Mit ihren ersten beiden Alben schrieben DISSECTION (Black-) Metal Geschichte. Beide Werke werden auch heute noch als Referenzwerke für schwarze Kunst betrachtet. Das satanische Konzept der Band war an sich zwar nicht neu, doch die Ernsthaftigkeit welche die Band und besonders Bandkopf Jon Nödveit in dieses Konzept und die dazugehörigen Philosophien steckte waren anders als man es bis dato von spirituell ähnlich gelagerten Musikern gewohnt war. Die Band fußte von Anfang an auf dem Satanismus der hier nicht nur als Stilmittel verwendet wurde sondern tatsächlich das Fundament der Kunst darstellte. Er war der Lebensinhalt der Musiker. In den folgenden Texten bespreche ich alle Alben der Band und versuche die spirituelle Entwicklung der Band bzw. Jon Nödveits nachzuvollziehen und zu erklären.
- The Somberlain (1993)
Bereits mit ihrem Debut schrieben DISSECTION Metal-Geschichte. Die Death Metal-Wurzeln sind zwar noch deutlich auszumachen doch die Grundzüge der allumfassenden Schwärze die noch folgen sollte sind bereits vorhanden. Der Opener „Black Horizons“ fetzt ohne Umschweife los. Der organische Sound vereint Blastbeats mit kalten, präzisen Gitarrenmelodien und unheilvollem Gesang. Bereits dieser Opener zeigt, dass die Band in der Lage ist packende, düstere Musik auch über längere Songs spannend zu halten. Im Titeltrack sägen sich melodische Gitarren durch eine dichte Atmosphäre. Nach vier Minuten Hochgeschwindigkeit wird das Tempo gedrosselt und eine sehnsüchtige Melodie erklingt. Dieses Wechselspiel zieht sich bis zum Ende des Songs hin. Der verständliche Krächzgesang passt hervorragend und wirkt erhaben und aggressiv zugleich. Nach dem fast barocken Akustik-intermezzo „Crimson Towers“ groovt „A Land Forlorn“ los. Die Gitarren klingen aggressiv aber in den richtigen Momenten auch sehnsüchtig und verträumt. Dazu keift Jon seine satanische Botschaft beschwörend in die Welt hinaus. Das Tempo wird immer wieder geschickt variiert, so dass die Spannung konstant bleibt. „Heaven’s Damnation“ brettert in Hochgeschwindigkeit los. Und wieder: Die Melodien lassen niemanden kalt. Die Kombination aus Eingängigkeit und beschwörender Aggressivität funktioniert perfekt und zieht den Hörer immer tiefer in die musikalische Welt der Band. „Frozen“ ist ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit der Musik. Zwischen groovender Schwere und schnellerem Schwarzmetall hängt man abwechselnd gebannt an den Lippen des Sängers und lauscht den wirksamen Melodien der Gitarren. Mit „Into Infinite Obscurity“ gibt’s das nächste akustische Zwischenspiel bevor „In the cold Winds of Nowhere“ loslegt. Schneller Groove, beschwörende Screams und Melodien die sich hartnäckig ins Langzeitgedächtnis fressen stehen auf dem Plan. Zum Ende hin wird das Tempo variiert, was dem Song zusätzliche Schwere verleiht. „The Grief Prophecy/Shadows over a Lost Kingdom“ beginnt intensiv groovend und die Melodie bleibt-einmal gehört-sofort im Kopf. Der warme Bass sorgt für zusätzliche Gänsehaut. Das Tempo pendelt geschickt zwischen schleppender Langsamkeit und chaotischer Raserei und Jon keift aggressiv wie zuvor. „Mistress of the bleeding Sorrow“ vereint schnelle Melodien mit doomiger Schwere. Die Stimme ist stellenweise sogar noch einen Tick bösartiger als bisher und erzeugt ein ums andere Mal Gänsehaut. Das akustische Outro „Feathers Fell“ schlägt eine Brücke zum vorherigen Intermezzo und schließt das Album perfekt ab.
- Storm of the Light’s Bane (1995)
Dieses Album zählt bis heute zu den einflussreichsten Alben des (Black-) Metal. Und tatsächlich ist es an Dunkelheit und unberechenbarem Chaos, dem jedoch immer eine gewisse Schönheit und Erhabenheit zu Grunde liegt kaum zu überbieten. Nach dem unheimlichen Intro „At the fathomless Depths“ fegt „Night’s Blood“ wie ein eisiger Sturm über den Hörer hinweg. Die Riffs sind kalt aber hochmelodisch, Jon keift sich die Seele aus dem Leib und die Drums bilden das druckvolle Fundament des Songs. Die wärmere Akustikgitarre, die immer wieder für dezente Kontraste sorgt, zieht sich durch das ganze Album wie ein Gegenpol zur vorherrschenden Kälte. „Unhallowed“ bricht als schwarzer Sturm los. Rasende Drums, Gitarrenläufe die sich sofort ins Hirn fräsen und eine düster fauchende Stimme. In der Mitte brechen eingängige Gitarrenharmonien die Schwärze etwas auf, sorgen aber für eine beklemmende Stimmung. Das ruhige Intermezzo gegen Ende des Stücks fügt sich super in das Gesamtbild ein und rundet den Song stimmig ab. Ruhige Gitarren leiten „Where Dead Angels lie“ ein. Das düstere Opus entwickelt sich zum Höhepunkt des Albums. Die Melodien zünden sofort, klingen aber bei aller Eingängigkeit finster, fast hypnotisch. Der Refrain macht den Song zu einem wahren Black Metal-Ohrwurm und die Strophen und düsteren Zwischenspiele sorgen für Gänsehaut. Ganz groß! „Retribution-Storm of the Light‘s Bane“ ist ein Wirbelsturm. Der treibende Rhythmus wird immer wieder geschickt variiert. Von Blasts bis Midtempo ist alles da. Die Gitarren riffen düster, aggressiv und Jon keift seine Botschaften in die Welt hinaus. Das epische „Thorns of Crimson Death“ bündelt alle Facetten des Bandsounds und reizt den musikalischen Begriff von schwarzer Kunst doch aufs Äußerste aus. Nach dem kurzen, verträumten Intro startet der Song in schnellerem Midtempo. Die Gitarren klingen dunkel, verträumt und sehnsüchtig zugleich bevor in den Strophen Jons unheilvolles Keifen einsetzt. Der Refrain ist an hypnotischen Melodien kaum zu überbieten und fast werden Erinnerungen an Pink Floyd wach, doch bevor es soweit kommt bricht ein schwarzmetallischer Sturm los. Brutale aber warme Riffs gehen in die letzte Strophe über. Die Doublebass hämmert bevor die Gitarrenriffs das Klangbild zersägen, ein Donnergrollen ertönt und sich das Hauptmotiv des Songs langsam wieder aufbaut. Die Gitarren werden nochmal melodischer, doch in Kombination mit dem eindringlichen Rhythmus geht die beklemmende Stimmung nie verloren. Schließlich endet der Song in einem letzten düsteren Refrain. „Soulreaper“ pflügt danach als Highspeed-Black Metal aus den Boxen. Die kalte Atmosphäre wird durch geschickte Rhythmusvariation immer weiter gesteigert. Die Melodien wirken eisig und die Drums rasen in Hochgeschwindigkeit über den Hörer hinweg. Die akustischen Klänge die in der Mitte des Songs halten die Musik spannend bevor nach einem kurzen Break wieder Eiseskälte herrscht. Der blastende Refrain macht den Song zu einem Ohrwurm. Das variable Drumming am Ende sorgt nochmal für Spannung ehe das Stück mit eingängigen Melodien und Doublebass endet. Das ruhige Pianostück „No Dreams Breed in Breathless Sleep“ bildet zusammen mit dem Intro eine unheimliche Klammer die das Album perfekt einrahmt.
- Reinkaos (2006)
Nach elf Jahren (Zwangs)pause (sprich: dem Knastaufenthalt Nödveits) melden sich DISSECTION mit „Reinkaos“ zurück. Die Besetzung ist bis auf Jon Nödveit komplett neu und auch die musikalische Ausrichtung hat sich verändert. Statt eisigem Black Metal kleidet die Band ihre satanischen Botschaften jetzt eher in melodische Death Metal Klänge. Nach dem melodischen aber stampfenden Intro „Nexion 218“ startet „Beyond the Horizon“ druckvoll. Der Song ist eingängig, die Melodien packen sofort und Jon singt giftig und aggressiv wie lange nicht. Stark! „Starless Aeon“ erdrückt den Hörer mit dichter Atmosphäre. Die Riffs und Melodien, der kehlige Krächzgesang, das präzise hämmernde Schlagzeug, alles ist durchdacht und exakt arrangiert und doch versprüht der Song eine unheilvolle Atmosphäre die sich kaum beschreiben lässt. Auch „Black Dragon“ umgibt diese bedrückende Aura. Die Gitarrenmelodie des Intros und Jon’s beschwörender Gesang münden in einen hochmelodischen Midtempo-Stampfer. Jede Strophe wirkt wie ein neuer Grundstein auf dem sich der Refrain aufbaut und dunkel und beschwörend entfaltet. „Dark Mother Divine“ startet mit druckvollem Groove bevor ein ruhiger Break die zackige Strophe einleitet. Dank der schmissigen Riffs entwickelt sich der Song zu einem Ohrwurm dessen Refrain sofort zündet. Im letzten Songdrittel wird das Tempo angezogen und der neue Groove macht aus dem Song einen absoluten Headbanger. Grandioses Songwriting! „Xeper-I-Set“ klingt anfangs etwas sperrig, doch dann setzt ein schneller Groove ein über den Jons grimmiger Gesang regelrecht herfällt. Der Refrain wird von mehrstimmigen Gitarrenmelodien aufgewertet und mündet in einen schier unmenschlichen Schrei. Nach zwei Minuten gibt’s ein feines Gitarrensolo das in beschwörenden Gesang mündet, ehe der Song melodisch und abrupt endet. Nach dem Gitarrenintermezzo „Chaosophia“ stampft „God of forbidden Light“ los. Die Gitarren klingen harmonisch und düster, der Gesang ist so voluminös wie zuvor. Auffällig ist dass die Platte mit fortlaufender Spielzeit immer mehr Ritualcharakter bekommt. Die Schwärze und Misanthropie schwingt in jedem Ton mit und doch kann man sich der rauschhaften Energie kaum entziehen. Auch das instrumentale Titelstück entfaltet einen regelrechten Sog. Die Gitarren klingen düster aber fast noch melodischer als bisher. Das schleppende Drumming schiebt den Song unermüdlich an und die Bassmelodien haben fast malerischen Charakter. Der Song wirkt wie ein Ritual mit dem die Band ihre Botschaft ohne Worte verbreiten will. Highlight! „Internal Fire“ wirkt wie die Konsequenz aus dem Sog des Titelstücks. Der Rhythmus peitscht den Song energisch nach vorn. Die Gitarren sind melodisch wie eh und je doch der Gesang wirkt, gerade weil das Vorgängerstück instrumental war, bösartiger und griffiger als alles bisher. „Maha Kali“ bildet dann das epische Finale des Albums. Der Song ist grandios, weil schmissig komponiert und spannend arrangiert. Der Gesang klingt teilweise wie ein Gebet an die Chaos-Göttin Kali und teilweise wie eine Kampfansage an das Leben. Der Refrain macht den Song zu einer düsteren Hymne und die gesprochenen Zwischenpassagen werden mit rituellem Frauengesang kombiniert. Das Album endet mit einem letzten schmissigen Refrain in dem Jon seine Misanthropie wie einen Befreiungsschlag rauschreit. Letztendlich ist „Reinkaos“ ein grandioses Finale für eine vielschichtige Vision die gewaltig und packend in Szene gesetzt wurde.
Dominik Maier
Schwarze Musik aus schwarzen Herzen
Wie aus ernsthafter Kunst ein Feind des Lebens wuchs
Die satanische Botschaft von DISSECTION und insbesondere Jon Nödveits satanistische Gesinnung waren schon zu Beginn ihrer Karriere viel mehr als bloß plakativer Satanismus. Der Band ging es nicht darum zu schockieren sondern sie wollten ihre inneren Überzeugungen mit der Welt teilen bzw. auf die Welt loslassen. Die Ernsthaftigkeit der Spiritualität war bereits auf den ersten Alben sichtbar und anhand der Texte erlebbar. Das ist im Black Metal grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, doch Dissection hoben diese Ernsthaftigkeit auf ein neues Level. Was auf den ersten beiden Alben als innere Überzeugung und künstlerische Hingabe an den eigenen Glaube begann wurde auf dem dritten und letzten Werk zu einem Manifest das fast missionarische Züge hatte. Jons Ansichten flossen direkt und ungefiltert in die Texte des dritten Albums ein. Das chaos-gnostische Prinzip des MLO (Misantrophic Luciferian Order), dem der Musiker zu diesem Zeitpunkt bereits angehörte wurde der Dreh-und Angelpunkt des künstlerischen Kosmos‘ DISSECTIONs. Die menschenfeindliche Haltung des Ordens wurde von der Band in ihren Texten propagiert und schlussendlich führte diese völlige Hingabe an einen destruktiven Glauben zum Suizid Jon Nödveits. In ihrem künstlerischen Schaffen war die Band genauso fanatisch wie in ihrem Glauben. Die Musiker strebten immer nach Perfektion. Das wird auch aus dem künstlerischen Niveau auf dem sich bereits die ersten Alben befinden sichtbar. Doch genau dieses Streben nach eigener Perfektion in Kombination mit dem tiefsitzenden Satanismus und Menschenhass der am Ende in Jons Ansichten lag wurden dem Musiker selbst und somit auch der Band letztendlich zum Verhängnis. Denn das Chaos und die Schwärze wurden der Mittelpunkt des Lebens des Bandkopfes. Dass dies letztendlich zum Suizid des Musikers und damit zum Ende DISSECTIONs führte ist vor diesem Hintergrund einerseits bedingt nachvollziehbar, andererseits beweist es, dass totale Hingabe (in diesem Fall an destruktive und lebensfeindliche Glaubensinhalte) in Verzweiflung münden kann, ebenso wie sie aus Verzweiflung wachsen kann.
Dominik Maier