20 starke Scheiben von 2020

Da die Konzertliste dieses Jahr leider sehr kurz ausfällt, habe ich entschieden die Liste der Alben des Jahres dafür um ein paar Plätze aufzustocken. Diesmal gibts 20 Krachbonbons abseits der monatlichen Pole-Position (Die Reihenfolge ist relativ beliebig, da die stilistische Vielfalt und vor allem das musikalische Niveau sehr hoch sind.)


1. Dark Fortress – Spectres from the old World

Black Metal versteht sich als Antikultur, als Gegenpol zu vorherrschenden Meinungen und etablierten Ansichten sowohl musikalisch, wie auch im Bezug auf seine Inhalte. Dark Fortress haben es schon länger verstanden innerhalb dieser Antikultur ein gewisses Element der Fremde darzustellen. Waren die ersten Alben klar im bissigen, boshaften Black Metal anzusiedeln, ist “Spectres from the old World” der vorläufige Höhepunkt einer Reise deren Klang zwar immer noch schwarze Wurzeln hat, aber gerade inhaltlich weitgehend untypische Pfade beschreitet. Wer aber Elemente wie Kosmologie oder die Inhalte der String-Theorie im Kontext eines Black Metal Albums als zu hoch gegriffen empfindet, der irrt. Denn was Black Metal in all seinen Auswüchsen und Inhalten schon immer ausgezeichnet hat, ist das Hinterfragen von Institutionen, geltenden Glaubenssätzen usw. Blickt man auf die heutige Zeit ist der Status den die Wissenschaft in unserer Gesellschaft einnimmt oft durchaus ähnlich gewichtig wie es in anderen Zeiten (und teilweise auch heute noch) bei Kirchen o.ä. der Fall war. (Nicht falsch verstehen: Wissenschaft ist wichtig und einer gesunden Evolution von Geist und Intellekt unbedingt zuträglich, darf und muss aber auch hinterfragt werden.) Hier könnte “Spectres from the old World” ansetzten, hinterfragt es doch in gewisser Weise das eigene Genre wie kaum ein anderes Album. Wie darf/muss Black Metal klingen um seiner Bezeichnung gerecht zu werden? Inwiefern bedingt der Name eine gewisse Atmosphäre? Der Kern des Genres war es aber seit jeher mit Konventionen zu brechen, egal wie sich diese gestalten. Genau das tut “Spectres from the old World”, nicht nur thematisch sondern auch musikalisch. Mit “Coalescence” brettert das Album zunächst ungestüm los, aber schon “Spider in the Web” bewegt sich in fast psychedelischen Gefilden, die nicht selten an Pink Floyd erinnern. Wichtig für das Erlebnis das die Musik birgt, ist auch Sänger Morean, der mit seiner variablen Stimme immer wieder für Gänsehaut sorgt. Während in “Pazuzu” ein wahrer Horrorstreifen vor dem inneren Auge abläuft, schlägt der Aufbau einige spannende Haken und überrascht mit ungewohnten Grooves. “Pulling the Threads” ist ein rasendes Biest, das garstig seine schwarzmetallischen Klauen zeigt. Dass ausgerechnet hier die erhabenen Klargesänge am nachhaltigsten wirken ist in gewisser Weise exemplarisch für die gegenläufigen Effekte die “Spectres from the old World” in seiner Gänze beim Hörer hervorruft. Die tiefgründigen Texte erzeugen zusammen mit der spannenden und wirklich packenden Musik ein finsteres Monument, das als Manifestation des Bandnamens gelten muss. Dark Fortress haben mit diesem Album Kunst geschaffen und bewegen sich damit fernab jeglicher Konkurrenz!


2. Solstafir – Endless Twilight of Codependent Love

Zwischen Melancholie und Trübsal, zarter Schönheit und ruppiger Rauheit haben Solstafir seit längerem ihre musikalische Heimat gefunden. In gewisser Weise klingt die Musik auf jedem ihrer Alben wie die Vertonung eines Lebensgefühls das vom kontrastreichen Leben in einem Land wie Island zeugt. Auf der anderen Seite verarbeitet die Band und besonders Sänger/Gitarrist und Bandkopf Aðalbjörn Tryggvason auch den eigenen Kampf mit ganz persönlichen Dämonen in der Musik. Dieses Gefühl entsteht nicht zwingend aus den Texten (die fast alle auf isländisch sind und in meinem Fall nur mit Hilfe von Google-Übersetzer und co. auseinandergedröselt werden können) sondern vielmehr durch die Stimmung der Musik woran besonders der emotionale Gesang großen Anteil hat. Im Vergleich zu den Vorgängerwerken fällt auf dass die Musik trotz ihrer Schwere ein gewisses Gefühl von Freiheit transportiert. Das bedeutet auch, dass die Songs sehr variabel ausfallen. Mit dem schwermütigen “Her Fall from Grace” gibt’s sogar wieder einen englischsprachigen Titel, der mit zum Besten zählt was die Band bisher veröffentlicht hat. Dass danach mit “Dionysus” der wohl härteste Song des Albums folgt verdeutlicht die Spannungskurve des Werks. Nicht nur der Gesang wird verzweifelt herausgeschrien, am Ende gibt’s sogar sowas wie Blastbeats. Das etwas schrammelige Geschepper, das sich durch den ganzen Song zieht verleiht ihm zusätzliche Tiefe und ja, auch Dunkelheit die sich sehr nahbar anfühlt. “Til Moldar” verkehrt die Gefühlswelt dann nicht nur klanglich ins genaue Gegenteil. Zu reduzierten Grooves und fast meditativen Pianomelodien, gewährt die Musik der Stille viel Raum. Vor allem die ruhigsten, reduziertesten Elemente entfalten die nachhaltigste Wirkung. Wie fast immer bei Solstafir ist es ziemlich schwer bis sinnlos einzelne Songs herauszugreifen weil die Musik vor allem vom Zusammenspiel aller Komponenten lebt. So wirkt “Endless Twilight of Codependent Love” auch am besten wenn es am Stück gehört wird. Und vor allem wenn man sich wirklich darauf einlässt. Das ist keine Musik für “nebenbei”, aber gerade deshalb ist dieses Album so speziell und eben auch genial. Solstafir sind und bleiben einzigartig!


3. Black Curse – Endless Wound

Das Death Metal Album des Jahres? Für mich definitiv! „Endless Wound“ ist faulig, bösartig und verkommen. Dabei blitzt in den mörderischen (auf den ersten Blick mitunter etwas stumpfen) Kompositionen aber immer eine musikalische Genialität auf, die das hohe instrumentale Niveau der Musiker verdeutlicht. Vom ersten Ton an schrillen die Alarmglocken. Die Musik überschlägt sich zuweilen in mörderischem Tempo, dann treten zähe Breaks auf die Bremse und ein Song wie „Enraptured By Decay“ versinkt in metertiefem, fauligem Morast. Auffallend ist der stets düster wabernde Bass, dem auf dem ganzen Album eine tragende Rolle zuteil wird, ohne zu dominant zu klingen. „Seared Eyes“ dagegen ist ein Geschoss das alle Stärken der Band bündelt. Getreu dem Motto „in der Kürze liegt die Würze“ wird dem Hörer ein prägnantes Brett vor den Latz geknallt das sich unbarmherzig in die blutenden Ohren frisst. Manche Elemente des Albums driften gar in noisige Gefilde ab (nachzuhören u.a. im brachial donnernden Titeltrack). Das finale „Finality I Behold“ wirkt ein klein wenig ausladender und zeigt die meiste Abwechslung. Neben einem total chaotischen Gitarrensolo begeistert vor allem der Break vom wüsten Anfangsgeballer hin zu schwerem Groove mit Headbang-Qualitäten der den Song in ein noisiges Finale führt und den Hörer geplättet zurück lässt.


4. Böhse Onkelz – Böhse Onkelz

Nachdem “Memento” rückblickend zwar gut war, aber keinen klaren musikalischen Weg erkennen ließ, ist “Böhse Onkelz” in vielerlei Hinsicht ein Paukenschlag. Die Musik klingt direkter, wenn man so will “onkeliger” und der Anspruch an den eigenen Bandnamen wird zu hundert Prozent erfüllt. “Kuchen und Bier” ist ein breitbeinig rockender Einstieg und beleuchtet die eigene Geschichte. Augenzwinkernd werden 40 Bandjahre in typischer Onkelz-Manier abgefeiert. Mit lässigem Groove ruft “Des Bruders Hüter” dazu auf das Leben in die eigenen Hände zu nehmen (grundsätzlich nix neues, aber gerade heutzutage immer noch wichtig), ehe “Ein Hoch auf die Toten” satten Rock n Roll bietet und die philosophische Frage stellt was nach dem Tod kommt. Dabei grätscht die Band zwischen Kumpel-Attitüde und dem Bewusstsein über das Gewicht des Themas hin und her. Oder man versteht den Song schlicht als Hymne auf die die nicht mehr unter uns sind. So oder so: Starke Nummer! Über “Prawda” wurde seit der Veröffentlichung derart viel diskutiert, dass es im Grunde egal ist was der Song aussagen soll. Der Großteil der Konsumenten hat sich seine Meinung bereits gebildet. Dabei steht der Song durchaus in einer gewissen Tradition (es ist schließlich nicht das erste mal, dass die Presse kritisiert wird, und es ist auch nicht das erste mal das eine gewisse Rhetorik verwendet wird). Zeilen wie “deine Wahrheit beruht auf sich selbst, sie ist was du fühlst, was du sprichst, was du denkst” sind als Aufruf zu verstehen grundsätzlich nach eigenem Wissen und Gewissen zu handeln, dieses aber auch immer weiter zu entwickeln. (Was daran falsch oder verwerflich sein soll leuchtet mir beim besten Willen nicht ein…) Mit spritzigem Charme und hochphilosophischem Inhalt beleuchtet “Saufen ist wie weinen” das Thema Sucht und was wären die Onkelz ohne Pathos? Richtig: Nicht sie selbst! “Wie aus der Sage” stammt aus Pe’s Feder und beleuchtet den Abstieg, den Fall und den Wiederaufstieg von Kevin Russel aus der Perspektive eines Freundes. Ein episches Monster mit hohem Motivationsfaktor. Punkig aber progressiv tobt “Du hasst mich, ich mag das” umher und lädt genauso so zum pogen ein wie es einen nachdenklich stimmt. Geil! Das düster rockende “Rennt” übt Kritik am Mensch-Sein und unserem Verhalten allgemein und beschwört durchaus dystopische Momente herauf. Die positive Gegenseite dazu zeigt sich in “Wer schön sein will muss lachen”. Bluesige Strophen leiten in einen fetten Refrain über, was einen schönen Kontrast erzeugt. Wobei sich aber die Frage stellt ob das Ganze als reine Blues-Nummer nicht noch einen Tick geiler wäre. Mit “Der Hund den keiner will” geben die Onkelz dann ein zeitloses, sozialkritisches Statement ab. Depressionen sind ein gesellschaftlich relevantes Thema, werden aber immer noch zu oft ignoriert. Musikalisch gibt’s einen der besten Refrains des Albums und auch der Mix aus Blues, Reggea und Rock ’n Roll kann was. “Flügel für dich” macht Mut und ruft den Hörer dazu auf das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Cooler Ohrwurm der textliche Esoterik passend mit der “Onkelz-Attitüde” verbindet. “Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf” schwingt dann die abschließende Emotionskeule. Zeilen wie: “Und wenn es mich nicht mehr gibt, es bleibt dieses Lied” machen einem nicht nur die eigene Vergänglichkeit deutlich, sondern könnten auch als finaler Karriereakt gedeutet werden. Wollen wir hoffen, dass diese Ahnung von Abschied so bald nicht eintritt, denn in dieser Qualität dürfen die Böhsen Onkelz gerne noch 40 Jahre lang weiter machen.


5. The Committee – Utopian Deception

The Committee bewegen sich mit „Utopian Deception“ wohl näher am aktuellen Zeitgeschehen als das noch auf den Vorgängerwerken der Fall war. Im Angesicht der aktuellen weltweiten Situation in der die Zukunft völlig ungewiss scheint, in der die Politik fundamentale Grundrechte mehr und mehr erodiert und bloße (mediale, wie auch institutionelle) Panikmache das soziale Gefüge auf der Welt immer weiter zerrüttet beschreibt das dritte Album der international besetzten Black Metal-Zusammenrottung den Geist und das Geschehen des Jahres 2020 leider sehr passend. Bei den Texten beginnend fällt auf, dass dem Kollektiv der Clou gelingt Mahnmale für das Einhalten der Demokratie zu verfassen, ohne eindeutige „Anklageschriften“ oder Meinungen zu propagieren. Vielmehr erhält der Hörer Einblick in eine dystopische Vision einer totalitären Gesellschaft. Die Botschaften lesen sich oft als potenzielle Warnungen vor blindem Mitläufertum und beschreiben den Verlauf einer zunehmenden Radikalisierung einer Gesellschaft die dazu führt, dass zunächst für undenkbar gehaltene Ideologien schließlich doch Realität werden. Doch am Ende entsteht die vermeintliche Utopie nur aus den Trümmern und dem ideologischen Abfall etablierter Werte und Wortführern, fußt also auf den Leichen der Vergangenheit und dem Vernichten von abweichendem Gedankengut. Eine Situationsdarstellung in der wir uns faktisch seit März 2020 befinden. Musikalisch wurde der Sound nochmal geschärft. Der atmosphärische Black Metal untermauert die Texte perfekt. Die Songs sind spannend arrangiert, klingen bedrückend, sogar schwer und haben etwas regelrecht Niederschmetterndes. Zwischen dieser Melancholie und den stellenweise sehr pessimistischen Tönen peitschen The Committee aber auch aggressiv, manchmal fast heroisch voran und kreieren über das gesamte Album einen intensiven Spannungsbogen, der nicht immer vorhersehbar ist aber stets nachvollziehbar bleibt. Zwischen Angst, Hass und schwermütiger Resignation hat die Band ein beeindruckendes Album geschaffen das als Gesamtkunstwerk aus Musik, Text und optischer Darstellung am besten funktioniert und gleichermaßen aufrüttelt wie es zermürben kann. Brillant!


6. Callejon – Metropolis

Der “Gottficker” streift durch “Metropolis” während die “Krähe mit dem Schädelbauch” vom “Herrn der Fliegen” in die “Katakomben” einer vergessenen Stadt entsandt wird. Okay, liest sich krude, muss auch nicht stimmen und doch beschreiben allein die Songtitel, dass Callejon auf “Metropolis” wieder einen Schritt zurück in Richtung ihrer Wurzeln gehen. Soll heißen: Es gibt ordentlich auf die Zwölf. Dabei wird die Brutalität von “Wir sind Angst” mit einer thematischen und vor allem ästhetischen Komplexität wie man sie am ehesten noch von “Blitzkreuz” kennt verwoben. Passend dazu sind auch die Themen der Scheibe deutlich düsterer als zuletzt. Während sich der Text von “Die Fabrik” wie ein Anklage auf die Konsumgier der Menschen und der Illusion nie enden Wachstums wie sie in der Gesellschaft immer noch gepredigt wird liest, zeichnet sich der titelgebende Opener vor allem durch die Zerrissenheit des lyrischen Ichs aus. Insgesamt gelingt es Callejon diesmal wieder perfekt die verschiedenen Motive in musikalisch packende und auf jeden Text individuell zugeschnittene Songs zu kanalisieren. Das aggressiv ballernde “Herr der Fliegen” thematisiert u.a. die immer extremer werdende Ellenbogengesellschaft, wohingegen “Die Krähe mit dem Schädelbauch” als pathetisch-melancholische Suche nach einem wie auch immer gearteten Gegenpol daherkommt und dabei einen der besten Refrains des Albums verzeichnen kann. “Der Wald” hingegen liest sich als düstere Schauergeschichte und wird dementsprechend musikalisch untermauert. Industrialsounds verbreiten anfangs eine unterschwellige Kälte die aber ein ordentliches Brett einleitet. Auch “Herr der Fliegen” tritt das Gaspedal voll durch und macht textlich keine Gefangenen. Mit dem düster brodelnden “Katakomben”, dem angepissten Frontalangriff “Dies Irae” und vor allem dem kryptischen Finale “Gestade der Vergessenheit” findet “Metropolis” ein bärenstarkes Ende, das die allgegenwärtige Verzweiflung mit aggressiver Resignation verbindet ehe dem Hörer die finale Botschaft eindringlich, beinahe verstörend vor Augen führt dass es aus dem kaputten Dasein in dieser kaputten Stadt schlicht kein entrinnen gibt. Callejon bieten auf “Metropolis” einen akustischen Blockbuster der Extraklasse und haben zu alter Stärke zurückgefunden, wenn sie nicht sogar auf einem ganz neuen Höhepunkt angelangt sind.


7. Me and that Man – New Man, New Songs, Same Shit Vol. 1

Nachdem Nergals Liaison mit John Porter nach einem Album in die Brüche ging schart der charismatische Schwarzwurzelgeist auf “New Man, New Songs, Same Shit Vol. 1” gleich eine ganze Heerschar von Gästen um sich. Aber ist mehr gleich besser? In diesem Fall ganz klar: Ja! Am Sound hat sich im Grunde nix geändert. Die Musiker bieten eine Mischung aus Country, Blues, (etwas) Rock ‘n Roll und dunklem Folk. Ein großer Pluspunkt ist u.a. dass sich hier fast ausschließlich Metal-Musiker gegenseitig unter die Arme greifen und ein Album kreiert haben das absolut kein Metal ist. (Punkt für die Originalität.) Der zweite Pluspunkt ist, dass daraus fast ausschließlich Ohrwürmer mit Hitpotenzial entstanden sind! Das rotzige “Run with the Devil” eröffnet den Reigen und mit “Coming Home” folgt ein erstes dickes Ausrufezeichen. Gastsänger Sivert Høyem inszeniert den Song wie den Soundtrack zu einem düsteren Roadmovie in dem der einsame Protagonist einen staubigen Highway ins Nirgendwo entlangbrettert. “Burning Churches” mit Mat McNerney (Grave Pleasures) erinnert am stärksten an das Debut und der leicht versoffen klingende Gesang erzeugt zusammen mit der Melancholie der Violine eine sehr trockene (humoristische?) Stimmung die richtig Spaß macht! “By the River” wird von Ishahn beeindruckend emotional vorgetragen und erzeugt unweigerlich Gänsehaut! Nergals einziger Alleingang “Męstwo” ist ein richtiges Highlight! Auch wenn man als nicht-Pole vermutlich kein Wort versteht jagt die Musik einem sofort Schauer über den Rücken. Düster, romantisch und irgendwie geheimnisvoll. Die Eigenheiten der Songs alle einzeln aufzudröseln spare ich mir hier jetzt. Am besten funktioniert die Scheibe wohl in einsamen Momenten (mit einem Glas Whiskey), oder auch als Soundtrack für eine Nachtfahrt über staubige Landstraßen mitten im Nirgendwo (die heimische Anlage tut’s aber im Notfall auch….). Als Fazit bleibt festzustellen, dass dieses Zweitwerk vor allem von seiner Vielfalt lebt und eine wirklich starke Kollaboration von haufenweise talentierten Musikern geworden ist.


8. Disbelief – The Ground Collapses

Sonnenscheinmusik haben Disbelief ja noch nie fabriziert, aber mit “The Ground Collapses” malen die Herren so richtig schwarz. Eine derart bedrückende, zermürbende Endzeitstimmung heraufzubeschwören gelingt nur wenigen Musikern. Natürlich trägt Jaggers markanter Gesang maßgeblich dazu bei, dass die Musik so intensiv unter die Haut geht, aber es sind eben auch die Kompositionen und vor allem die Texte die diese Vertonung der Apokalypse derart kompetent machen. Allein das düstere Intro zum Titeltrack erzeugt Gänsehaut bevor die sprichwörtliche Hölle losbricht. Diese Hölle ist thematisch aber immer auf die aktuelle Weltlage gemünzt und liest sich teilweise wie ein mahnendes Manifest. Dazu passt auch das apokalyptische Endzeitcover sehr gut. Aufgrund der Intensität des Materials ist “The Ground Collapses” eher ein Album für den aktiven Genuss z.B. über Kopfhörer. Dann entfachen Songs wie “Killing to the Last” oder “Colder Than Ice” ihre volle Wucht. Dabei fällt auch auf, dass Disbelief es nahezu perfekt beherrschen Musik und Text miteinander zu verzahnen. Die Texte werden immer passend in Szene gesetzt und das Album schafft es tatsächlich eine Art düsteren Endzeitfilm vor dem inneren Auge zu erzeugen, der anhaltend bedrückend nachwirkt. Am Ende muss man erst mal nach Luft schnappen und den zermürbenden Trip verdauen. Derart tiefschürfende und emotional aufwühlende Musik beherrschen nicht viele Bands und Disbelief sind nach wie vor unangefochtene Spitzenreiter in ihrer Sparte!


9. Svart Crown – Wolves among the Ashes

“Wolves among the Ashes” ist ein sperriges Stück der Extreme. Die Musik walzt sich brutal und mächtig aus den Boxen und erschlägt den Hörer förmlich. Dabei klingt das finstere Gebräu technisch fordernd ohne in Prog-Gefrickel auszuarten und erinnert durch die bedrückende Finsternis immer wieder mal an Behemoth. Svart Crown überfordern den Hörer aber trotz ihrer Unvorhersehbarkeit nicht. Vielmehr gelingt es der Band einen Sog zu erzeugen, der einen vom ersten Ton an in die erdrückende Dunkelheit hinabzieht. Dabei zelebrieren die Franzosen keine reine Lehre irgendwelcher Dunkel-Genres sondern schichten bleiernen Death Metal über schleifenden Doom und verbinden das Ganze mit kalten Industrial Sounds (mal ganz grob umschrieben). Dass dieser Mix aber nicht alles ist was in der Musik passiert kann u.a. im monolithischen “Blessed be the Fools” nachgehört werden. Ein Song wie “Art of Obediance” begeistert dagegen mit coolem Prog-Touch der manchmal an Bands wie Gojira erinnert, mischt aber immer eine Riesenportion Finsternis und Chaos bei. Insgesamt fällt auf, dass Svart Crown zwar immer düster und bedrückend klingen, dabei aber verschiedenste Emotionen transportieren. “At the Altar of Beauty” spielt beispielsweise eisige Black Metal-Kälte gegen vertracktes Prog-Riffing aus und klingt berechnend kalt. Das ist die Vertonung des Gefühls wenn man genau weiß, dass man in einer Falle sitzt, es aber noch nicht akzeptieren will und versucht mit aller Kraft auszubrechen. “Down to Nowhere” dagegen verklärt die gewalttätigen Momente in ein gruseliges Gegenteil. Das liegt u.a. am packenden Klargesang, der sich in die hypnotische Musik einbettet und besonders in den mehrstimmigen Momenten für Gänsehaut sorgt. “Exoria” türmt sich dann zu einem erdrückenden Ungetüm auf. Jeder Break klingt hart, dabei schichten sich aber Melodien und verspielte Elemente über tonnenschweren Groove der mit jedem Tempowechsel mitreißender klingt. Der rituelle Gesang am Anfang von “Living with the Enemy” nimmt den Hörer sofort gefangen und klingt fast hypnotisch, was die brutalen Eruptionen umso aggressiver macht. Dazu kommen wieder diese gegeneinander laufenden Melodien die sperrig und doch irgendwie eingängig sind. Das Ende klingt ekstatisch und brutal zugleich und hinterlässt nichts als verbrannte Erde.


10. Nightwish – Human. :II: Nature.

Tumoas Holopainens Projekt Auri hatte wohl eine therapeutische Funktion für das Nightwish-Mastermind, denn mit “Human :II: Nature” hat er dem Erfolgsalbum “Endless Forms most Beautiful” fünf Jahre später einen würdigen Nachfolger an die Seite gestellt. Allerdings braucht die Musik diesmal länger um ihre volle Pracht zu entfalten. Waren auf dem 2015er Album zuhauf offensichtliche Hits vorhanden kommen die neuen Songs eher durch die Hintertür, brauchen Zeit um sich zu entwickeln. Wenn die Musik aber zündet dann richtig! Davon abgesehen würden Nightwish auch dann immer noch das Nonplusultra in Sachen Symphonic-Metal darstellen wenn das eben nicht der Fall wäre. Das zeigen die immer noch bis ins letzte Detail durchgestalteten Arrangements der Musik, die nicht mit Bombast und Drama geizt. Insgesamt klingen die Songs aber deutlich folkiger als in der Vergangenheit. Eine kleine Änderung im Vergleich zu vergangenen Werken ist, dass der Gesang “gerechter” verteilt wurde. Klar, Floor Jansen ist die Frontfrau und Hauptstimme der Band aber Marko Hietala und vor allem Troy Donokley bekommen diesmal mehr Raum und stellenweise auch komplette Solopassagen (in “Harvest” singt Troy die Leadstimme allein), was der Musik nochmal eine andere Facette hinzufügt. Dabei fühlt sich der erste Teil dieses Doppelalbums etwas mehr “geerdet” an (für Bandverhältnisse, wir reden hier immer noch von Nightwish…). Dass nicht nur das gesamte Album einem stringenten Konzept folgt sondern dass eben auch der erste Teil einen in sich geschlossenen Spannungsbogen beinhaltet, zeugt (mal wieder) vom kompositorischen Talent der Musiker. Ein Beispiel wäre “Procession”, das durch Wärme und leisere Töne überzeugt und besonders im Verbund mit dem folgenden “Tribal” glänzen kann. Hier gibt’s die harte Gegenseite zur vorherigen inneren Einkehr (inklusive giftigem Gesang von Floor). An dieser Stelle muss auch eine Lanze für die instrumentalen Fähigkeiten der gesamten Band, aber speziell Kai Hato gebrochen werden. Was der Mann hier am Schlagzeug veranstaltet ist Weltklasse! “Endlessness” ist ein eleganter Abschluss der immer größer wird und maßgeblich von Marko Hietala gesungen wird. Alles läuft auf ein Grande Finale hin, toller Spannungsbogen! In gewisser Weise ist dieser erste Teil ein in sich geschlossenes Werk, dass auch ohne den orchestralen Longtrack “All the Works of Nature which adorn the World” funktionieren würde. Für den ein oder anderen Hörer mag dieses rein akustische Werk auch schwierig oder überflüssig sein, aber wenn man die Musik auf sich wirken lässt erfüllt sie ihren Zweck und entwickelt sich zu einer mitreißenden Achterbahnfahrt. Vor dem inneren Auge entsteht ein Film der zusammen mit dem ersten Teil des Albums wirklich Sinn ergibt, aber auch als alleiniges Opus stehen kann. Zu sagen der Bombast wäre extra auf diesen Song ausgelagert worden ist einerseits zutreffend, andererseits machen beide Teile im Verbund durchaus Sinn, auch wenn es etwas dauern kann bis man die Verbindung wirklich begreift. Wenn sie es nicht schon lange tun spielen Nightwish mit diesem Album endgültig in ihrer ganz eigenen Liga und entziehen sich jeglicher Vergleiche. Und das ist es doch was wahre Kunst immer irgendwie auszeichnet.


11. The Spirit – Cosmic Terror

Mit ihrem Debut konnten The Spirit bereits einigen Staub in der Szene aufwirbeln und wurden zurecht als Hoffnungsträger im Black-/Death-Sektor gefeiert. “Cosmic Terror” setzt im Grunde genau da an wo das Debut aufgehört hat, klingt aber noch stringenter. Natürlich sind die großen Vorbilder nach wie vor erkennbar, aber die Band hat es auf ihrem Zweitwerk geschafft dem Ganzen eine zunehmend eigene Note zu verpassen. Dabei klingen die Songs noch kälter, wenn man so will feindseliger als bisher. Was hier geboten wird ist ganz sicher nicht neu und Bands wie Dissection oder Unanimated sind auch immer noch deutlich präsente Einflüsse der Saarländer, aber derart ausgefeilte, detailverliebte und vor allem spannende Genrekost bietet momentan kaum eine andere Band. Als Anspieltipp wäre unbedingt “The Path of Solitude” zu empfehlen. Zwischen drückendem Midtempo und eisigen Riffs, veranstalten die Gitarristen ein wahres Feuerwerk an Melodien und Harmonien. Dabei bleibt die Struktur aber immer klar erkennbar. Soli verkommen nicht zur bloßen Egobefriedigung, werden an anderen Stellen sogar konsequent ausgespart. Die Spannung ergibt sich schlichtweg aus der gebotenen Klasse. Das gilt auch für pfeilschnelle Stürme wie z.B. “Pillars of Doom”. Das Eingangsriffing alleine ist nach dem ersten Durchlauf Stammgast im Langzeitgedächtnis. Auffallend ist, dass die Melodien und Harmonien der Songs zwar überwiegend sofort zünden, ihre volle Größe aber erst nach ein paar Durchläufen entfachen. Diese “Aha-Momente” geben der Musik eine weitere Tiefe, der man sich, wenn man sie einmal erfasst hat, kaum entziehen kann. Würde ich jetzt noch die Texte detailliert analysieren würde es den Rahmen dieses Reviews sprengen, eine tiefere Betrachtung verdienen sie aber allemal, vor allem weil sich dann die volle Klasse und Größe dieses Albums entfalten kann. So ist “Cosmic Terror” schlicht Champions-League Niveau und nicht nur im Black-/Death-Bereich eines der großen Alben des Jahres!


12. Trivium – What the dead Men say

“What the dead Men say” ist ein Streifzug durch die Genres modernen Metals auf dem Trivium die verschiedenen Elemente ihrer vergangenen Alben zu einem großen Ganzen verbinden. “XI” eröffnet das Album als reines Instrumental und geht direkt in den Titeltrack über der die grobe Marschrichtung des Albums vorgibt. Zwischen brachialen Knüppelparts und harmonischen Gitarrenorgien, die stellenweise in fast klassische Bereiche vordringen, stricken Trivium moderne Metalhymnen die im Ohr hängen bleiben und immer mit fetten Refrains versehen werden. Da ist auch “Catastrophist” keine Ausnahme. Dieser Refrain ist dazu gemacht laut und voller Inbrunst mitgesungen zu werden. Dabei verwursten Trivium immer noch eine Unmenge an Ideen in jedem einzelnen Song, wie das brutale Ende der Nummer zeigt. “Amongst the Shadows and the Stones” thrasht brutal drauflos, bekommt in den Strophen aber die nötige Portion Melodie verpasst um nicht in eintöniger Härte zu versacken. Diese Härte wird vielmehr in kleine Happen aufgeteilt und z.B. von tollen Gitarrensoli aufgelockert. Die Nummer dürfte live so ziemlich alles zerlegen. Das folgende “Bleed Into Me” beweist, dass Trivium diesmal noch mehr Wert auf eine stimmige Dynamik legen. Der Bass bildet das Hauptmotiv der Strophen, dazu kommt Heafys melodisch-rauer Gesang, der von tollen Gitarren unterstützt wird. Das Teil ist ein sicherer Hit! Das gilt auch für “The Defiant”. Thrashen die Strophen heftig los, bergen der Refrain und vor allem der Gesang in der Bridge eine Rauheit, die für Gänsehaut sorgt. Mit “Sickness Unto You” und besonders “Bending the Arc to Fear” gehen Trivium nochmal richtig in die Vollen und reizen den Spagat zwischen Epik, Eingängigkeit und kompromissloser Brutalität voll aus. Zur kämpferischen Ausrichtung kommt eine instrumentale Achterbahnfahrt von knüppelnden Blasts zu griffigen Refrains die sofort ins Ohr gehen und besonders vom mehrstimmigen Gesang leben, der Matt Heafys klare Stimme mit mächtigen Growls verbindet. “The Ones We Leave Behind” hat dann zum Ende hin mit die besten Melodien des Albums zu bieten, rattert aber nochmal ordentlich. In gewisser Weise verbindet der Song sämtliche Trademarks des Albums (und irgendwie auch des Bandsounds) und beschließt das neunte Trivium-Album als wahres Instrumentalfeuerwerk (diese Gitarren!). Welchen Stellenwert “What the dead men say” in der Diskografie der Band einnimmt muss jeder für sich selbst entscheiden.


13. Demons & Wizards – III

Haben sich die 15 Jahre Wartezeit gelohnt? Die umjubelten Festivalauftritte 2019 scheinen den kreativen Hunger des federführenden Duos Hansi Kürsch und Jon Schaffer auf jeden Fall wieder angefacht zu haben. Aber kann ein neues Album nach so langer Zeit und der dementsprechenden Erwartungshaltung nicht per se nur verlieren? Demons & Wizards machen dabei das einzig richtige und versuchen erst gar nicht die beiden Vorgänger zu kopieren oder zu übertreffen. Stattdessen bietet “III” stellenweise ganz neue Ansätze, wie u.a. der deutliche Classic Rock-Einschlag zeigt. Mit dem düsteren “Diabolic” gelingt der Band zudem gleich am Anfang der Clou eine Brücke zu altem Material zu schlagen, ohne rückwärtsgewandt zu klingen. Harte Gitarren paaren sich mit düsterer Stimmung und textlich gibt’s einige Verbindungen zu “Heaven Denies” vom Debut (schließt sich also hier gewissermaßen ein Kreis?). In “Invincible” kommt der erwähnte Classic Rock-Einfluss dann erstmals deutlich zum Vorschein. Die Musik klingt lockerer, dazu singt Hansi dermaßen stark was vor allem im mehrstimmigen Finale für coole Momente sorgt. “Wolves in Winter” brettert mit Schaffer-typischem Stakkato-Riffing los. Zur unglaublich dichten Atmosphäre klingt der Gesang passend vielschichtig und bringt die Geschichte des Songs spürbar auf den Punkt. In “Final Warning” schimmern Led Zeppelin-Einflüsse durch, wobei das Riffing doch ordentlich scheppert. Der Song ist ein cooles “Auf und Ab”, klingt in den Strophen zwar irgendwie gepresst, was den hymnischen Refrain aber toll kontrastiert. “Timeless Spirit” ist ein neunminütiges Epos das verträumt beginnt, sich dann schwer und zäh auftürmt und immer zwischen den Gefühlen hin und her springt. Sehr geile Nummer, die für manchen aber etwas schwierig sein könnte. “Dark Side of her Majesty” dagegen ist ein düsteres Epos, das beinahe Hörspielcharakter aufweist und vor allem vom starken Gesang und den vielen Wendungen lebt. So viel AC/DC-Worshipping wie in “Midas Disease” gabs bisher kaum bei dieser Band. Das Riffing ist unverkennbar von Malcom Young inspiriert, dazu kommt aber eine düstere Stimmung für die vor allem Hansi verantwortlich ist. Hammer! Auch “New Dawn” hat Kraft, baut sich immer weiter auf und besonders der Pre-Chorus ist hammermäßig. Dann fällt der Song in sich zusammen und macht ruhigen Melodien Platz, die sich wiederum immer weiter steigern. Geiler Track, der aber Zeit braucht. “Universal Truth” zeigt die Band wieder von ihrer epischen Seite. Tolles Arrangement, genialer Gesang. Die Nummer wird mit jedem Durchlauf größer! “Split” brettert dann wieder härter. Zu Stakkato-Riffs und schnellen Sprints klingt der Song ein wenig wie eine vertonte Psychose (zumindest könnte man sich sowas so ähnlich vorstellen), was aber auch am lyrischen Thema liegen könnte. “Children of Cain” ist ein magischer Abschluss und erfüllt das Motto “das Beste kommt zum Schluss” zu genüge. Mit diesem dritten Werk verdeutlichen Demons & Wizards ihre Relevanz in der Szene aufs neue und nachdrücklich. Um auf die Eingangsfrage zurück zu kommen: Das Warten hat sich gelohnt, aber sowas von!


14. Kirk Windstein – Dream in Motion

Was lange währt….blabla…usw. Aber tatsächlich ist Kirk Windstein ein integraler Bestandteil der Metal-Szene und mit Bands wie Crowbar oder Down natürlich ein Mitbegründer des NOLA-Sounds. Von daher kommt in der Rückschau schon die Frage auf warum es so lange gedauert hat bis der bärtige Sympathie-Bolzen sein erstes Soloalbum vorlegt. Aber das Warten hat sich gelohnt. Auf “Dream in Motion” zeigt Kirk sich weniger schwermütig als mit Crowbar und zelebriert stattdessen die volle Emotionsbandbreite. Musikalisch gibts überwiegend “Power-Balladen” in meist gemäßigtem Tempo, dabei klingt die Musik aber um einiges hoffnungsvoller als man es von Kirk bisher gewohnt ist. Beispiele? Da wäre u.a. das wunderschöne “Once Again” bei dem das raue Timbre von Kirks Gesang eine wohlige Gänsehaut erzeugt und tatsächlich positiv stimmt. Eine wirkliche Sternstunde ist auch “Enemy in Disguise”. Eine hammermäßige Ballade. Ruhig, melancholisch und vor allem gesanglich brechen hier alle Dämme. “Toxic” ist da schon ein anderes Kaliber. Nicht nur der Text ist etwas bissiger (oder schmerzend ehrlich, je nach Auffassung) auch die Riffs braten derber, dabei schwingt aber immer eine gewisse Melancholie mit die stellenweise fast resigniert klingt. Mit “Necropolis” brechen dann endgültig alle Dämme. So schwermütig und gleichzeitig hoffnungsvoll leidend klingt kein zweiter. Dass die Songs zudem echte Ohrwürmer sind macht “Dream in Motion” in seiner Gänze gleich noch ein Stück zwingender. Zum Schluss gibt’s noch ein cooles Cover von Jethro Tulls “Aqualung”, das Kirks Soloeinstand perfekt abrundet.


15. The Ghost Inside – The Ghost Inside

Der Busunfall in den The Ghost Inside 2015 verwickelt waren und bei dem sie teilweise schwere Blessuren davontrugen (beide Fahrer starben sogar) hat seine Spuren hinterlassen. Aber die Band hat sich buchstäblich zurück ins Leben gekämpft, was sie mit „The Ghost Inside“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. „From the Ashes brought back to Life“ brüllt Frontmann Jonathan Vigil in „1333“ und verteilt damit die erste emotionale Breitseite. Dann fetzt „Still Alive“ ziemlich schnell los, arbeitet mit fetten Gangshouts und in der Hook wird es förmlich herausgeschrien: „Wir leben noch!“. Angesichts dessen bekommen Aussagen wie „Now or never“ aus dem Song „The Outcast“ nochmal ein ganz anderes emotionales Gewicht. Mit „Pressure Point“ holt die Band ihre schwersten Erinnerungen an die Zeit nach dem Unfall an die Oberfläche und tritt ihre eigenen Dämonen mit vernichtenden Beatdown-Einflüssen in den Staub. Man merkt dass es den Musikern ernst ist und dieses Album in allen Belangen ein Neuanfang ist. Songs wie „Make or Break“ oder „Phoenix Rise“ begeistern mit ihrer „jetzt erst recht“-Attitüde und klingen trotz der Härte erstaunlich fragil, was der Band aber gut zu Gesicht steht. Den emotionalen Höhepunkt erreicht „The Ghost Inside“ aber mit dem Schlusslicht „Aftermath“. Nicht nur weil der Song das erste Lebenszeichen der Band nach dem Unfall war, sondern vor allem weil hier ganz klar die Ereignisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden hat der Song etwas Ergreifendes. Wenn Vigil am Ende „The Beat goes on…“ brüllt ist das (Fan-)Herz überwältigt. Ich ziehe meinen Hut vor dem Lebenswillen der Band und ihrer Leistung daraus ein solches Machtwerk entstehen zu lassen.


16. Vampire – Rex

Vampire setzen ihren stilistischen Streifzug fort. Auch auf „Rex“ lässt sich die Musik kaum in eine Schublade stecken. Im groben werden Zutaten aus Black- und Death Metal mit klassischem Heavy Metal vermischt. Das kennt man u.a. auch von Grenzgängern wie Slaegt aber selbst dieser Vergleich hinkt irgendwie. Vampire klingen nämlich deutlich dreckiger, punkiger. Was passiert also auf diesem dritten Streich? Mit dem epischen Einstiegsdoppel „Rex“ und „Inspiritus“ hängt die Band die Messlatte verdammt hoch und zündet ein Feuerwerk aus geilen Gitarrenharmonien und dreckigem Black Metal Sound. Dabei fallen in fast allen Songs immer wieder kleine Details auf die der Musik ein spezielles, eigenes Flair verleihen. Egal ob das die feinen Harmonien in „Pandemoni“ sind (das im hinteren Drittel ein Gitarrenlead vom allerfeinsten verpasst bekommt) oder ob ein Stück wie „Rekviem“ ein kurzes, irgendwie knarziges Thrash-Feuerwerk ist, die Musik hat immer eine sehr spezielle, eigene Handschrift die relativ schnell erkennbar ist. Das ist wahrscheinlich der größte Clou dieser Scheibe. Vampire klingen immer in erster Linie nach Vampire. Müsste man wirklich etwaige Vergleiche heranziehen würde ich Bands wie Watain oder eben Slaegt als Inspirationen zum Vampire-Sound erwähnen. Zum einen weil beide Bands ähnlich speziell und eigen klingen und zum anderen weil sich (vor allem bei Slaegt) auch eine gewisse Nähe zum klassischen Heavy Metal nicht leugnen lässt. Dieser wird hier aber immer ein sehr dunkler, bösartiger Flair verpasst der den Sound eben so eigen und speziell macht. So ist „Rex“ ein ungestümer Ritt durch die genannten Genres, der auch lyrisch einiges zu bieten hat. Ein geiler Soundtrack für düstere Stunden!


17. Thundermother – Heat Wave

Dreckiger Rotzrock, schweißtreibender Rock n’ Roll, ganz egal wie man es nennt: Thundermother werden darin immer besser. Die Damen wandeln auf den Spuren von AC/DC, haben aber vor allem mit dem bluesigen Gesang von Frontfrau Guernica ein cooles Alleinstellungsmerkmal. Das Lebensgefühl dieser einstigen Straßen(köter)musik trieft den Damen aus jeder Pore. Sie spielen Hard Rock im besten und ursprünglichsten Sinn. Dabei klingen Thundermother aber keineswegs rückwärtsgewandt, wie die astreine Produktion beweist. Und dass sie auch nicht immer Vollgas geben müssen beweist die tolle Powerballade “Sleep”. Nummern wie “Driving in Style” oder der Ohrwurm “Dog from Hell” dagegen sind astreine Knaller und treten ordentlich Arsch. Gerade in diesem verrückten Jahr 2020 sorgen Thundermother für eine dringend notwendige positive Attitüde und haben mit “Free Ourselves” den textlichen Mittelfinger für alle Mitläufer und Pandemie-Panikmacher im Gepäck. Okay, ganz so dick ist der Stinkefinger doch nicht, aber der Aufruf und die Feststellung, dass die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen und sich die Gesellschaft von ihrer Fremdbestimmung und der eigenen Angst befreien muss trifft den Nagel auf den Kopf. Geile Band, gutes Album.


18. The Night Flight Orchestra – Aeromantic

Die Flüge mit The Night Flight Orchestra haben schon immer Spaß gemacht, aber im Pandemie-Jahr 2020 wird gerade jetzt am Ende wieder klar wie notwendig positive Vibes sind. Musik an, Kopf aus. So könnte das Motto von “Aeromantic” lauten, denn hier macht jeder Song Spaß. Auf dem Nachtflug in bessere Zeiten lassen Björn Strid und seine Mannschaft nix anbrennen und liefern wie gewohnt ein hitverdächtiges Album ab. Allen voran der Ohrwurm “Divinyls” und die ABBA-Huldigung “If Tonight is the only Chance” begeistern auf Anhieb. Natürlich hört man hier und da die großen Vorbilder (die erwähnten ABBA, Beatles und Konsorten) raus. Die liebevollen Zitate werden aber in ein doch zeitgemäßes Gewand gekleidet. Aber TNFO hatten noch nie den Anspruch originell zu sein, sie wollen unterhalten und das tun sie. Dabei ist nicht nur der Gesang über jeden Zweifel erhaben, auch instrumental gibt’s ein wahres Freudenfeuer. “Curves” verneigt sich vor TOTO und ist eine angenehme Schunkel-Nummer die immer mehr zum Ohrwurm wird, während das geniale “Transmissions” ein Disco-Dancefloor Hammer ist (inklusive hymnisch schmachtendem Refrain und coolen Geigen-Sounds), ach wie schön. Das hohe Niveau wird zwar nie wirklich unterschritten, aber in der zweiten Hälfte finden sich auf Anhieb nicht ganz so viele Hits wie davor (das ist aber meckern auf sehr hohem Niveau, weil die erste Hälfte einfach bockstark ist). Das finale “Dead of Winter” ist dann nochmal ein wahres Freudenfeuer. Das Teil ist ein Hit und dürfte, wenn es wieder soweit ist, jeden (Rock)-Dancefloor zum kochen bringen. Alles richtig gemacht also und gerade in der aktuellen Lage ein Garant für eine positive Auszeit vom drögen Alltag.


19. Lucifer – III

Staubiger Heavy Rock trifft okkulten Doom Metal. Das beschreibt den Sound von „III“ eigentlich ganz gut. Dabei geht der Teufel eher unterschwellig zu Werke und ist vor allem durch die Stimmung der Musik auszumachen. Ein Song wie das melancholische „Leather Demon“ würde sich auch gut in einer verrauchten Bar machen und hat ähnlich wie „Midnight Phantom“ etwas von einem Soundtrack zu einem alten 70er Jahre Horrorfilm. Ein entscheidender Faktor ist natürlich die unverkennbare Stimme von Johanna Sadonis, die immer betörend, manchmal sogar verführerisch klingt und dem Album somit einen eigenen Stempel aufdrückt. Aber guter Gesang alleine macht keine gute Band aus. Im Fall von Lucifer sind auch die lockeren, eingängigen Riffs und vor allem die Melodien, die der Stimme extrem zuträglich sind ein wesentlicher Teil der Atmosphäre. Mit dem Ohrwurm „Pacific Blues“ und dem genialen Opener „Ghosts“ schießt die Band auch zwei sichere Hits aus der Hüfte. Dazu lässt sich in jeder Rock-Disco wunderbar abgehen und live dürfte das Publikum fleißig mitsingen. Lucifer schaffen es ähnlich wie z.B. die Blues Pills oder auch Avatarium den Spirit des okkulten Doom-Rock a la Black Sabbath spielerisch mit hippiesker Freiheit und Lockerheit zu verbinden. Das macht Spaß, geht ans Herz und vor allem hört man das Herzblut der Musiker in jedem Ton.


20. Lik – Misantrophic Breed

Irgendwann müssten Genres wie traditioneller Schweden-Death doch mal ausgelutscht sein…aber das Gegenteil ist der Fall und Bands wie Lik zeigen allen Nörglern was `ne Harke ist. Auch „Misantrophic Breed“ ist ein superber Rübensäbler geworden. Wenn alle Swe-Death Worshiper auf diesem Niveau klotzen würden….aber dem ist nicht so und deswegen sticht diese Band umso geiler aus der Masse hervor. Der Sound ist mörderisch und klatscht den Hörer umgehend aus den Latschen. In Songs wie dem rasanten „Decay“ oder auch „Female Fatal to the Flesh“ gibt’s derart viele Nackenzwirblerriffs dass es eine Freude ist. Dabei räumen die Musiker aber immer viel Raum für catchy Melodien frei. Man höre den als tolles Zwischenspiel konzipierten Titeltrack oder die Gitarrenarbeit im ansonsten derbe rödelnden „Wolves“. Natürlich scheinen die offensichtlichen Einflüsse von Dismember, Grave und co. an allen Ecken und enden durch, aber ist das schlimm? Verdammt, nein! So dermaßen geil und mit offensichtlicher Klasse huldigt momentan kaum jemand der bekannten Ursuppe des Genres. Also, gerne mehr davon!

Dominik Maier

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