In der Musikszene allgemein und in der Metal-Szene im Speziellen sind immer wieder bestimmte Phänomene zu beobachten. Trends kommen und gehen oder gewisse Verhaltensweisen von Fans aber auch von Seiten der Künstler etablieren sich. Das kann beispielsweise auf Konzerten und Festivals beobachtet werden. Einige dieser Erscheinungen bereichern die Szene, andere sind eher weniger positiv. Die hier vorhandenen Texte beschäftigen sich allgemein mit diesen Phänomenen und sind durch persönliche Erlebnisse und Empfindungen beeinflusst.
Dominik Maier
Aufmerksamkeitsdefizit
Leben wir Metalheads auf unserer kleinen, heilen Insel, auf der die Wertigkeit von Platten, CD’s und Tapes wirklich noch als hohes Gut angesehen wird? Oder anders gefragt: Verkommt der allgemeine Musik-und Kunstmarkt samt seiner entsprechenden Szenen zunehmend zu einem Schnell-Imbis, bei dem die Musik oder das Werk des Künstlers möglichst schnell am Mann sein muss? Klar, das Internet bietet unzählige Möglichkeiten seine Kunst zu veröffentlichen und Streaming und Downloads sparen wohl Kosten für Presswerk, Labelarbeit usw. Aber ist das eine lohnenswerte Entwicklung? In der Metalszene wird immer wieder der Wert von Zusammenhalt und Zugehörigkeit hochgehalten, ist es da dann sinnvoll Musik nur noch digital zu konsumieren? In seinen absurdesten Auswüchsen ging dieser Trend bisher soweit, dass Künstler (aus anderen Szenen) Deluxe-Boxen ihres Albums herausbrachten, die anstatt einer CD/LP einen USB-Stick mit MP3-Dateien der Songs enthielten. Das Hauptaugenmerk lag auf den übrigen Zusätzen der Box. Daher nochmal die Frage: Was ist die Musik an sich wert, wenn sie lediglich als Gimmick zu einem Merchandise-Artikel herhalten muss? Verkehrte Welt…Bleibt zu hoffen, dass der Metal-Szene diese Marketing-Unarten erspart bleiben.
Dominik Maier
Im Coronakoma
Im Großen und Ganzen sieht sich die Metalszene schon lange als offenes Konstrukt, das prinzipiell jeden akzeptiert. Frei nach dem Motto: „Leben und leben lassen“. Führt man sich aber einen etwaigen Querschnitt von Äußerungen aus der Szene im Bezug auf Corona vor Augen, egal ob von Künstlern, Veranstaltern, Journalisten oder einfach „nur“ Fans ist es doch verwunderlich, dass der Anteil von Kritikern bezüglich der Maßnahmen der Regierungen gegen Corona augenscheinlich so gering ausfällt. Sicher, es ist wichtig und richtig, dass jeder seine eigene Meinung zu jedem Thema frei äußern darf. Aber ist es nicht seltsam, dass staatliche Maßnahmen (egal von welchem Staat) kaum oder nur selten wirklich hinterfragt werden? Gerade unsere Szene hat sich doch sonst immer durch ihre kritische Haltung gegenüber Politik, aber auch den gesellschaftlichen Entwicklungen abseits davon ausgezeichnet. Woher kommt diese – platt formuliert – Unterwürfigkeit im Bezug auf die momentane Lage? Liegt es daran, dass es kein offensichtlich greifbares Feindbild mehr gibt, wohingegen bei Themen wie Rassismus eben immer ein relativ klares „für und wider“ festgestellt werden kann? Oder liegt es daran, dass der gesellschaftliche Druck, den jedwede Kritik an der momentanen Lage und den damit verbundenen politischen Entscheidungen mit sich bringt zu groß ist? Oder scheuen wir unangenehme Fragen/Diskussionen weil sie eben auch im engsten eigenen Kreis stattfinden können? Die Antworten auf diese Fragen muss wahrscheinlich jeder für sich selbst herausfinden, aber niemand sollte vergessen, dass Meinungsfreiheit – egal auf welche Weise angewandt – ein sehr hohes Gut ist und dass es gerade jetzt und in einer solchen Lage wie der momentanen umso wichtiger ist sich breit zu informieren und für seine Meinung einzustehen.
Dominik Maier
Ist Metal noch rebellisch?
In den Anfangstagen der Rockmusik wollten die Musiker gegen die herrschende Norm aufbegehren. Die Instrumente waren eine Waffe gegen die geregelte, ja spießige Gesellschaft. Dieser Leitgedanke ist seit jeher ein Grundsatz der Rockmusik. Egal ob die Musik von Ausnahmetalenten wie Jimmy Hendrix kam oder vergleichsweise stumpf wirkte wie z.B. im Punk, die Motivation, die zur jeweiligen Musik führte, war im Grunde immer dieselbe: Ein Antistatement zur Gesellschaft. Heutzutage ist die Rockmusik bzw. auch der Metal in der Mitte der Gesellschaft angekommen (mit Ausnahme einiger weniger Regionen bzw. Länder in denen dies noch nicht der Fall ist). Ist der rebellische Kern also mit der Zeit verloren gegangen? Ja und nein. Die Radikalität des Neuen ist nicht mehr vorhanden, doch die Rebellion spiegelt sich heutzutage eher in den Texten (also im Detail) der Musik wieder. Vorhandene Unzufriedenheit bekommt durch die Musik ein Ventil. So kann die Botschaft der Musiker relativ einfach eine breitere Masse an potentiellen Hörern erreichen. Also kann diese Botschaft auch vielfach wahrgenommen werden. Die „Gefahr“ des „Neuen“, die in den Anfangstagen der Szene in der Musik lag und für Teile der Gesellschaft schockierend war, ist heute weitestgehend verschwunden (wieder: Bis auf einige wenige Ausnahmen). Das nimmt der Musik jedoch nichts von ihrer Faszination. Zwar verbreitert sich die Hörerschaft, doch das ist im Grunde ja nicht schlecht.
Dominik Maier
Komerz!?
Ist Musik bzw. Kunst generell limitiert? Legen sich beispielsweise Musiker nicht automatisch ein Korsett an, wenn sie sich einem Genre unterordnen? Ja und nein. Viele Musiker schreiben ihre Songs in erster Linie für sie selbst. Ihre Musik kann z.B. eine Form von Selbsttherapie sein oder einfach das Ergebnis von überbordender Kreativität. Auch ein Maler oder ein Schauspieler beginnt sein kreatives Schaffen um sich selbst auszudrücken. Wenn der Künstler in seinem Bereich schließlich so gut wird, dass er seine eigenen „Produkte“ an die Öffentlichkeit herantragen kann, entwickelt sich eine potenzielle Menge an Kunden. Wenn diese ihr Interesse zeigen, können sich unterschiedliche Wege für den Künstler öffnen. Er kann seine Kunst zu kommerziellen Zwecken nutzen und sich dadurch möglichweise sein Leben finanzieren. Dieser Weg, vom Künstler der nur um der Kunst willen seine Tätigkeit ausübt, hin zu einem „Unternehmer“ der sein Schaffen vermarktet, ist immer mit Kompromissen verbunden. In der Rockmusik beispielsweise werden Bands oder Musiker die sich ihre Position im Geschäft selbst erarbeiten und schließlich den Schritt weg von einer Hobbyband, hin zu einer mehr oder weniger profitorientierten Gruppe schaffen, von den Fans der ersten Stunde oftmals als „zu komerz“ bezeichnet. Allerdings wird hier das ursprüngliche Ziel eines ernsthaften Musikers total falsch interpretiert. Denn was kann falsch daran sein mit der eigenen Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen? Streben wir nicht alle danach mit den Dingen die uns Spaß machen unser Leben finanzieren zu können? Vor diesem Hintergrund besteht also prinzipiell kein großer Unterschied zwischen einem Handwerker der durch seine Arbeit sein Geld verdient und einem Künstler der dasselbe macht. Beide ermöglichen sich ihren Lebensunterhalt indem sie das tun was sie gerne tun. In der Musik ist es für den Künstler zwar immer eine Gratwanderung zwischen den Erwartungen der Fans an die Musik und dem eigenen Willen zur kreativen Weiterentwicklung, doch die Fans sollten sich bei künstlerischen Experimenten ihres Lieblingskünstlers auch vor Augen führen, dass dieser seinen Weg so wählt wie er es für richtig hält. Und dass er trotzdem versucht seine Fans zufrieden zu stellen. Kunst die sich aus der freien, intuitiven Kreativität hin zu einem finanziellen „Unternehmen“ entwickelt ist immer ein Auf und Ab. Denn der Künstler muss mehrere Parteien zufriedenstellen und das hat häufig eine Kompromisslösung zur Folge, egal für welche Seite.
Dominik Maier
Sind Metalheads szeneblind?
Metalfans sind ein eingeschworener Haufen der sich nur für seine eigene Szene interessiert. Diese Sichtweise kommt bei „Außenstehenden“ manchmal vor. Doch schaut man sich die Metalszene im Gesamten an, wird man schnell erkennen, dass die vielen verschiedenen Einflüsse anderer Musik auf den Metal auch dazu führen, dass sich Metalfans mit anderen Genres befassen. Ein Beispiel: Die Band Skindred kombiniert in ihrer Musik Elemente des Reggea, Hip Hop, Punk, Funk und Metal. Und doch spielt sie auf Festivals die nach außen eher als „reine“ Metal-Veranstaltung gelten. Natürlich gibt es auch in der Metalszene Hardliner die sich nur auf die „reine Lehre“ „ihrer“ Musik versteifen, doch diese sind wahrscheinlich in jeder Musikszene zu finden. Grundsätzlich lässt sich die Metalszene als sehr tolerant bezeichnen. So kann es auf Metal-Festivals beispielsweise auch vorkommen, dass aus den Musikanlagen, die von den Besuchern mitgebracht werden, komplett szenefremde Sounds tönen. Von Schlager über „die Kantinerband“ bis hin zu Electro kann hier alles geboten werden. Das gefällt natürlich nicht jedem (und ist berechtigterweise auch ein diskutables Thema), aber daran wird ersichtlich, dass Metalheads nicht per se als engstirnig und auf „ihre Szene“ versteift bezeichnet werden können.
Dominik Maier
Die Kutte – Eine Uniform?
Um die Zugehörigkeit zu einer Szene auszudrücken gibt es allerlei Wege. In der Metal-Szene ist die „Kutte“ eine weit verbreitete Form dessen. Eine Jeans- oder Lederweste wird mit Aufnähern, die verschiedene Embleme unterschiedlicher Bands zeigen, verziert. Man kennt den Begriff „Kutte“ auch aus der Rocker-Szene. Hier tragen die Mitglieder bestimmter Motorradclubs eine Weste mit dem Emblem ihres Clubs. Diese dient als Erkennungs-und Zugehörigkeitssymbol. Doch zwängt man sich damit nicht in eine Art Uniform und büßt so den Aspekt der Individualität ein? Im Falle der „Metal-Kutte“ kann diese Frage wohl ziemlich klar verneint werden. Denn erstens, besitzt nicht jeder Metal-Fan eine Kutte und zweitens, herrscht auch kein Zwang sich eine solche zuzulegen. Hier ist die Kutte eine Ausdrucksform bzw. ein Accessoire das individuell gestaltet wird. Deshalb sieht keine Kutte wie die Andere aus. Jede ist ein Einzelstück, da sie der jeweilige Fan nach seinen persönlichen Vorlieben selbst gestaltet. Insofern ist sie wohl eher ein Ausdruck von Individualität als von Uniformität.
Dominik Maier
Pogoprügler und Moshpitkämpfer
Pogotanz, Moshpits, Circle-Pits, Wall of Death, Crowdsurfing. All diese Aktivitäten finden auf (Metal-) Konzerten statt. Doch haben sie eine Berechtigung? Ein Konzert soll den Besuchern und den Bands in erster Linie Spaß machen. Genau hier ist der Knackpunkt. Denn von der Bühne aus betrachtet sehen eine Wall of Death oder ein Circle-Pit vielleicht cool aus, aber wenn man sich im Publikum befindet und noch dazu gar kein Interesse an diesen, doch eher rabiaten Aktionen hat, kann man trotzdem relativ leicht in das Geschehen hineingeraten. Ein paar Rempler sind normal wenn sich eine Menschenmenge bewegt, allerdings sollten gerade Crowdsurfer vielleicht auch einmal bedenken ob es den anderen Beteiligten Spaß macht wenn Menschen über ihre Köpfe geschoben werden. Denn ein Stiefel im Genick ist dabei schnell passiert, bereitet den Betroffenen aber sicher keine Freude. In jedem Publikum sind auch Besucher die einfach nur die Musik genießen und ihre Lieblingsbands live spielen sehen wollen. Diese Menschen werden durch die erwähnten Aktionen gestört bzw. sogar in Mitleidenschaft gezogen. Denn wenn ein „Unbeteiligter“ in einen Moshpit gerät, kann er sich unter Umständen nicht mehr schnell genug zurückziehen und gerät so in eine Situation die ihm möglicherweise das komplette Konzerterlebnis ruiniert. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Menschen bei den erwähnten Aktion verletzten (wenn auch meist nur leicht), alleine diese Tatsache sollte doch den anderen Fans zu denken geben. Denn alle Beteiligten sind normalerweise wegen der gleichen Sache vor Ort. Sie wollen ihre Lieblingsband live spielen sehen und sie wollen dazu feiern. Der Eine feiert etwas rabiater, der Andere lässt es ruhiger angehen, aber keiner der beiden sollte wegen dem Anderen ein schlechtes Konzerterlebnis haben.
Dominik Maier
Metal vs. Klassik
Metal ist in erster Linie harte Musik mit brachialem Sound und bösen Texten. So lautet das Klischee. Klassik hingegen ist anspruchsvoll, niveauvoll. Die Musik der Intellektuellen und der Wohlhabenden. Diese beiden Klischees sind leider auch heute noch (mehr oder weniger weit) verbreitet. Die beiden Szenen haben auf den ersten Blick rein gar nichts gemeinsam. Und doch finden sich bei genauerem Hinsehen durchaus Parallelen. In beiden Fällen sind oft wahre Könner am Werk, die ihre Instrumente beherrschen und mit extremer Leidenschaft zu Werke gehen. Außerdem decken beide Genres eine Bandbreite an Klängen ab, die von sehr ruhig und filigran bis hin zu extrem hart, fulminant und bombastisch reicht. Und die Künstler beider Szenen gehen voller Leidenschaft an ihr Schaffen. Es ist ihr Lebensinhalt. Wenn man beide Szenen ohne Vorbehalte betrachtet stellt man zudem fest, dass sich in ihnen ein Querschnitt der Gesellschaft zusammenfindet um (meist) die jeweilige Leidenschaft für Musik auszuleben und sich mit Gleichgesinnten zu treffen.
Dominik Maier
Deutschrock!?
Warum ist der sogenannte „Deutschrock“ die einzige Musikrichtung härterer Gangart die ausschließlich auf die Sprache reduziert wird? Englischsprachiger Metal oder Rock wird ja auch in die jeweiligen Subgenres eingeordnet. Man könnte beinahe den Eindruck bekommen, dass in der Szene diesbezüglich eine gewisse Engstirnigkeit herrscht. Dabei sind die Bands, die unter diesem Sammelbegriff zusammengefasst werden, so unterschiedlich wie die gesamte Musikszene in all ihren Genres. Die Ärzte beispielsweise sind musikalisch wohl kaum mit Bands wie den Böhsen Onkelz zu vergleichen und diese klingen wiederum völlig anders als Megaherz oder die Broilers. Und doch werden all diese Bands, die mit ihrer Kunst die verschiedensten Richtungen eingeschlagen haben, unter dem Banner „Deutschrock“ zusammengefasst. Gut, die stilistische Bandbreite ist wohl zu groß um genrenamentlich zu differenzieren und gleichzeitig den Überblick zu behalten. Aber die Masse an Kritikern sollte wohl zwischen den jeweiligen Künstlern differenzieren können und müssen.
Dominik Maier