Nachdem das Jahr mit Sabaton und Apocalyptica und vor allem der Co-Headliner Tour von Dimmu Borgir und Amorphis wirklich vielversprechend anfing, fielen fast alle weiteren Konzerte dieses Jahr den Corona-Maßnahmen zum Opfer. Das war/ist für alle Seiten des Musikgeschäfts und der Veranstaltungsbranche eine Katastrophe und ein kaum ersetzbarer Verlust für die Kulturlandschaft allgemein. Denn sind wir mal ehrlich, auch Streaming-Events und die anfänglichen Versuche von Abstandskonzerten u.ä. können den Reiz einer wirklichen Live-Show nicht ersetzen. (Ja, die Abstandskonzerte waren noch „live“, aber wer will denn während einer Metalshow auf Bierbänken ausharren….?) Allerdings gilt den Veranstaltern, den Bands, den Bookern etc. ein fettes Dankeschön und ein großes Lob dafür, dass sie alles versucht haben um das Live-Geschäft nicht zugrunde gehen zu lassen und auch unter Pandemie- und Lockdownbedingungen den Fans ein Live-Erlebnis bieten wollten und wollen. Nichtsdestotrotz habe ich zu Anfang des Jahres wenigsten ein paar wirklich starke Shows erleben dürfen, die ich in dieser Liste bespreche. Ein Ranking nach subjektivem Empfinden lasse ich diesmal sein da die ersten drei Konzerte des Jahres ohnehin in einer Liga rangieren.
1. Sabaton, Apocalyptica, Amaranthe München Olympiahalle 19.01.2020
Der frühe Vogel bekommt den Platz…oder so ähnlich denn zum Einlassbeginn staut sich eine Menschenschlange vor der nicht komplett ausverkauften Münchner Olympiahalle. Drinnen fällt sofort das Bühnenbild für den späteren Sabaton Auftritt ins Auge. Die Stage macht mit Sandsackbarriere und Stacheldraht einiges her und ihr Anblick lässt die Vorfreude auf den Abend merklich ansteigen. Doch zunächst dürfen Amaranthe ran. Die SchwedInnen sind keine Unbekannten für die Fans und heizen der Menge ordentlich ein. Mit ihrer Mischung aus poppigem Metal mit leichtem Melo-Death Anstrich und den immer wieder eingefügten Electro-Parts trifft die Band offenbar den Nerv der Zuschauer, denn in der Crowd kommt erste Bewegung auf. Sängerin Elize Ryd ist ein sympathisches Energiebündel und liefert eine sehr gelenkige Darbietung mit vielen coolen Tanzmoves (dass sie sich im Zuge dessen immer wieder ihr Bühnenoutfit zurecht richten muss macht die Dame irgendwie nur noch sympathischer). Da kann auch die kleine Panne zwischendurch (einmal fällt sie fast von der Bühne) nichts kaputt machen. Aber auch ihre Mitmusiker liefern super ab und besonders die geilen Growls haben ordentlich Druck. Dass dabei der männliche Klargesang nicht untergeht ist ein dickes Kompliment für den Soundmann. Die Fans tauen immer mehr auf und feiern älteres Material wie „Drop Dead Syndicate“ genauso ab wie den Titeltrack des aktuellen Albums „Helix“ oder den geilen Opener „Maximize“. Das Highlight der Show ist allerdings die Gänsehautballade „Amaranthine“ bei der die Halle von Feuerzeugen und Handybildschirmen erleuchtet wird. Sehr starker Einsteig in den Abend! Zum Umbau tönen dann erfreulicherweise System Of A Down aus der PA und auch hier singt die Menge teilweise mit. Coole Sache! Das erste optische Highlight der kommenden Apocalyptica Show ist das transparente Drumkit das im Licht der Scheinwerfer super aussieht. Das aktuelle „Rise“ entpuppt sich dann einerseits als super Einstieg, denn die melancholische Halbballade steigert sich immer weiter und wird bis zum Ende immer eindringlicher, andererseits ist das pures Kontrastprogram zur vorherigen Amaranthe Show, wird aber vielleicht gerade deshalb so abgefeiert. Mit „Grace“ geht’s energisch weiter und die Musiker heizen der Menge immer mehr ein und motivieren sie zum mitklatschen und headbangen. Mit dem Rammstein Cover „Seemann“ bei dem Elize Ryd den Gesang übernimmt gibt’s dann das erste fette Ausrufezeichen der Show! Was für ein Song, was für eine Darbietung! Doch Zeit zum Verschnaufen bleibt kaum, denn es folgt Hit auf Hit. „I Don’t Care“ wird ebenfalls von Elize vorgetragen und die Halle singt im Refrain kollektiv mit. Ganz stark! Das folgende Covertriple bestehend aus „Seek & Destroy“ (Metallica), „Thunderstruck“ (AC/DC) und „In the Hall of the Mountain King“ (Edvard Grieg) wird dann in bestechender Form vorgetragen. Die Fans singen besonders bei ersterem enthusiastisch mit und so stacheln sich Band und Crowd gegenseitig zu immer neuen Höchstleistungen an die sich im Schlusssong des Triples entlädt. Was Apocalyptica hier auf die Bühne bringen ist großes Kino und wäre auch absolut headlinerwürdig. Nachdem der Schweiß mittlerweile von der Decke tropft verabschieden sich die Finnen mit einer ergreifenden Finalperformance von Metallicas „Nothing Else Matters“. Die Halle singt jede Textzeile mit und die Lichtshow (die das komplette Konzert über top ist) wird noch ein Quäntchen besser und sorgt zusammen mit der Musik für die dickste Gänsehaut des Abends. Dementsprechend laut fällt der Applaus am Ende aus. Die Vorfreude auf Sabaton steigt merklich an als ein riesiges „The Great War“-Banner vor der Bühne hochgezogen wird. Nachdem das Intro „In Flanders Fields“ vom Band verklungen ist eröffnet „Ghost Division“ die Show mit einem Knall. Mit „Great War“, „The Attack of the Dead Men“ und „Seven Pillars of Wisdom“ feuern die Schweden einen Hit nach dem anderen in die Menge und die dankt mit ordentlich Action. Dazu peppen coole Effekte durch die Show auf. So ist der Drumraiser erneut einem Panzer nachempfunden der zum Finale von „Ghost Divison“ oder auch „Great War“ cooles Artilleriefeuerwerk zündet. Zu „Attack of the Dead Men“ und „Seven Pillars of Wisdom“ singt die Halle geschlossen mit und in der Crowd ist einiges geboten. Hier wird gesprungen/geklatscht und ein paar Verrückte starten erste Pogo-Pits (was insgesamt aber eher unpassend und unerfreulich ist). Doch egal, das großartige „The Last Stand“ schallt laut aus der Menge wider und „The Red Baron“ entschädigt entgültig für die Publikumsausfälle. Hier wird gesungen, getanzt und gesprungen als gäbe es kein morgen. Die auf der Bühne platzierte Hammondorgel (in Form eines roten Kampffliegers) kann auch einiges. Nachdem eine Kracherversion von „Night Witches“ den ersten Teil des Gigs beschließt und die Fans nochmal richtig frei drehen kommen Apocalyptica zum zweiten Teil der Show mit auf die Bühne und gemeinsam startet man „Angels Calling“. Da man im Vorfeld eine derartige Kooperation vermuten konnte (schließlich gibt es ein Video des Songs in genau dieser Konstellation auf Youtube) ist es nicht sonderlich überraschend aber sehr cool. Die Überraschung folgt als die Finnen für fünf weitere Songs mit auf der Bühne bleiben wovon besonders „Fields of Verdun“ super klingt und begeistert aufgenommen wird. Der Show kommt auch zu Gute dass Joakim zwar super drauf ist, sich allerdings mit ellenlangen Reden zurückhält und lieber die Musik sprechen lässt. Das Finale der Show mit Apocalyptica ist dann das geile Triple „The Price of a Mile“, „The Lion from the North“ (bei dem allerlei Headbang-Action in der Crowd auszumachen ist) und dessen Refrain ebenso laut durch die Halle schallt wie das mächtige „Carolus Rex“. Die Fans singen und klatschen energisch mit und treiben sich und die Band gegenseitig zur Höchstleistung an. Danach ist erstmal Schluss, aber allzu lange hält es die Schweden nicht hinter der Bühne und als der Zugabeblock mit „Primo Victoria“ eröffnet wird gibt es in der Halle entgültig kein Halten mehr. Alles springt und klatscht und die Fans singen fast lauter als Joakim, der das ganze sichtlich begeistert kommentiert und die Fans das ganze Konzert über immer wieder lobt und ihnen dankt. Zum geilen „Bismarck“ dreht die Halle sogar gefühlt noch weiter auf bevor „Swedish Pagans“ mit dem mittlerweile üblichen Schabernack zwischen den Bandmitgliedern angekündigt wird und die Halle zum überkochen bringt. An dieser Stelle sollen auch die vielen coolen Pyroeffekte welche die ganze Show über zum Einsatz kommen nicht unerwähnt bleiben (z.B. feuert Joakim einmal mit einer Bazooka Leuchtraketen in die Halle, allerdings wäre die Show auch ohne diese Effekte ein Siegeszug geworden). Nach einer überschwänglichen Dankesrede verabschieden sich Sabaton mit „To Hell and Back“ von ihren Fans und die Halle scheint nochmal komplett zu eskalieren. Bewegung ohne Ende. Es ist keiner zu sehen der nicht wenigstens mitsingt oder mitklascht und die Band gibt nochmal Vollgas. Zu den Outros vom Band gehen Sabaton unter tosendem Applaus von der Bühne. Es war ein Fest wie immer und ein super Auftakt für das Konzertjahr 2020!
2. Dimmu Borgir, Amorphis, Wolves in the Throne Room München Tonhalle 28.01.2020
Ein nordischer Wintersturm bricht über Bayern herein…zumindest musikalisch denn Dimmu Borgir und Amorphis kommen nach München und haben mit Wolves in the Throne Room hochkarätigen Support im Gepäck. Nachdem die Halle zunächst mit überraschend passender Dark Ambient Musik und Classic Rock beschallt wird ist es an Wolves in the Throne Room den Abend zu eröffnen. Rein optisch ist schonmal alles top. Neben den sehr coolen Mikrophonständern machen auch die Aufsteller einiges her. Die Stimmung knistert schon ein wenig als das Intro zu „Born from the Serpent’s Eye“ erklingt. Den flächigen Sound ihrer Alben bringt die Band auch live gut rüber. Die Musik klingt nicht zu sauber, Riffs und Melodien sind aber relativ klar zu erkennen. Dass einige Elemente wie der weibliche Gesang aus der Konserve kommen ist nicht weiter schlimm, fügen sie sich doch passend in den Livesound der Amis ein. Die stoische Bühnenpräsenz der Musiker trägt auch dazu bei dass sich WITTR etwas von ihren Tourpartnern abheben, allerdings erzeugt die Band dadurch eine mystische Aura die heute sehr gut wirkt. So kommt sie auch in „Angrboda“ zum tragen. Der Song klingt noch ein Stück dunkler und bringt den rauen Charakter der in der Musik stets mitschwingt etwas mehr zur Geltung. Die Band spielt sich und die Zuschauer immer weiter in einen kollektiven Rausch der auch in den ruhigen Momenten nicht abreißt. Der Wechsel aus meditativen Klängen mit Naturgeräuschen und klirrendem Black Metal findet im finalen „I will lay down my Bones among the Rocks and Roots“ seinen Höhepunkt. Der ruhige Einstieg lullt die Crowd ein, ehe ein melancholisches Black Metal Feuerwerk zündet. Die Melodien kommen einen Tick klarer zur Geltung was die Musik noch etwas besser macht. Dann geht die Band ohne viele Worte von der Bühne und die Stimmung ist positiv aufgeladen. Kurz fragt man sich wer den jetzt weitermacht, schließlich ist es eine Co-Headlinertour, doch als die ersten Aufsteller auf die Bühne getragen werden ist klar: Amorphis stehen in den Startlöchern. Das Bühnenbild ist im Stil des aktuellen Albums „Queen of Time“ gehalten und „The Bee“ eröffnet ein Knaller-Set. Die Band ist super drauf und dass Tomi Joutsen ein absolutes Stimmwunder ist stellt er auch heute wieder unter Beweis. Von finsteren Growls über Screams bis zu hymnischem Klargesang, der Mann meistert alle Stimmlagen mit Leichtigkeit und auch seine Mitmusiker sind super drauf. Dementsprechend euphorisch fällt der Applaus nach der Begrüßung aus bevor mit „Heart of the Giant“ und „Bad Blood“ zwei weitere Schwergewichte in die Menge gefeuert werden. Besonders in den ersten Reihen sind frenetische Fanreaktionen auszumachen, da stört es auch nicht das die Chöre vom Band kommen. Denn schließt man die Augen erkennt man kaum einen Unterschied zu einem realen Chor. Nachdem „Silver Bride“ von der kompletten Halle mitgesungen wird beendet ein finsterer Sturm in Form von „The Four Wise Ones“ den ersten Teil des Sets. Tomis stimmliche Leistung ist einfach immer wieder beeindruckend und besonders in den rhythmischen Zwischenparts klatscht die ganze Halle im Takt. Stark! Dann geht’s mit dem Intro „Thousand Lakes“, „Into Hiding“ und „Against Widows“ auf Zeitreise zurück zu den Anfängen der Band. Dabei kann besonders letzteres begeistern und es fällt einmal mehr auf welch songwriterischen Weg die Band seit ihren Anfängen zurückgelegt hat. Dass Gitarrist Tomi Koivusaari hier ein paar Growls beisteuert ist nach wie vor ein cooles Gimmick. Mit „Sampo“ gibt’s einen weiteren Fanliebling der begeistert aufgenommen wird. Die Wendungen innerhalb des Songs sind immer wieder cool und Mr. Joutsons gesangliches Wechselspiel ist 1a. Bevor sich Amorphis mit einem grandiosen Finale bestehend aus „House of Sleep“ (das wirklich JEDER mitsingt) und dem Klassiker „Black Winter Day“ verabschieden gibt’s mit „Wrong Direction“ und „The Golden Elk“ nochmal neueres Material zu dem die Halle ordentlich steil geht. Besonders letzteres ist mit seinen coolen Kontrasten ein absoluter Brecher dessen Refrain von der ganzen Halle mitgesungen wird. Am Ende gehen Amorphis unter tosendem Applaus von der Bühne und machen Platz für Dimmu Borgir. Schon während des Umbaus wird die Stimmung merklich düsterer. Der Drumraiser wird mit allerlei Schädeln dekoriert und unter der Bassdrum prangt eine fette „Eonian“-Flagge. Nachdem das Intro verklungen ist werden die Norweger frenetisch empfangen und steigen mit „The Unveiling“ in ihren Set ein. Die symphonischen Elemente und Chöre schaffen eine dichte Atmosphäre die sich in den harten Passagen entlädt ehe die ruhigeren Strophen für Gänsehaut sorgen. Dazu trägt auch das Outfit der Band bei. Alle Musiker stehen in einheitlichen Kutten im Stil ihrer „Eoanian“-Inszenierung auf der Bühne was der Darbietung eine zusätzliche Form von Erhabenheit verleiht. „Interdimensional Summit“ hat sich zu einem kleinen Hit gemausert und wird heute ordentlich abgefeiert. Besonders Gitarrist Galder zeigt sich als Aktivposten der Show der allerlei creepy(?) Grimassen zum Besten gibt. Shagraths Interaktion mit den Fans ist angenehm ausgewogen und schafft es das düstere Flair nicht zu stören, ohne die Band unantastbar wirken zu lassen. Mit „The Chosen Legacy“ und „The Serpentine Offering“ geht’s zurück zu „In Sorte Diaboli“-Zeiten und besonders ersteres schallt laut aus der Crowd wider. Während letzteres die Stimmung noch ein Stück höher hebt. Hier wird mitgesungen und fleißig geheadbangt. Das finstere „Gateways“ treibt die Energie sogar noch weiter in die Höhe. Zwar kommen die psychotischen weiblichen Gesänge aus der Konserve doch das tut der Klasse des Songs keinen Abbruch. Hier wird deutlich dass Dimmu Borgir stets Wert aufs Detail legen. Jeder noch so kleine Effekt wirkt perfekt inszeniert und durchdacht. Dass dabei ein Stück weit Spontanität fehlt ist nicht weiter schlimm denn die Atmosphäre der Show nimmt immer wieder gefangen. Als die ersten Chöre der Bandhymne „Dimmu Borgir“ erklingen dreht die Crowd fast noch weiter auf. In den ersten Reihen wird jede Zeile mitgesungen und die Band spielt die Halle in einen wahren Rausch. „Puritania“ sticht dann einerseits aus der Setlist hervor, denn die kalten Drums und elektronischen Elemente sowie die (geilen) Verzerreffekte auf Shagraths Gesang geben dem Song ein ganz eigenes Flair, andererseits verstärken diese Elemente auch die finstere Aura der Band. Den Fans gefällts genauso wie das folgende „Ætheric“ das besonders von seiner geilen Lichtshow lebt (allerdings ist das ganze Konzert in puncto Inszenierung beinahe unangreifbar). Die Fans brüllen die Chöre fleißig mit so dass sich die eh schon aufgeheizte Halle immer mehr in einen dunklen Schmelztigel verwandelt. „Council of Wolves and Snakes“ ist ein Monster! Besonders geil: Die Tribal-Drum Parts werden von den Bandmitgliedern live übernommen was den Song nochmal spezieller macht. Die Stimmung wird gefühlt nochmal finsterer und Shagraths Präsenz ist immer wieder ein Hingucker. Ganz ähnlich ist es bei Galder, der mit seiner durchgeknallten Mimik die Blicke auf sich zieht. Nachdem die Chöre ein immer majestätischeres Bild entstehen lassen gibt’s mit „Progenies of the Great Apocalypse“ den totalen Orchester-Overkill. Dabei enstehen aber glücklicherweise keine Längen innerhalb des Songs und besonders das krachende Finale ist ein Knaller. Der Abschluss „The Mourning Palace“ treibt die Stimmung dann auf die Spitze. Die Crowd skandiert einstimmig „hey, hey“ gen Bühne auf der ein geniales Spektakel aus Lichtshow und Musik geboten wird ehe der Abend würdevoll endet. Starkes Bandpackage, starke Show! Gerne wieder.
3. Alcest, Birds in Row, Kælan Mikla München Technikum 09.02.2020
Wer pünktlich zum Einlassbeginn vor der Halle steht hat das Glück sofort rein zu kommen, steht allerdings auch erstmal auf verlorenem Posten, denn noch ist nicht viel los. Auf der Bühne hängt bereits der Backdrop von Alcest und es tönt eine passende Mischung aus Hardcore und Dark Rock aus der Hallenanlage. Die isländischen Kælan Mikla geben heute den Anheizer und fallen zunächst mit ihren coolen Outfits und der Bandkonstellation auf. Zur etwas verschroben wirkenden Sängerin gesellen sich eine Dame am Synthesizer und eine Bassistin. Musikalisch spinnen die Damen den Faden der Eingangsmusik weiter und bieten eine originelle Mischung aus Post-Punk, Dark Rock und Gothic. Als nach drei Songs eine Basssaite reißt entschuldigt sich die sichtlich nervöse und schüchtern wirkende Sängerin immer wieder bei den Besuchern für die Unterbrechung und wird von lautem Jubel unterstützt. Als es dann weiter geht fällt immer mehr auf dass sich die Band nur in ihrer Musik richtig wohl zu fühlen scheint und am liebsten auf jegliche Kommunikation verzichten würde. Das ist aber nicht weiter schlimm sondern macht die Damen irgendwie noch sympathischer. Am Ende geht das Trio ohne viele Worte von der Bühne und hinterlässt einen Teil des Publikums begeistert (zu dem auch ich mich zähle), der andere Teil spendet Höflichkeitsapplaus. Als nächstes stehen Birds in Row auf dem Programm und es wird heftig. Die Band steigt mit einem Knall in ihr Set ein, die ersten Nummern machen auch noch richtig Spaß und sind cool anzusehen, denn vor allem der Frontmann geht energisch ab. Je länger die Show aber geht desto schneller nutzt sich die Musik ab. Die Songs wirken leider etwas gleichförmig und erinnern ein ums andere mal an Bands wie Architects ohne an deren Klasse anknüpfen zu können. Genau hier liegt das Problem: Die Zutaten sind bekannt doch das Gericht kennt man von anderen Bands besser zubereitet. Handwerklich ist die Chose aber gut gemacht und auch die komplett weiße Lichtshow passt zum Sound der von der Bühne tönt. Als sich die Band nach einem kurzen Dank verabschiedet erntet sie doch ordentlich Applaus, es entsteht aber auch der Eindruck dass es im Hinblick auf den Headliner vielleicht besser gewesen wäre die Positionen der Vorbands zu tauschen. Alcest entführen im Anschluss in ihre völlig eigene Welt. Schon zum Umbau wird die Bühne komplett eingenebelt und die Band startet mit „Les jardin de Minuit“ und „Protection“ vom aktuellen Album „Spiritual Instinct“ in ihre Show. Die live als Quartett agierende Band bekommt heute einen Top-Sound auf den Leib geschneidert so dass alle Facetten der filigranen Musik super wirken können. Die wenige Kommunikation mit den Fans beschränkt sich auf Songtitel und ein, zwei kleine Infos zur Musik. Doch viel mehr ist auch nicht nötig denn so kann diese ihre volle Wirkung entfalten. „Oiseaux de proie“ führt die Fans zurück zum Album „Kodama“. Neiges Ansagen beschränken sich auf ein Minimum was den Eindruck bestätigt, dass er sich vor allem über seine Musik definiert und keinerlei extrovertiertes Auftreten nötig hat. Das passt sehr gut zum Sound der Band die mit dem wunderschönen „Autre Temps“ zum träumen einlädt. Etwas Besonderes ist auch die Lichtshow die jeden Song optimal unterstützt ohne aufdringlich zu werden. Zu „Écailles de Lune – Part 2“ wirken die Musiker und besonders Neige komplett in sich gekehrt und zaubern eine fesselnd-meditative Stimmung in die Halle die sich in „Sapphire“ weiter steigert. Die Fans wiegen sich im Takt und auch Neiges Schreie wirken wie aus einer anderen Sphäre. Das noch introvertiertere „Le Miroir“ rückt den Frontmann ein Stück weiter in den Vordergrund und man bekommt das Gefühl dass der sich am wohlsten fühlt wenn er nur Musik machen kann ohne jegliches Geplänkel drumherum. „Kodama“ setzt schließlich einen ersten eindrucksvollen Schlusspunkt unter die Show. Dann wird die Bühne dunkel und die Band verschwindet. Allzu lange lässt sie die begeisterten Fans aber nicht warten und kehrt mit dem großartigen „Là où naissent les couleurs nouvelles“ zurück. Die Lichtshow wird passend zum Sound noch ein Stück verträumter und das Konzert erreicht in diesem Song seinen emotionalen Höhepunkt. Der Wechsel aus Blastbeat-Passagen und getragenen Melodieteppichen wirkt verträumt und bedrückend zugleich. Zurück bleiben staunende und euphorische Fans. „Délivrance“ beschließt den Abend dann mit andächtig verträumten Harmonien und zuckersüßer Melodik und verstärkt den Eindruck hier eine absolute Ausnahmeband erlebt zu haben. Am Ende gehen die Musiker nacheinander von der Bühne, Neige bleibt in einem weißen Lichtkegel stehen ehe auch er abgeht. Was für ein Schlussbild für dieses grandiose Konzert!
4. Dropkick Murphys, Frank Turner & The Sleeping Souls München Zenith 19.02.2020
Der Einlass hat noch nicht mal angefangen und doch ist vor der Halle einiges los. Zum Glück lassen die Ordner die Leute doch relativ schnell in die Halle so dass man nicht allzu lange in der Kälte stehen muss. Schon jetzt fällt auf dass das Publikum im Vergleich zu den sonstigen Shows die ich so besuche deutlich anders gelagert ist, aber wir lassen uns nicht beirren und schauen was der Abend bringt. Als Support ist bisher nur Frank Turner bekannt und so ist man doch kurz verwundert als es mit dem Folk Sänger Jesse Ahern losgeht. Der Mann liefert aber durchaus angenehm ab und präsentiert eine Soloshow die sowohl nett anzusehen als auch gut anzuhören ist. Seine Irish Folk Songs spielt er überwiegend auf der Akustikgitarre und wenn er nicht gerade singt spielt er Mundharmonika. Und das sogar verdammt gut, so dass die Musik gut ins Ohr geht und Laune macht. Alles in allem ein gelungener Einstieg in den Abend. Die folgende Umbaupause sorgt leider für ein ziemliches Stimmungsloch, zieht sie sich doch eine gefühlte Ewigkeit hin. Doch als Frank Turner & The Sleeping Souls schließlich die Bühne entern liefern sie eine top Show und entschädigen für das Warten. Die Musiker sind bei bester Laune und mit „Get Better“, „1933“ und „The Lioness“ geben sie sofort Gas. Besonders letztgenannte Nummer entpuppt sich als Ohrwurm der trotz ruhiger Momente ordentlich knallt. Apropos knallt, für die wenigen(?) Metalheads die sich auf das Konzert verirrt haben zeigen sich leider bereits erste ungewohnte Aktionen in der Crowd die im Verlauf des Abends noch zunehmen werden, doch dazu später mehr. Mit „Try this at Home“ gibt’s den nächsten Ohrwurm zu dem die Fans so freudig tanzen wie sie zu „Photosythesis“ singen. Mit seinen Ansagen hat Frank die Lacher auf seiner Seite und Songs wie „Jinny Bingham’s Ghost“ (coole Tanznummer), der Motivationssong „Eulogy“, den er heute auf deutsch vorträgt oder auch „Recovery“ und „I Still Belive“ (das die Crowd aus vollen Kehlen mitsingt) funktionieren super und werden ordentlich abgefeiert. „Four Simple Words“ beendet die Sause dann und dem Song entsprechend wird im Publikum viel getanzt und es entsteht ein kleiner Eindruck dessen was noch folgt, denn bei den Dropkick Murphys drehen die Fans richtig frei. Doch erstmal knickt die Stimmung deutlich ein, denn wieder dauert der Umbau ewig. Zum Intro „Foggy Dew“ klatschen die ersten Fans aber freudig mit und „The Lonesome Boatsman“ und „The Boys are back“ eröffnen die Show mit einem Knall. Die Halle singt, tanzt und klatscht und auch die Band macht ordentlich Action. Zu „The Fighting 69th“ gibt’s aber die ersten unerfreulichen Aktionen wie aggressive Pits und fliegende Bierbecher, die den Spaß doch beeinträchtigen. Noch ist aber alles im Rahmen. Die Ansagen fallen auch immer relativ knapp aus so dass die Fans einen Knallersong nach dem anderen geboten bekommen. So auch das geile „Blood“ (das die Halle fleißig mitsingt) oder der coole „Prisoner’s Song“. Doch zum folgenden Triple „Rocky Road to Dublin“, „The Bonny“ und „The Wild Rover“ wird es merklich anstrengender. Erste volle(!) Bierbecher fliegen durch die Luft und auch die Bewegung in der Crowd wird merklich rabiater. Zu „The Battle Rages on“ scheint der Pit dann zu explodieren und weitet sich deutlich aus so dass auch Besucher die nur die Show sehen wollen in Mitleidenschaft gezogen werden, was den Genuss deutlich schmälert. Dafür kann das witzige „First Class Loser“ zwar ein Stück weit entschädigen doch spätestens beim eigentlich sehr coolen „Smash Shit Up“ werden die Aktionen und die Weite des Pits derart unerfreulich dass man eher damit beschäftigt ist sich und seinen Platz zu verteidigen als die Show zu sehen. Aber noch ist nicht alle Hoffnung verloren denn Songs wie das Punk-Cover von „Amazing Grace“ oder „Jimmy Collin’s Wake“ machen richtig Spaß. Zu „Citizen CIA“ eskaliert der Pit jedoch förmlich so dass die Show leider ein Stück weit ihren Spaß verliert. Zu „Johnny, I hardly knew ya“ wird’s zwar wieder erträglicher (was auch an dem sufftauglichen Refrain liegen könnte) doch die letzten Nummern machen dann erheblich weniger Spaß denn der Pit nimmt unschöne Ausmaße an. Dass auch zu viel Alkohol unschön werden kann beweist dann die kleine Schlägerei im Publikum. Zwar regeln die Beteiligten ihre Probleme relativ schnell wieder, aber sowas muss eigentlich nicht sein. Als sich die Murphys nach „Out of our Heads“ und „Going Out in Style“ erstmals verabschieden wird’s zwar wieder friedlicher und sofort werden auch „Let’s go Murphys“-Rufe laut, doch da die Musiker sich arg lange bitten lassen fällt auch hier die Stimmung (zumindest bei uns) ein Stück weit ab. Dafür entschädigt zwar das fantastische „Rose Tattoo“ das einfach JEDER mitsingt, doch „Shipping up to Boston“ nehmen einige Fans danach wieder zum Anlass sich auszutoben was wieder weniger cool ist. Immerhin der Abschiedssong „Until the next Time“ wird einigermaßen friedlich zelebriert. Unterm Strich bleibt ein musikalisch gelungener Abend der jedoch durch diverse Aktionen in der Crowd und lange Wartezeiten leider deutlich getrübt wurde.
Dominik Maier