Faktencheck: Ja, ASCENSION stehen bei W.T.C unter Vertrag. Ja, der Labelinhaber Sven Zimper ist eine polarisierende Person die viel Diskussionsstoff liefert. Seine extreme Haltung die u.a. in der Beteiligung an dem politisch fragwürdigen Black Metal Projekt Clandestine Blaze deutlich wird, sowie sein Mitwirken bei der definitiv nationalsozialistischen Band Absurd sind definitiv kritisch zu betrachten. Diese Punkte und Zimper selbst werfen natürlich ein bestimmtes Licht auf ASCENSION als Band und somit auch auf die Musik. Diesem Beitrag gehen aber ein intensives Studium von ASCENSIONs Welt, der Musik, den Texten und auch der eigenen Wahrnehmung der Musiker voraus. Anhand von Interviews, die ich in diversen Magazinen recherchiert habe (Quellenangaben sind am Ende dieses Beitrags aufgeführt) und aufgrund meines Anspruchs die Band ganzheitlich zu betrachten ergibt sich nun ein Bild mit vielen Schattierungen. Dieses Bild ist extrem und zeugt von dem Ziel der persönlichen Weiterentwicklung durch die Überschreitung von konventionellen Normen. Doch diese Hingabe an ein persönliches, höheres Ziel und der Wille sich der greifbaren Welt zu entziehen und eine andere, für die Musiker erleuchtende und erfüllende Welt der Extreme zu erschaffen, zeichnet nicht nur ASCENSION aus, sondern ist seit jeher ein Teil des Fundaments auf dem Black Metal als Subkultur fußt. Die Welt die sich bei der Analyse von ASCENSION zeigt ist extrem und für jeden der keinen Zugang dazu findet, evtl. sogar feindselig oder abstoßend und anmaßend. Aber gerade diese Zerreißprobe zwischen völliger Realitätsflucht und den realen Vorwürfen mit denen die Musiker konfrontiert werden/wurden macht eine Analyse der Musik unerlässlich.
1. With Burning Tongues (2009)

Im Kontext des nachfolgenden Schaffens von ASCENSION entfesselt „With Burning Tongues“ noch nicht ganz die Magie von Alben wie „Consolamentum“, allerdings lässt dieses erste Lebenszeichen bereits erahnen zu welchen Großtaten diese Band fähig ist. Das instrumentale Können ist bereits beachtlich und lässt vermuten dass hier Veteranen am Werk sind. Ein kleines Manko ist der Sound, der noch nicht ganz so ausgefeilt ist wie auf den nachfolgenden Werken. Das führt dazu, dass die Songs noch nicht in dem Maße einnehmend und verstörend sind wie z.B. auf dem LP-Debut. Die emotionale Tiefe der Musik wird aber bereits deutlich. Ein Song wie „Grey Queen“ entfesselt eine manische Gewalt, die beachtlich ist und völlig eigen klingt ohne den Rahmen des Black Metal zu sprengen und zeigt u.a. wie Gitarrensoli im Black Metal songdienlich eingesetzt werden können. Mit „Sin Harvest“ präsentiert die Band gar einen (fast) perfekten Opener. Aufreibend und irgendwie verstörend schichten sich die Gitarren übereinander. Dazu bringt das Drumming etwas Rastloses in den Song das durch den heiseren Gesang unheilvoll verstärkt wird und in der Tat ein Gefühl von wirklicher Beklemmung erzeugen kann. Würde dieses Werk für sich alleine stehen wäre es bereits ein Maßstab für hierzulande heimischen Schwarzmetall, im Vergleich mit der restlichen Diskografie von ASCENSION zieht „With Burning Tongues“ allerdings den Kürzeren. Trotzdem: Ein beeindruckendes erstes Lebenszeichen!
2. Consolamentum (2010)

Im Vergleich zum Demo von 2009 ist „Consolamentum“ noch fordernder, allerdings nicht im musikalischen Sinn. Die Songs fallen kürzer, kompakter aus. ASCENSION haben ihr Potenzial gebündelt und das Material gestrafft, gleichzeitig haben sie die manische Atmosphäre weiterentwickelt und noch mehr auf den Punkt gebracht. So läuft es dem geneigten Hörer schon beim Intro „Open Hearts“ eiskalt den Rücken runter, bevor „Grey Light Sibling“ ein verstörendes Geschoss ist. Tatsächlich erschafft die Musik den Eindruck einer Reise die stufenweise in die (eigenen?) Abgründe führt. Mit jedem Song wird das Material bedrückender. Wobei die Band viel Wert auf Variationen legt. Während sich Stücke wie „Rebellion Flesh“ schleppend, aber stetig aufbauen (besonders diese Nummer glänzt mit eindringlicher Rhythmik) brettert ein Song wie „Grant Me Light“ anfangs rasant drauflos, ehe die Musik einige Haken schlägt und zu einer abgrundtief finsteren, fast erhabenen Hymne wird. Insgesamt fällt auf, dass die Musik noch konsistenter klingt. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Jede Note und jeder Break sitzen punktgenau. Bezeichnungen wie „Progressivität“ sind im Bezug auf dieses Mammutalbum einerseits zutreffend, andererseits klingt „Consolamentum“ sehr natürlich und ungezwungen, sodass der Eindruck einer „gewollten/erzwungenen“ Weiterentwicklung nicht zutrifft. Ein Beispiel für die kleinen aber feinen Haken die das Songwriting teilweise schlägt wäre „Fire and Faith“. Grollende Blasts eröffnen das Stück, gehen in fast dialogartigen Gesang über um am Ende derart eingängig zu werden, dass es fast unheimlich ist. Dabei gelingt der Band der Kniff in keinster Weise verwässert zu klingen. Die Musik ist nach wie vor Schwarzmetall der düstersten Sorte. Dass im nachfolgenden Stück „Amok“ die Dissonanzen deutlicher zum Einsatz kommen schafft einen packenden Kontrast, der sich im Grunde durch das ganze Album zieht. Mit dem Titeltrack findet „Consolamentum“ einen grandiosen Abschluss. Der Song gräbt sich in den Kopf, erzeugt Bilder und spielt mit diversen (allesamt morbiden) Stimmungen. Raserei und beklemmend doomige Parts verbinden sich zu einem Brocken, der dank verstörender Gesänge eine bedrückend manische Stimmung erlangt. Was bleibt ist ein Album mit Langzeitwirkung, das nicht nur für nationalen Black Metal eine Sternstunde darstellt.
3. The Dead of the World (2014)

Die optischen Vorzeichen des Covers deuten auf eine direktere Dunkelheit hin als noch beim Vorgänger. Diese Vorahnung bestätigt auch der Opener „The Silence of Abel“. Bedrückendes Midtempo dominiert die ersten Minuten des Songs. ASCENSION klingen aber keineswegs weniger komplex. Die beklemmende Stimmung wird besonders von den Gitarrenmelodien am Ende kontrastiert. „Deaths Golden Temple“ zerrt an den Nerven und beeindruckt mit bissigen Stimmungswechseln. Hypnotische Melodien gaukeln lichte Momente vor und werden kurz darauf von allumfassender Finsternis erdrückt, gefressen, begraben. Die Musik steigert sich zunehmend auf einen wahnsinnigen Höhepunkt hin. Das Tempo überschlägt sich immer mehr bevor ein Break den Wahnsinn in ein doomiges Finale mit tollen Melodien leitet. Auch „Black Ember“ begeistert mit zahlreichen kleinen Breaks, die stets unvorhersehbar bleiben und dem schwarzen Wirbelsturm eine Gefährlichkeit verleihen wie sie selten eine Band hinbekommt. Mit „Unlocking Tiamat“ entfesseln ASCENSION ein atmosphärisch dichtes Beschwörungsritual an die titelgebende sumerische Göttin. Die Musik schwappt in schweren Wogen über den Hörer hinweg, scheint alles unter sich zu begraben und doch sind da diese hypnotischen Melodien die immer wieder wie ein Leitfaden, ein kleiner Schimmer der Erlösung wirken und der Trostlosigkeit ein (trügerisches) Licht entgegensetzen. In „Deathless Light“ nimmt dieser Schimmer Form an und zieht den Hörer mit erdrückender Schwere in immer dunklere Abgründe. Was sich wie ein Widerspruch liest muss gehört, gefühlt, erlebt werden. Verstörend und mit jeder Minute wahnsinniger entfesselt das Stück seine manische Faszination. „The Dark Tomb Shines“ klingt wie aus den zuvor geschaffenen Abgründen entsprungen und kombiniert deren Manie mit der stets präsenten Erhabenheit der Musik. Zunächst schleppend steigert sich der Song auf ein rasantes Finale hin und mündet in betörende Melodien, die immer als Unterstützung für das finstere Zentrum, den Gesang fungieren. Das Abschlussepos „Mortui Mundi“ baut sich zunächst monolithisch auf, die Riffs umschwirren den Gesang und werden von schwerem Groove getragen, dann bäumt sich die Musik in hysterischem Gesang auf, ehe ein hypnotischer Break den beklemmenden Refrain einläutet. Die Kombination von kleinen, unerwarteten Wendungen und atmosphärischer Dichte erzeugt ein Finale nach dem alles erdrückt und begraben ist. Man muss ob der Dichte, des Anspruchs und der musikalischen Klasse dieser Band schlicht den Terminus eines Meisterwerks in Erwägung ziehen.
4. Under Ether (2018)

„Under Ether“ ist ein schwer verdaulicher, fordernder Brocken. Die Songs sind komplexer und vielschichter als noch auf dem Vorgänger und erschließen sich nicht sofort. Aber genau dieser Umstand macht die Musik speziell und fast noch beklemmender als bisher. Auffallend ist, dass die Musik noch homogener wirkt. Kaum ein Song lässt sich exemplarisch herausgreifen, da die Musik wie ein ständiges auf und ab ineinander fließt. Dabei gehen ASCENSION deutlich progressiver zu Werke als zuletzt. Dadurch klingen die Songs noch unvorhersehbarer und ja, auch packender. Eine Nummer wie „Pulsating Nought“ verbindet hypnotische Grooves und Melodien zu einem wogenden Stück Musik das immer weiter anschwillt und den Hörer in seinen Bann zieht. Dagegen brettert „Thalassophobia“ aggressiv und voller Hass los, ehe sich am Ende ein melodisches Gitarrensolo über den ratternden Groove legt. So wird der Hörer wie in einem ozeanischen Sturm zwischen den Stimmungen hin – und hergeworfen und kann sich kaum auf eines der entstandenen Gefühle verlassen, weil hinter jeder neuen Note eine andere dunkle Emotion lauert die auf ihre eigene Art und Weise gefangen nimmt. Ein Song wie „Stars to Dust“ frisst sich stetig ins Langzeitgedächtnis. Die Musik begräbt alles unter einem schwarzen Schleier. Dabei baut sich dass Riffing beständig auf und kulminiert in hypnotischen Licks zu treibendem Groove. Auch gesanglich verbreiten ASCENSION totale Finsternis. Diese Stimme ist einzigartig bösartig, fast beschwörend und nimmt den Hörer zu jeder Sekunde gefangen. Hier entstehen wirklich düstere Bilder vor dem geistigen Auge und am Ende verbinden sich Musik und Text zu einem gewaltigen, misanthropischen Film der unweigerlich in seinen Bann zieht! (Hier sei der geniale Abschluss „Vela Dare“ exemplarisch genannt.) Das ist ganz großes (Black) Metal-Kino!
Dominik Maier
Hass als Eskapismus
Warum die Realität jede Form von erdachten Extremen übertrifft und warum gerade deshalb die persönlichen Dämonen einen Weg zur eigenen Erleuchtung schaffen können
Vorweg nochmal ein kurzer Faktencheck.
1. Es gibt keine rücksichtslosere Lebensform als den Menschen.
2. Aus dieser Rücksichtslosigkeit wächst ein Stück weit der Gedanke der individuellen Entfaltung bzw. Entwicklung.
3. Die Individualität bzw. der Fokus auf die eigene Verwirklichung sind ein menschliches Urbedürfnis.
Aber:
Diese Punkte sollten niemals als Rechtfertigung dienen um anderen zu schaden oder sie in ihrer persönlichen Entfaltung egal ob physisch, mental oder spirituell einzuschränken.
Das bringt mich zur spirituellen Seite von ASCENSION. Satanistische Inhalte sind in der Musik grundsätzlich nichts Neues und Genres wie Black Metal führen sie als Teil ihres Fundaments an. Satanismus existiert aber, wie jede andere Glaubensform auch, in diversen Ausprägungen. Deshalb lassen sich viele verschiedene Philosophien und Ansätze entdecken. Die Akzeptanz des Dunklen das jeder Mensch unweigerlich in sich trägt ist in unserer heutigen Gesellschaft allerdings weitgehend verpönt bzw. die eigenen Schattenseiten werden meist mit negativen Eigenschaften assoziiert. Deshalb empfindet die breite Masse an Menschen alle Arten einer Darstellung (oder Glorifizierung) dieser dunklen Seiten als abstoßend, krankhaft, irrational oder redet die Existenz der (eigenen) Dunkelheit bewusst klein. Das kann zu einer Art Ungleichgewicht führen, denn die Welt wie auch der Mensch in seinem kompletten Dasein existieren in (und ein Stück weit durch) Dualität. Ohne Schatten gibt es kein Licht. Ohne Hass gibt es keine Liebe. Denn um die Eigenschaften und das Wirken der einen Emotion zu kennen bedarf es eines erklärbaren Gegenpols. Diese Beispiele lassen sich fast beliebig lange weiterführen. Bricht man diese Zweiheit noch mehr herunter landet man auch beim Leben an sich das erst durch den Tod vollkommen wird. Insofern liegt im Urgrund der Existenz eine gewisse Rücksichtslosigkeit oder auch Tragik. Spinnt man diesen Gedanken weiter, landet man auch beim freien Willen des Menschen und der Freiheit und dem unbedingten Wunsch nach den eigenen Glaubensätzen und Philosophien zu leben. Diese können und müssen sogar allen Aspekten des Mensch-Seins entspringen und in jeder gängigen Form von Religion findet sich (mindestens) ein dunkles Kapitel das den jeweiligen Glauben in ein extremistisches Gegenteil verklärt (meist mit fatalen Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft allgemein). Das Dunkel bedingt also das Licht und andersherum. Ist es deshalb nicht umso wichtiger sich mit der eigenen Dunkelheit zu beschäftigen? Man muss sie nicht gutheißen, geschweige denn glorifizieren aber wenn Dunkles verleugnet wird, verkommt das Licht unweigerlich zur Farce, weil es seinen Sinn und seine Berechtigung verliert.
Quellen/Interviews der Band welche die Haltung der Musiker erklären:
- http://www.bardomethodology.com/articles/2018/03/29/ascension-interview/ (Interview auf Englisch)
- Deaf Forever #5 Bandinterview zu „The Dead of the World“
Dominik Maier
