu „Free Me“ schnallt sich die Dame schwarze Engelsflügel um, womit sich der Kitsch-Faktor zwar ein wenig mehrt, aber es macht optisch doch einiges her und unterstreicht die pathetische Ballade eindrucksvoll. Der Funkenregen am Ende des Songs tut sein übriges. Zu „When Angels Fall“ klatscht das Infield fleißig mit und vielleicht kommt sogar noch ein klein wenig mehr Konzertmagie auf, die mit der Aufforderung zum Takt von „Shine and Shade“ zu springen beinahe in Arbeit ausartet und am Ende zumindest mit optischen Schmankerln (Pyros, Gesamtbild…) belohnt wird. Das Abschlusstriple „In the Shadows“, „Running to the Edge“, „Hallelujah“ bringt dann die Sangesfähigkeit der Fans auf Hochtouren, daran kann auch der kurzzeitige Mikrofonausfall des Gitarristen nichts ändern. Am Ende trifft dann auch der Spruch zu „man soll aufhören wenn’s am schönsten ist“, denn „Hallelujah“ sorgt tatsächlich für die eine oder andere Gänsehaut. Der Headliner-Posten steht Beyond The Black ausgezeichnet.
20. Dark Tranquility Wacken Open Air 03.08.2023
Entgegen dem Eindruck den das nachträgliche Live-Video anfangs erweckt, ist der Sound bei der Show von Dark Tranquility bestens ausbalanciert und Front-Sympath Mikael Stanne kann sich noch so kratzige Laute aus der Kehle schälen, er bringt stets ein Stück Sonnenschein auf das Infield vor der Louder-Stage. Zwar lässt das Tageslicht die Lightshow eher verkümmert wirken, aber davon lassen sich weder die Band noch die zahlreich anwesenden Fans die Laune verderben. Dementsprechend dankbar fallen die Ansagen des Sängers aus. Mindestens genauso viel Spaß an der Show haben auch seine Mitmusiker, die präzise wie ein Uhrwerk agieren wodurch Songs wie die Rarität „Nothing to no one“ oder der Knaller „Monochromatic Stains“ durchaus Highlightfaktor mitbringen. In Gänze gibt es an dem Material der Schweden eh kaum etwas auszusetzen, denn die Band hält ihr Qualitätsniveau sowohl live als auch auf Platte seit Jahren konstant hoch. Die Fanschar vor der Bühne ist also an genau der richtigen Adresse für tendenziell melancholischen Schweden-Death Metal mit melodischer Prägung. Glücklicherweise halten sich arbeitsintensive Aktionen der Crowd in Grenzen, sodass das Konzert doch in vollen Zügen genossen werden kann und die diversen Mitmach-Aktionen in vollen Zügen ausgekostet werden können. Mit älteren Schoten wie „Hours Passed in Exile“ oder dem Hit-Verschnitt „Cathode Ray Sunshine“ können Dark Tranquility in dieser Form eh kaum verlieren und gehen nach dem finalen „Misery’s Crown“ mit breitem Grinsen und unter lauten Sprechchören von der Bühne. Melancholischer Melodic-Death Metal funktioniert also auch bei Tageslicht bestens!
21. Kreator Wacken Open Air 03.08.2023
Mit der superben Introauswahl (Iron Maidens „Run to the Hills“ tönt aus der Konserve), haben Kreator eigentlich schon gewonnen, denn der Song findet ein lautstarkes Echo im Publikum. Als zum Opener „Hate Über Alles“ dann der Vorhang fällt gibt er den Blick frei auf einen riesigen Dämon, der über der Stage thront und auch die gepfählten Leiber des „Hate Über Alles“-Covers finden ihren Platz auf der Bühne (die Figuren sehen aus der Nähe aber doch ein wenig trashig aus). Mit gewohnt martialischen Ansagen treibt Mille die Fans zu sportlichen Aktivitäten an und das geforderte Massaker zum Intro „Awakening of the God“ folgt prompt in Form einiger großer Pits. Da muss die Band natürlich nachziehen und feuert mit „Enemy Of God“ und „Betrayer“ zwei live-Garanten in die Menge. Musikalisch lassen Kreator eh mal wieder nix anbrennen und erfreuen die Fans sogar mit einem Gastauftritt von Sofia Portanet, die ihren Part in „Midnight Sun“ mit eindringlicher Präsenz widergibt, was die unheilvolle Atmosphäre des Stücks auch bei Tageslicht gut erlebbar macht. „Satan Is Real“ wird danach stilecht mit allerlei Pyros inszeniert und findet mit den lautesten Anklang in der Crowd, ehe „Hordes Of Chaos“ die Aggressionsstellschraube nochmal ein wenig anzieht. Songtechnisch bieten Kreator alles in allem eine gelungene Werkschau durch ihre Diskografie, wobei der Fokus logischerweise auf dem aktuellen Album liegt, das mit drei Songs in der Setlist vertreten ist. Die zwischenzeitlichen „Kreator, Kreator“-Sprechchöre machen außerdem klar, dass die Band eine Menge richtig gemacht hat, was grundsätzlich auf einige Ansagen von Mille gilt, der u.a. die Gemeinschaft der Metal-Szene betont. Zu „666-World Divided“ züngeln ein paar Flammen am Bühnenrand auf und im langsam schwindenden Tageslicht kommt auch die Lightshow immer besser zur Geltung, was dem Gig logischerweise kaum schadet. „Phantom Antichrist“ wird vom obligatorischen Intro „Mars Mantra“ eingeläutet und zwei maskierte Fackelträger betreten die Bühne auf der jetzt zwei hell erleuchtete Petruskreuze prangen. Das ist alles sehr schön anzusehen und unterstreicht die Wucht der Musik passend, weshalb die Publikumschöre im Refrain nicht verwundern. Dem Abend sei Dank, dass auch die Lightshow mit jeder Minute besser zu Geltung kommt. Wovon Songs wie der Mitgröl-Hit „Hail to the Hordes“ oder der Motivator „Strongest of the Strong“ (den Mille Thomas Jensen und Holger Hübner vom Wacken Open Air und den Fans widmet) mit jeder Sekunde eindringlicher wirken. Gegen Ende heißt es dann Klassiker-Alarm, denn die Salve „Extreme Aggression“, „Violent Revolution“, „Flag of Hate“ und „Pleasure To Kill“ wird lediglich vom Zwischenspiel „The Patriarch“ unterbrochen. Am Ende können Kreator auf einen gelungenen Gig zurückschauen, der zwar kaum Überraschungen präsentiert, dafür aber ein Thrash-Fest vom feinsten ist.
22. Erik Cohen Wacken Open Air 31.07.2023
Der LGH (Landgasthof) hat sich seit letztem Jahr als schmackhafter Appetizer auf die Haupttage des W:O:A etabliert und so verwundert es nicht, dass zu Erik Cohens Auftritt eine stattliche Besuchermenge den Weg ins Dorf findet und damit dem Regen trotzt. Aber angesichts des Wetters ist die kuschelige Atmosphäre des LGH umso angenehmer und auch der punkige Dunkelrock der von der Bühne schallt macht Lust auf mehr. Erik Cohen ist gut bei Stimme und seine Mitmusiker haben Lust die Bühne abzureißen. Dabei geht’s mit „Millionenstadt“ zunächst bedächtig los, aber spätestens bei „Schattenland“ hat der Frontmann die Meute fest im Griff und taucht den Laden in musikalischen Punk Spirit mit reichlich Melancholie. Dass trotzdem ein Gassenhauer auf den nächsten folgt, bringt die Meute zu Songs wie „Diamant“ oder dem Ohrwurm „Lokomotive“ mehr und mehr zum ausrasten. Aber auch melancholisches wie „Neues Blut“ wird ebenso abgefeiert wie der tendenziell asozial anmutende Schnodder-Punk Hit „Bomberjacken“. Und als am Ende „Mexikanische Lieder“ den Sack zu machen, sind sowohl die Band als auch die Fans sichtlich zufrieden. Sehr schöner Festivalstart!
23. Caliban Wacken Open Air 04.08.2023
Zur späten Mittagstunde sorgen Caliban für eine derbe Prise Hartwurstmusik. Die Bühnenoptik im „Dystopia“-Look verspricht nicht zu viel, wirkt aber auch etwas minimalistisch. Das ist aber insofern egal, als dass die Band ein musikalisches Fest abbrennt, das mit „Dein R3.ich“ und „Paralyzed“ einen derben Einstieg erfährt. Die Band ist gut bei Laune, bestens aufeinander eingespielt und sichtlich motiviert. Natürlich ist das mit der stimmungsvollen Lightshow so eine Sache, denn bis zu einem gewissen Grad macht das Tageslicht auch Caliban in dieser Beziehung einen Strich durch die Rechnung, aber was soll’s? Die Fans lassen sich den Spaß an den modernen Hartwurstkellen nicht verderben und auch die Band kommt an einigen Stellen kaum aus dem Grinsen raus. Zu offensichtlichen Bandhits wie „We Are The Many“ oder Brutalostoff wie „Inferno“ geht das Publikum fleißig mit und die Ruderer machen sich nicht nur zum Bandklassiker „Davy Jones“ mit Feuereifer ans Werk. Angesichts des matschigen Bodens ist das zwar alles nett anzusehen, aber der folgende Körperkontakt in den diversen Pits ist dann doch nicht jedermanns Sache. Aber was soll’s? Spaß macht die Chose von der ersten bis zur letzten Sekunde. Ein wenig schade ist es zwar, dass zu „VirUS“ nicht Marcus Bischoff der ebenfalls auf dem Festival spielenden HSB mit von der Partie ist, aber der fehlende Gastgesang fällt kaum ins Gewicht, auch weil das Publikum fleißig und relativ textsicher mit schreit. Gleiches gilt für das Brett „Ich blute für dich“, das so dräuend aus den Boxen drückt, dass es eine Freude ist. Und dass der Refrain doch relativ laut aus dem Publikum widerhallt macht die Sache natürlich gleich noch spaßiger. Am Ende sorgt „Memorial“ doch nochmal für zahlreiche Publikumsgesänge und beendet ein bockstarkes Set mit einem Knall! War schön!
24. Trivium Wacken Open Air 04.08.2023
Dass Mastermind und Bassist Paolo Gregolleto heute aufgrund eines medizinischen Notfalls nicht mit von der Partie ist, fällt kaum ins Gewicht, denn erstens, wird er von Josh Baines (Malevolence) adäquat vertreten und zweitens, klingen Trivium tight wie eh und je. Die Bühne ist ganz im farbenfrohen Look der noch aktuellen Scheibe „In the Court of the Dragon“ gehalten und auch Matt Heafy hat sich mit seiner „Kiichichaos“-Drachenjacke in die passende Schale geworfen. Dass die Band live nix anbrennen lässt sollte eh klar sein und mit der ein- oder anderen deutschen Ansage sammelt der Matt natürlich Sympathiepunkte. Die Ansagen fallen aber angenehm knapp aus, sodass das Set mit zehn Songs in einer Stunde Festivalspielzeit gut ausgefüllt wird. Mit „Becoming the Dragon“ hat sich auch eine kleine Rarität in die Setlist geschlichen, die ähnlich abgefeiert wie das folgende „Strife“ das mit die lautesten Fanchöre des Gigs erzeugt. Und ob er will oder nicht, Matt ist einfach ein Sympathiebolzen, der auch dann liebenswürdig wirkt, wenn er sich seine krassen Screams aus der Kehle kratzt. Klar, dass da die obligatorischen Mitsingparts oder die geforderten „Heys“ in den jeweiligen Songs nicht lange auf sich warten lassen. Einzig die Crowdsurfer sind angesichts des matschigen Bodens eher wenig gern gesehene Gäste, zumindest bei denjenigen, die das Pech haben sie tragen zu müssen. Schön anzusehen ist dagegen auch die Spielfreude von Schlagwerker Alex Bent, der sein Kit mit Inbrunst verprügelt und dabei einen knackigen Punch entwickelt. Dass Heafys Zunge mittlerweile ein eigenes Showelement ist, ist zwar nicht neu aber immer noch leicht skurril anzusehen. Dass sich aber songtechnisch kaum eine Nummer wirklich herausgreifen lässt, macht auch hier klar, dass Trivium eben seit Jahren beständige Qualitätsware abliefern, die live regelmäßig für ein akustisches Feuerwerk sorgt. Das ist auch heute der Fall und besonders bei „The Heart from your Hate“ beweist das Publikum Textsicherheit und Stimmgewalt, ehe „A Gunshot to the Head of Trepidation“ tatsächlich eine ganz Menge Hupfdohlen auf das Programm ruft. Zum Abschluss „In Waves“ gelingen die Animationsversuche von Matt zwar nur bedingt (Wer will sich schon in den Matsch knien…?), aber ein paar kleinere Pits und lautstarke Fangesänge honorieren die musikalische Wucht, die Trivium abgeben doch entsprechend.
25. Burning Witches Wacken Open Air 05.08.2023
Den Sprung auf die Hauptbühne haben sie zwar aktuell noch nicht geschafft, dem Konzerterlebnis schadet das aber überhaupt nicht, denn auch auf der W:E:T Stage geben die Burning Witches eine ansehnliche Figur ab. Die fünf Damen strotzen vor Spielfreude und der Sound tönt angenehm knackig. Motivierender Aktivposten und Blickfang der Show ist ohne Zweifel Frontfrau Laura Guldemond die hervorragend bei Stimme ist und mit ihrem schweizerischen Akzent außerdem zusätzliche Sympathiepunkte einheimst. Dass die Crowd außerdem sämtliche Mitmachspiele bereitwillig absolviert zeugt eben doch davon, dass der Holy Ground eine nicht unerhebliche Menge an Freunden des klassischen Heavy Metal beherbergt. Da wird zwar auch das kleine 1×1 der Publikumsspiele abgearbeitet, aber es wirkt zu keiner Zeit so, als ob die Hexenbrut nicht ihr Herzblut auf der Bühne lassen würde. Hinzu kommt natürlich, dass die Songs allesamt mindestens gut bis hervorragend sind, daran ändert auch die zwischenzeitliche Trägheit der Zuschauer nichts (die aber wohl eher dem schlammigen Untergrund geschuldet ist, als weniger auf die Darbietung der Band zurückzuführen ist). Als kleines Highlight des Sets stellt sich der schmissige „Hexenhammer“ heraus, der ein Ohrwurm allererster Güte ist und mit die frenetischsten Reaktionen der Crowd hervorruft. Allerdings lassen die Hexen heute absolut nichts anbrennen und schmettern mit „World on Fire“, „The Dark Tower“ und der Bandhymne „Burning Witches“ ein Schluss-Triple in die Menge, das sich gewaschen hat. Vom fetzigen Speedster, über den knackigen Midtempo-Groover bis hin zum Mitklatsch-Headbanger ist alles da. Dementsprechend ist der Applaus den die Damen nach dem Set ernten mehr als gerechtfertigt, daran kann auch die eine oder andere schiefe Gitarre im letzten Song nichts ändern.
26. The Answer Wacken Open Air 05.08.2023
Dank dem Matsch vor der Bühne wirkt die Menschenmenge vor der Headbanger-Stage ein wenig entzerrt, das macht den Auftritt der Briten von The Answer aber nicht weniger spaßig. Im Gegenteil, der Blues-lastige Hardrock der Formation um Frontzwerg Cormac Neeson macht von der ersten Sekunde an Spaß und auch die kauzige Ausstrahlung, des Sängers beschert der Band sofort erste Sympathiepunkte. Dass die Sympathie glücklicherweise bei der Musik nicht endet ist umso besser und macht die knappen aber dankbaren Ansagen des Frontmanns mehr als einmal angemessen. So fasst der Mann den Gig mit seiner Ansage zu „Sundowners“ passend zusammen: „The Answer do not do bad karma…The Answer are all about the good vibes and the positive energy…“. Das lässt sich auch als Statement auffassen und wird von dem folgenden Slide-Gitarren/Mundharmonika-Groover passend unterstrichen. Nicht nur der Sänger tänzelt mit amüsanten Körperzuckungen über die Bühne, auch in der Crowd regt sich zarte Bewegung, was angesichts der lockeren Verteilung der Anwesenden aber eher überschaubar wirkt. Eine Marke ist auch der Schlagwerker, der selbst in den zartesten Momenten jeden Schlag mit maximalem Körpereinsatz ausführt, wodurch er mit „Spectacular“ seine eigene, wohlverdiente Hymne kredenzt bekommt. Soundtechnisch gibt’s auch nix zu meckern, denn der knackige Härtner-Blues kommt mit dem passenden Druck aus den Boxen womit sich The Answer als treffsichere Stimmungskanone entpuppen, deren schärfster Schuss tatsächlich die improvisierte Soloeinlage von Sänger Cormac Neeson ist. Denn seine A Capella-Version des traditionell irischen Volksliedes „Here’s A Health To The Company“ trifft voll ins Schwarze, womit die technischen Probleme des Gitarristen sympathisch überbrückt werden. Am Ende dürften The Answer mit diesem Gig einige neue Fans gewonnen haben.
27. Killswitch Engage Wacken Open Air 05.08.2023
Der „Haiwaiihemd meets Surferhose“-Look von Gitarrist Adam Dutkiewicz ist gewohnt scheiße-schön und die Bewegungsfreude der Band ist vom ersten Ton des Openers „My Curse“ an immens. Ganz so wie man es von Killswitch Engage gewohnt ist und auch ein Stück weit erwartet. Die Metalcore-Veteranen spielen an diesem Wacken-Samstag ein ausgewogenes Best-Of Set, das wenig Anlass zur Kritik lässt. Jesse Leach ist gut bei Stimme und die Band agiert tight und engagiert. Von Bewegungsmangel kann auch kaum die Rede sein, weder auf noch vor der Bühne, denn die Fans lassen sich die Freude an Circle-Pits kaum verderben und auch die Mitsing-Spiele werden bereitwillig mitgemacht. Auch sehr schön: Die Band lässt in erster Linie ihre Musik für sich sprechen und verzichtet auf allzu lange Ansagen oder ausgedehnte Mitmach-Aktionen, wodurch das Konzert angenehm kompakt wirkt und das Energielevel konstant gehalten wird. Klar, der Matsch kommt ausufernden Publikumsaktionen doch in die Quere, aber das hat den schönen Nebeneffekt, dass sich das Konzert doch relativ störfrei genießen lässt. Da Killswitch Engage mittlerweile auf eine stattliche Anzahl an Hits zurückgreifen können, ist die Setlist ziemlich ausgewogen und enthält Songs aus sämtlichen Phasen der Bandkarriere. Wobei sich der Brecher „A Bid Farewell“, das sehr schöne „The Signal Fire“ (bei dem der Gastauftritt von Ex-Sänger Howard Jones leider entgegen aller Wünsche ausbleibt) und das unschlagbare Doppel „Rose Of Sharyn“/“Strength of the Mind“ als die stärksten Momente der Show herausstellen. Allerdings ist diese Kategorisierung angesichts der spielerischen Klasse der Band eher unerheblich, denn der gesamte Gig macht sehr viel Spaß und gipfelt in dem immer noch hervorragenden Cover des Dio-Klassikers „Holy Diver“, der selbstverständlich zahlreiche Echos in der Crowd findet. Dass sich Jesse Leach außerdem lange Ansagen spart und die Band ihre Songs fast Schlag auf Schlag ins Publikum feuert, macht die Show angenehm kurzweilig und eben verdammt gut.
28. Ankor, Sever München Backstage Club 27.10.2023
Das Backstage und seine Einlasskommunikation sind sich nicht immer so ganz einig. Das zeigt sich auch an diesem Abend, an dem die Katalanen Ankor auf ihrer ersten Headlinertour im Club gastiert. Laut Ticket öffnen die Pforten um 18 Uhr, vor Ort angekommen vertröstet ein Ausdruck an der Tür den geneigten Fan auf 19 Uhr. Auch erfolgt der erste Einlass nicht über den gewohnten Eingang, sondern über die Balkonpforte weiter hinten auf dem Gelände, was eher spärlich ausgeschrieben ist. Aber die Interessenten finden ihren Weg, wenn sich die Location auch etwas zögerlich füllt und letztendlich noch reichlich Platz für Bewegung bleibt, der im Verlauf des Abends auch genutzt wird. Dazu aber später mehr. Bis der Headliner loslegt gilt es erst noch Sever zu überstehen. Die junge Band aus Lettland legt um kurz nach 20 Uhr mit ihrem Mischmasch aus modernem Rock und radiotauglichem Modern Metal los. Dabei haben die Musiker anfangs durchaus die Sympathie auf ihrer Seite, denn die Kommunikation verläuft angenehm und authentisch, was aber kaum darüber hinwegtäuscht, dass von der Musik am Ende nichts hängen bleibt. Ob’s daran liegt, dass der Sänger die Fans dazu auffordert die Musik zu streamen, statt sie zu kaufen…? Oder ist die Crowd schuld, weil sie völlig grundlos sehr krass eskaliert? Wer weiß das schon so genau. Auf jeden Fall nervt es, dass sich die vielen Kiddies im Publikum hemmungs- und auch weitestgehend rücksichtslos umherschubsen. Auch wenn es kaum musikalische Gründe dafür gibt. Naja, zum warm werden kommt die Band bei einem Großteil der Anwesenden gut an. Das einzige Manko am folgenden Ankor-Gig ist die geringe Spielzeit von 75 Minuten. Unter allen anderen Gesichtspunkten ist das Konzert eine Augen- und Ohrenweide. Die Band ist bis in die Haarspitzen motiviert und wieder ist es die Schlagzeugerin, der die Auszeichnung für das übersprundelndste Engagement gebührt. Denn die Dame bearbeitet ihr Kit mit einer Hingabe, die ansteckt. Aber auch die übrige Band liefert eine Show, die zeigt, dass hier Potenzial für künftige Headliner-Positionen schlummert. Sowohl die Frontfrau, als auch der Gitarrist sind top bei Stimme und auch wenn die Bühne wenig Platz für Tanzeinlagen bereithält, turnt der brüllkreischende Seitenmann wie angestochen über die Bretter. Songtechnisch reiht sich im Grunde ein tanzbarer Hartmetallsong an den nächsten, aber „Darkbeat“ zündet das Publikum richtig an (hier wird jedes Mitmachspiel aufs äußerste ausgereizt, aber immer auf authentischer Ebene). Abseits der aktuellen Singles überzeugen Stücke wie das melancholische „Holy Wolf“, oder „Hill Valley“ und zeigen, dass die Band ihr Potenzial moderne elektronische Klänge mit Metal und eingängigen Hooks zu verschmelzen beherrscht. In jedem Song finden sich harte Riffs, Breakdowns und Singalongs in Harmonie. Mit „Stereo“ knallt die Band vor ihrem ersten Abschied einen aggressiv-melancholischen Ohrwurm in die Menge, der die Fans noch mehr aufdrehen lässt (dieser Refrain!). Das Highlight der Zugaben ist dann das Drum-Solo, denn Eleni Nota erweist sich auch im vollen Rampenlicht als Energiebündel, das die feine Grenze zwischen Technik und Energie gekonnt meistert und zerlegt ihr Kit nach allen Regeln der Kunst. Darüber hinaus wirkt die Dame einfach sympathisch und liebenswürdig, sodass ihr der Applaus natürlich sicher ist. „Prisoner“ macht dann den Sack zu und auch wenn die Fangesänge zunehmen, zeigt sich doch ein Problem, das den ganzen Gig leider etwas trübt: Viele Besucher scheinen kaum Interesse an einem respektvollen Miteinander zu haben, schubsen sich sehr hart im Moshpit hin und her und scheuen auch nicht davor zurück Unbeteiligte in das Treiben hinein zu ziehen. Das ist leider ein Symptom, das sich seit der konzertfreien Zeit zunehmend beobachten lässt. Wo ist bitte der sonst so viel gerühmte Respekt unter Rock- und Metalfans geblieben? Liegt’s an dem vergleichsweise niedrigen Durchschnittsalter der Anwesenden? Oder an der Zunahme einer „Weekend-Warrior“-Mentalität? So genau wird das leider kaum beantwortet werden können. Naja, Ankor überzeugen an diesem Abend trotzdem mit einem starken Gig und geben sich zum Abschluss erfreulich fannah. Denn am Merch-Stand ist nach Konzertende noch genug Zeit für den ein- oder anderen Plausch und es werden fleißig CD’s, Shirts und ähnliches signiert. Daher: Kommt gerne wieder nach München Ankor!
29. Floor Jansen, Anneke Van Giersbergen München Backstage Werk 10.05.2023
Der Name Floor Jansen zieht erwartungsgemäß einige Besucher ins Backstage Werk, denn die Schlange vor der Halle ist nicht gerade kurz (auch wenn es sich drinnen dann doch ein wenig verteilt). Die Metalheads unter den Anwesenden (und das sind nicht wenige) werden aber zunächst mit einem gewöhnungsbedürftigen Mix aus moderner Popmusik beschallt, der dem einen oder anderen Fan glatt den Geschmack am Bier verderben könnte. Aber was soll’s? Mit Anneke van Giersbergen hat sich Floor Jansen nicht nur eine befreundete Sängerin mit ins Boot geholt, sondern auch eine Szene-Veteranin, die wenigstens für ihre ehemalige Band The Gathering bekannt sein sollte. Damit, dass die Dame ihr Set als „One Woman-Show“ durchzieht und eben wirklich alleine auf der Bühne steht, sammelt sie Sympathiepunkte und beweist, dass es streng genommen keine Band braucht um gute Musik auf die Bretter zu bringen. In ihrem Fall reicht eine Beatmaschine, eine Akustikgitarre und nicht zuletzt eine prägnante Stimme um eine gute halbe Stunde Fröhlichkeit in die Halle zu zaubern. Dabei präsentiert die charmante Niederländerin einen Mix aus Covern (u.a. „Running Up That Hill (A Deal With God)“ von Kate Bush), eigenen Songs aus ihrer Karriere mit The Gathering (eine ergreifende Akustikversion von „Saturnine“) und natürlich eigenem Solo-Material, das mit vier Songs die Hälfte des Sets ausmacht. Qualitativ lassen sich dabei keine Abstriche finden, vorausgesetzt man weiß mit poppiger Singer-Songwriter Musik etwas anzufangen. Aber das ist im Publikum offensichtlich zu einem Großteil der Fall, denn als die sympathische Sängerin die Bühne verlässt erntet sie durchaus dankbaren Applaus. Den gibt’s auch als Floor Jansen mit „Fire“ in ihre Show startet. Auch wenn schnell klar wird, dass die anwesenden Metalheads heute eher weniger auf ihre Kosten kommen, spielt die Niederländerin mit ihrer Begleitband ein sehr schönes Konzert. Dabei liefert sie immer wieder persönliche Anekdoten zu den jeweiligen Songs und präsentiert eine Reise durch sämtliche ihrer bisherigen musikalischen Stationen. So gibt es mit „Storm in a Glass“ und „Bridel Passion“ ziemlich zu Anfang gleich zwei Northward-Songs zu hören und mit „Anfassen“ sogar ein Cover von Johannes Oerding. Bei dieser Mischung aus poppigen Stücken anderer Künstler, Songs ihres Soloalbums, wie z.B. dem fantastischen Mutmacher „Storm“, dem einen oder anderen Nightwish-Cover („Our Decades in the Sun“), sowie Liedern aus ihrer Zeit mit After Forever („Energize Me“, die Ballade „Strong“ und das bissig-flippige „Face Your Demons“) wird einmal mehr klar, dass Floor eine bombastische Stimme hat, mit der sie in jedem bespielten Genre glänzt. Außerdem zeigt sie (mal wieder), dass eine starke Stimme auch vermeintlich weniger spannende Songs aufpeppen kann. Beispielhaft dafür steht das Clueso-Cover „Zu schnell vorbei“, bei dem sie auch gleich nochmal ihre guten Deutschkenntnisse unter Beweis stellt (was natürlich für zusätzliche Sympathiepunkte sorgt). Als ein Highlight stellt sich auch „Come Full Circle“ heraus, das schlicht aufgrund der positiven Lebensfreude begeistert. Gleiches gilt für die beiden Zugaben „My Paragon“ und „Daydream“, mit denen sich Floor Jansen dankbar verabschiedet und die Besucher mit positiven Gefühlen entlässt. Um es kurz zu machen: Es war ein sehr schöner Konzertabend.
30. Future Palace, Envyyou München Backstage Halle 16.11.2023
Future Palace haben nach der jüngsten Support-Tour für Electric Callboy einen merklichen Popularitätsschub erfahren. Nicht umsonst wurde das Konzert im Backstage im Vorfeld vom ursprünglich anberaumten Club in die größere Halle verlegt, die trotzdem ruckzuck ausverkauft war. Nachdem der Einlass glücklicherweise human und zügig verläuft, fragt man sich mit Blick auf den Merch-Stand aber doch ein wenig wie krass die Preise über die jüngste Zeit angezogen haben. Denn ein schlichter Logo-Hoodie für sechzig Kröten und ein schwarzes Shirt mit (eher belanglosem) Logo-Print für dreißig Euro sind leider keine Seltenheit mehr, aber trotzdem immer noch irgendwo frech. Naja, dem Konzert soll das keinen Abbruch tun, dafür ist schließlich die Hallenmusik zuständig, die als grauenvolles Electro-Pop-Rap-Mischmasch anfangs unerträglich ist, je mehr sich die Halle aber füllt an Nervigkeit einbüßt und an Belanglosigkeit gewinnt. Mit Blick auf die Bühne fällt zunächst der etwas reduzierte Platz auf, denn die Aufbauten beider Bands stehen schon, sodass Envyyou anfangs etwas unter Platzmangel leiden. Das macht der Bewegungsfreude der Band aber keinen Strich durch die Rechnung, genauso wenig vermag das grauenvolle „Sweet Caroline“-Intro vom Band (das die Halle vielfach mitsingt) die Feierstimmung zu trüben. Musikalisch bieten die Jungspunde eine Mischung aus erschreckend belanglosem Modern Rock mit elektronischen Elementen, der dem 08/15-Mainstreamradio gefährlich nahe kommt. Mit dieser Meinung ist der Autor dieser Zeilen aber offensichtlich in der Minderheit, denn die Anwesenden feiern den Sound vielfach ab, was vielleicht auch an dem Mädchenschwarm-Potenzial des Sängers liegt. Denn als der schlaksige Posterboy seine Lederjacke auszieht erntet er lautstarken Zuspruch der anwesenden Ladys. Es sei ihm gegönnt, außerdem lockert es die Stimmung etwas auf. Zum Umbau treffen u.a. Any Given Days „Diamonds“ und Lady Gagas „Pokerface“ aufeinander, das letzteres mit deutlichem Abstand als Stimmungssieger hervorgeht, vermag den geschmacksicheren Rock-/Metalfan aber doch etwas am musikalischen Verstand der Münchner Fans zweifeln zu lassen. Future Palace können derartige Zweifel zwar wieder beiseite wischen und auch, dass ein Mitarbeiter des Clubs vor Beginn des Gigs auf die Bühne kommt und die Fans darum bittet aufeinander zu achten, lässt anfangs zumindest die Hoffnung zu, die Fans würden nicht komplett rücksichtslos freidrehen. Es soll anders kommen. Zunächst zieht aber die Bühnendeko die Blicke auf sich. Denn allerlei Blattwerk und LED-Röhren, die scheinbar planlos auf der Bühne drapiert wurden, hat man auch nicht alle Tage. Im Grunde gibt’s an dem was folgt auch nix auszusetzen. Das Trio um die mittlerweile zu einer selbstbewussteren Fronterin gereiften Sängerin lässt nix anbrennen und bringt das Backstage zum kochen. Das zeigt, dass Future Palace gemäß ihrem aktuellen Albumtitel „Run“ einen Lauf haben, bringt aber auch gehöriges Nerv-Potenzial mit sich. Denn zu Stücken wie „Flames“ oder auch „Dead Inside“ stürmen die Fans ohne Rücksicht auf Verluste in die Moshpits, die dementsprechend unangenehm ausarten. Sehr schön ist dagegen die Piano-Version der Ballade „Maybe“ (inklusive einer nahbaren und wichtigen Ansage zum Thema mentale Gesundheit von Sängerin Maria). Der exzellente Sound macht Stücke wie „Fever“ oder auch die neue Single „Malphas“ zu wahren Live-Brechern, die zwar super klingen und von der Darbietung der Band nochmal eine Portion Energie mehr verpasst bekommen, aber dadurch leider auch das Eskalationspotenzial der Fans anstacheln, das sich im ekelhaften Pit leider etwas unschön entlädt. Getoppt wird das Ganze nur noch von der Wall Of Death zu „Paradise“, bevor sich Future Palace mit „Sleep Tight“ und einem netten Dank an die Fans, die Crew und ihre Vorband verabschieden. Was denn, schon wieder rum? Ja, etwa fünfundsiebzig Minuten hat die Sause gedauert. War ganz nett, musikalisch sehr schön, personell seltsam und letztendlich ein wenig kurz. Aber naja, für einen Donnerstagabend war es ganz angemessen.
31. Architects, Northlane, Sleep Token Berlin Verti Music Hall 13.01.2023
Was lässt man nicht alles für ein schönes Konzerterlebnis über sich ergehen… trinktechnische Unfälle zum Beispiel. Denn als Bayer ist das was man in Berlin an der Hallenbar serviert bekommt, gelinde gesagt, Plörre (dass der musikalische Gourmet für das Zeug satte 6,50 Euro löhnen muss, macht es noch schmerzlicher). Aber sei’s drum, die Bar ist gut besucht. Die Verti Music Hall ist dagegen nicht nur von außen ein interessanter Bau, auch im Inneren wirkt alles sehr modern und kühl. Zusätzlich zum Parkett gibt’s insgesamt vier Ränge, die sich nach hinten und zu den Seiten erstrecken und den dort sitzenden Gästen ein wenig mehr Überblick bieten. Wer sich diesen verschafft stellt schnell fest, dass das Publikum heute zwar durchwachsen ist, aber doch eine gewisse Tendenz gen Jugend auszumachen ist. Was wohl doch am modernen Soundpackage des Line Ups liegt. Die Maskenfreunde von Sleep Token eröffnen den Abend mit ihrem Mix aus Electronica und rockenden Riffs mit souligem Gesang äußerst geschmackvoll. Allerdings fällt schon nach den ersten paar Minuten ein Problem auf, das den ganzen Abend kaum besser wird: Der Sound. Der kann noch so klar und druckvoll aus den Boxen tönen, wenn er nicht laut genug ist geht die Atmosphäre flöten. Das gilt heute leider für alle auftretenden Bands. Allerdings sieht das ein Großteil der Besucher wohl anders, denn schon nach den ersten paar Minuten singt die Crowd aus hunderten Kehlen zu Tracks wie „Chokehold“ oder versinkt ähnlich ekstatisch wie die Band selbst in den Klängen von „Alkaline“ (zugegeben, ein hammermäßiger Song). Aber auch wenn sich die Band ins Zeug legt und optisch wie musikalisch etwas zu bieten hat, auf Dauer bleibt heute Abend leider wenig bis nix hängen, außer dass die Fans zunehmend auf Eskalationskurs sind. Das zeigt sich auch bei Northlane. Schon nach dem Intro zum Opener „Clarity“ gehen die ersten Moshpits auf und ein paar Wahnsinnige zetteln eine Wall of Death nach der anderen an. Naja…sicher, zum Sound der Band mag das irgendwie passen, aber leider nervt es doch sehr, wenn man als Unbeteiligter ständig die Flucht vor Ellenbogen und sogar Fäusten antreten muss. Leider bleibt der Sound auch verhältnismäßig leise, was der Musik einiges an Energie raubt. Für Pits und dergleichen reicht es aber scheinbar. Und auch wenn die Musiker immer wieder ihre Liebe zu Berlin betonen und die Fans zu Action auffordern, es ändert nichts daran, dass das Material zwar gut ist, aber kaum zwingende Momente zu bieten hat. Das Gros der Besucher sieht das aber offensichtlich anders. Der folgende Umbau zieht sich leider wie Kaugummi, was die Stimmung zwar nicht komplett zerstört (immerhin dröhnen Slipknot und Co. aus der Anlage), aber es nervt doch, denn so haben die Besucher mehr Zeit sich zu verteilen um danach geballt nach vorne zu drängen. Natürlich ist das für die Show der Architects eher unerheblich, denn die ist ein Abriss, was sich aber auch ein wenig negativ bemerkbar macht. Denn schon zu den ersten Tönen von „Black Lungs“ eskalieren die Fans ungeniert. Das heißt, dass riesige Pits und Nervereien wie eine Wall of Death an der Tagesordnung sind, was den Genuss des Konzerts etwas schmälert. Die Lightshow ist dagegen erste Sahne und betont die verzweifelte Energie von Songs wie „These Colours Don’t Run“ oder dem Brecher „Deep Fake“ bestens. Allerdings gibt’s doch noch ein, zwei Kritikpunkte an dem Konzert. Einer davon ist, dass die modern-avantgardistische Gestaltung der Verti Music Hall weniger gut zum Sound der Architects passt, als mancher glauben mag. Vielleicht ist das auch ein Grund warum das spezielle Feeling, der berühmte Funke heute nicht ganz überspringen will, was besonders im Akustikset deutlich wird. Natürlich gibt’s davor reichlich Eskalationspotenzial, das die Fans zu Songs wie „Impermanence“, „Broken Cross“ oder „Royal Beggars“ (der Fanchor ist der Hammer!) auch aufs heftigste ausreizen. Aber gerade in den reduzierten Momenten der Akustikversionen, die für sich genommen allesamt top sind, verpufft die Energie. Da kann sich die Band und speziell Sam Carter noch so ins Zeug legen, wenn die Fans das Feeling verpassen ist das leider für die Katz. Nichtsdestotrotz reißt die Band auch heute einen top-Gig ab, der musikalisch wenig bis keinen Anlass zur Kritik bietet. Das zeigt sich wieder an genialen Nummern wie „Hereafter“ oder den beiden Schlusslichtern „When we were young“ und „Animals“ die schließlich doch ein klein wenig von dem möglichen Feeling in die Halle bringen. Die Crowd singt und eskaliert komplett, was zwar verständlich ist, aber leider wieder nervt. Naja, der Band ist das nicht anzulasten, denn die verabschiedet sich am Ende mit dankbaren Worten und sichtlich zufrieden von den Fans, die mehrheitlich ausgelaugt, aber glücklich aus der Halle strömen.
32. Mystifier, Jesajah München Backstage Halle 14.06.2023
Selbst für einen Mittwochabend ist sehr wenig los in der Backstage Halle, was nicht nur angesichts der weiten Anreise des Headliners, schade ist (Brasilien ist schließlich nicht um die Ecke). Allerdings bekommen die Anwesenden ein bekömmliches Black/Death-Metal Menü serviert. Zwar verspätet sich der Start um knapp zwanzig Minuten, aber dem Auftritt von Jesajah schadet das kaum. Zunächst drapieren die Musiker allerlei Düster-Deko auf der Bühne. Dabei fällt das Keyboard ins Auge, wird es doch mit zwei großen Teufelshörnen bestückt. Aber auch der Mikroständer könnte, dank dekorativem Gerippe, kaum weniger Black Metal sein. Rein optisch steht einem angenehmen Abend also nichts im Weg. Vom düster-wavigen Intro begleitet, starten die Musiker mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums „Legion“ in ein Set, das die nächsten fünfzig Minuten zwar kaum musikalische Überraschungen bereithält, aber als Gesamtpaket gut ankommt. Für eine gewisse unheilvolle Atmosphäre ist auch das Keyboard zuständig, das der Frontmann im Wechsel zu seiner Rolle als Sänger bedient. Die Musik überzeugt aber in Gänze, denn der schneidende Black Metal geizt nicht mit Melodien und Harmonien, die immer wieder für eine gewisse Kälte sorgen. Womit die Band ihre auf Platte vorhandenen Qualitäten auch gut in die Live-Situation transportiert. Der Fokus liegt klar auf der Musik, was die spärlichen Ansagen unterstreichen. Auch wenn die eine oder andere Showeinlage nicht fehlen darf (am Ende schießt der Sänger z.B. mit einer Trockeneiskanone ins Publikum). Die übrigen Musiker bearbeiten ihre Instrumente eher stoisch, was aber gut zum Gesamtbild der Band passt. Manche Situationskomik des Fronters macht außerdem einen eventuellen Mangel an Bewegung wett. Denn eine Ansage wie „Two more songs, than I’m over“ ist doch einen kleinen Lacher wert. Als nach fünfzig Minuten Schluss ist ernten Jesajah durchaus mehr als Höflichkeitsapplaus, wobei das, gemessen an der überschaubaren Besucherzahl, auch nicht so schwierig ist, scheint das Publikum doch eher aus Enthusiasten zu bestehen. Das ist einerseits schade, andererseits auch schön, denn dadurch sind die Freunde des düsteren Sounds doch in der Überzahl und auch das, in Teilen, ziemlich stumpfe Geballer von Mystifier kommt gut an. Fürs Auge wird (je nach Betrachtungsweise) auch einiges geboten. Denn der Oberkörper-frei-Look von Bandkopf Beelzeebubth ist zugleich skurril und passend. Gleiches gilt für den Sänger, der stimmlich zwar keine Ausnahmeerscheinung ist, aber gerade in den Tiefen eine sehr morbide Frequenz erreicht. Allerdings klingen im Gegensatz dazu seine Screams in höherem Terrain teilweise etwas dünn, was die Anwesenden aber kaum stört. Auch kommt eine kleiner Synthesizer zum Einsatz, den der Frontgrunzer u.a. für den ein- oder anderen Orgel-Sound nutzt. Diese klanglichen Nuancen kommen zwar grundlegen gut zur Geltung, werden in manchen Momenten aber doch unter dem Soundschlick des Black-/Death-Gebräus begraben, was, gemessen an den Publikumsreaktionen, aber verschmerzt wird. Vielleicht liegt es auch am auf Dauer etwas undifferenzierten Sound, dass nicht immer alle Nuancen der Songs erkennbar sind (speziell im Bereich der Gitarrenmelodien). Aber was soll’s? Die Anwesenden lassen sich wahlweise zu einem anerkennenden Nicken oder ekstatischem Fistbanging hinreißen, womit auch Mystifier unterm Strich auf einen gelungenen Gig in München zurückschauen können.
33. Erra, Silent Planet, Invent Animate, Sentinels München Backstage Halle 06.03.2023
Ein Abend im Zeichen des modernen Metalcore/Deathcore-was-auch-immer steht auf dem Programm: Vier Bands, vier mal modernes Core-Allerlei. Warum nicht auch mal Experimente wagen…? Über mangelnden Zuspruch kann sich heute auf alle Fälle keine der Bands beschweren, denn die Backstage Halle ist ziemlich voll. Los geht’s mit den Sentinels, die wohl zwei große Leidenschaften haben: Deathcore und Breakdowns. Lästermäuler könnten jetzt behaupten: Das war’s dann auch schon wieder. Und so völlig daneben würden sie damit auch nicht liegen, aber die die brutale Energie der Band findet heute viel Zuspruch. Zwar will in dem Breakdown-Tetris nicht ein einziger Song wirklich nachhallen, aber hier geht’s wohl eher um das Feeling, das ob seines Brutalitätsvolumens doch wenigstens erstaunt und sei es nur dadurch, dass der Moshpit bereits sehr aktiv wird. Weiter geht’s mit Invent Animate, die im Grunde ein ähnliches Feld bestellen wie ihre Vorgänger, aber einen wesentlich besseren bzw. variableren Sänger in ihren Reihen haben. Der Mann bringt immerhin auch Klargesang mit ins Spiel, was hier und da doch für willkommene Kontraste im Sound sorgt. Dass aber auch hier musikalisch am Ende wenig hängen bleiben will scheint dem Großteil der Anwesenden egal zu sein, denn der Moshpit rastet nochmal energischer aus und auch die ersten Crowdsurfer werden aktiv. Im Grunde wirkt der Gig eher wie eine willkommene Möglichkeit zum kollektiven Stressabbau, als durch Musikalität zu überzeugen. Silent Planet haben dann, zumindest Anfangs, doch einige Lacher auf ihrer Seite. Denn das Streifenhemd des Sängers wirkt, gelinde gesagt, befremdlich. Aber immerhin bringen die Musiker u.a. dank diverser Ruhemomente wie cleanen Gitarren doch ein wenig Abwechslung in die Haudrauf-Stimmung des Abends. Stimmlich überzeugt der Mann am Mikrofon vor allem mit seinem Klargesang, der den heftigen Breakdowns wenigstens ein paar spannende Kontraste entgegensetzt. Aber es ist doch viel eher die durchgeknallte Attitüde des Frontmanns die für Interesse sorgt, als es die Musik zu tun vermag. Der Mann springt immer wieder wie von der Hummel gestochen umher und bäumt sich regelrecht auf, wenn er ins Mikrofon brüllt. Das macht den Sound zwar grundlegend nicht weltbewegend, aber es sorgt für Sympathie. Da passt es auch gut ins Bild dass das Shirt des Sängers letzten Endes in der Menge landet. Erra starten im Anschluss mit einem sehr technoiden Intro in ihr Set und dürfen sich über den frenetischsten Fanzuspruch des Abends freuen. Die Stimmung ist von Anfang an bestens und die Anwesenden singen aus vollen Kehlen mit, völlig egal ob gerade Gebrüll oder Klargesang von der Bühne schallt. So spaßig die Stimmung aber ausfällt, die Lightshow wirkt doch etwas gleichförmig und das andauernde, grelle Flackern passt nicht immer zum Sound der Band. Vor allem während so manchem Breakdown wirkt es seltsam deplatziert. Allerdings ist das nur ein marginales Detail, denn der Großteil der Anwesenden feiert den Headliner ohne Ende ab. Das heißt: Crowdsurfer machen sich immer wieder auf den kurzen Weg gen Bühne und der Moshpit bleibt sehr aktiv. Wenn allerdings der eindringlichste Song (vielleicht auch der einzige seiner Art) das Finale ist, stellt sich doch ein wenig die Frage nach der Qualität des restlichen Sets…aber geschenkt, denn nicht nur mit dem Schlusslicht „Snowblind“ liefern Erra heute eine heftige Soundkeule modernen Metalls, von der sich die Anwesenden dankbar vermöbeln lassen. Also muss die Band einiges richtig gemacht haben.
Dominik Maier